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Leitsatz:
Rechtsverordnungen des Bundesministers für Verkehr nach § 29 Abs. I BinnenschiffsverkehrsG können auch ohne vollen Wortlaut und, sofern sie für einen unbestimmten Zeitraum gelten, ohne Angabe des Tarifendes nicht nur im Verkehrsblatt, sondern auch im Bundesanzeiger wirksam verkündet werden.
Urteil des Bundesgerichtshofes
vom 8. Mai 1989
II ZR 126/88
(Landgericht Düsseldorf; Oberlandgericht Düsseldorf)
Zum Tatbestand:
Die Beklagte hatte für innerdeutsche Mineralöltransporte die tariflich festgesetzten Frachten an eine schweizerische Reederei gezahlt, aber nach Behauptung der Klägerin 30 % der Entgelte später in der Weise zurückerhalten, daß die entsprechenden Beträge von der Reederei auf das Konto der Schweizer Schwesterfirma der Beklagten überwiesen wurden. Gegenüber dem von der Klägerin gemäß § 31 Abs. 3 BinSchVG geltend gemachten Anspruch auf Zahlung eines Teilbetrages von 50 000 DM (Gesamter Unterschiedsbetrag: 145455,— DM) trägt die Beklagte vor, daß Rückvergütungen weder unmittelbar noch mittelbar an sie geleistet worden seien. Zwischen ihr und der Schwesterfirma beständen keine finanziellen und gesellschaftsrechtlichen Verflechtungen.
Beide Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen, wobei das Berufungsgericht einen Tarifverstoß schon deshalb verneint hatte, weil die für jenen Zeitraum maßgebenden Tarife mangels ordnungsgemäßer Verkündung unwirksam gewesen seien. Der Bundesgerichtshof hat der Klage unter Aufhebung des Berufungsurteils stattgegeben.
Aus den Entscheidungsgründen:
„...
1. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts, dessen Urteil in TranspR 1988, 205 ff. abgedruckt ist, liegt eine wirksame Verkündung der hier maßgebenden Tarife vor. Sie sind — unbestritten — in dem Frachtenbildungsverfahren nach §§ 21 ff. BinSchVG von dem zuständigen Frachtenausschuß beschlossen, anschließend vom Bundesminister für Verkehr genehmigt (§ 28 Abs. 1 BinSchVG) und als Rechtsverordnungen verkündet worden (§ 29 Abs. 1 BinSchVG). Die einzelnen Verkündungen sind im Bundesanzeiger erfolgt, allerdings ohne Wiedergabe des volen Wortlauts der Verordnungen und ohne Angabe des Tarifendes, jedoch unter Hinweis auf die vollständige Fassung des jeweiligen Tarifes im Frachten- und Tarifanzeiger der Binnenschiffahrt (FTB). Diese Art der Verkündung ist mit den Regelungen des Gesetzes über die Verkündung von Rechtsverordnungen vom 30. Januar 1950 — BGBl. 123 (RVOVerkG) vereinbar.
Nach § 1 Abs. 1 RVOVerkG werden Rechtsverordnungen des Bundes im Bundesgesetzblatt oder im Bundesanzeiger verkündet. Außerdem können Eisenbahntarife im Tarif- und Verkehrsanzeiger der Eisenbahnen des öffentlichen Verkehrs im Bundesgebiet sowie andere vom Bundesverkehrsministerium festgesetzte oder genehmigte Verkehrstarife im Verkehrsblatt — Amtsblatt des Bundesverkehrsministeriums der Bundesrepublik Deutschland — verkündet werden (§ 2 Abs. 1 und 2 RVOVerkG). Ferner bestimmt § 2 Abs. 3 Satz 1 RVOVerkG, daß ,der volle Wortlaut des Tarifes in den Amtsblättern nicht verkündet zu werden braucht, sofern darin Beginn und Ende des Tarifes und seiner Änderungen unter genauer Bezeichnung des Tarifes und seiner Bezugsquelle verkündet werden'. Aus diesen Regelungen ergibt sich entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht, daß die vorliegend maßgeblichen Verkehrstarife nicht ordnungsgemäß verkündet worden (und deshalb unwirksam) sind. Insoweit folgt der Senat den Ausführungen im Urteil des I. Zivilsenats des Bundesgerichtshofes vom 6. April 1989 — I ZR 103/88 (zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen). Dieser hatte sich in jener Entscheidung mit der sachlich gleich liegenden Frage zu befassen, ob die Verkündung von Verkehrstarifen des Bundesministers für Verkehr nach § 20 a Abs. 6 GüKG im Bundesanzeiger ohne Wiedergabe ihres vollen Wortlauts und ohne Angabe des Endes des Tarifes wirksam ist. Der I. Zivilsenat hat die Frage — entgegen dem der dortigen Revision zugrundeliegenden Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 24. März 1988 — 18 U 231/87 (TranspR 1988, 191 ff.) — mit der Rücksicht auf Sinn und Zweck der Regelung des § 2 Abs. 3 Satz 1 RVOVerkG bejaht. Nach seiner Ansicht deckt die Regelung trotz des scheinbar engeren, ausschließlich auf Amtsblätter im Sinne der Absätze 1 und 2 bezogenen Gesetzeswortlauts sachlich weitergehend auch den Fall der Verkündung von Tarifverordnungen im Bundesanzeiger ohne Wiedergabe des vollen Wortlauts der Tarife und ohne Angabe des Tarifendes. Dem schließt sich der erkennende Senat an. Entgegen der Auffassung der Revision und des Bayerischen Obersten Landesgerichts (Beschl. v. 29. Januar 1988 — 3 Ob OWi 166/88, TranspR 1988, 372, 373) meint er allerdings, daß der Bundesanzeiger an sich nicht zu den ,Amtsblättern' im Sinne des § 2 Abs. 3 Satz 1 RVOVerkG gehört, was der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes in dem Urteil vom 6. April 1989 nicht abschließend geprüft, sondern dort nur unterstellt hat. Nach der systematischen Gliederung der Regelungen in § 2 RVOVerkG können mit dem Wortlaut Amtsblätter' in dessen Abs. 3 Satz 1 nur der zuvor in Absatz 1 für die Eisenbahntarife aufgeführte Tarif- und Verkehrsanzeiger der Eisenbahnen des öffentlichen Verkehrs im Bundesgebiet und das in Absatz 2 für die anderen Verkehrstarife genannte Verkehrsblatt gemeint sein. Unentschieden kann im Streitfall bleiben, ob auch in den Fällen, in denen der Verordnungsgeber von vorneherein neben dem Beginn auch das Ende eines Tarifes bestimmt hat, dieser davon absehen kann, den Zeitpunkt des Außerkrafttretens des Tarifes mitzuverkünden. Bei den hier maßgebenden Tarifen geht es nämlich nur um solche, die für einen unbestimmten Zeitraum gelten sollten und demgemäß den Zeitpunkt ihres Außerkrafttretens nicht (schon) enthalten konnten.
2. Nach den rechtlich fehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Reederei von den tarifgemäßen Frachtzahlungen der Beklagten 30 % zurückvergütet und den sich daraus ergebenden Betrag von insgesamt 145 455,09 DM auf ein Konto von U. bei einer Genfer Bank überwiesen. Wäre stattdessen eine solche Überweisung an die Beklagte erfolgt oder ihr durch die Überweisung an U. ein Anspruch gegen diese entstanden, so wäre die Klage ohne weiteres gemäß § 31 Abs. 3 BinSchVG begründet. Davon geht offensichtlich auch das Berufungsgericht aus. Indessen hat es die Klage abgewiesen, weil es nicht bewiesen sei, daß die Beklagte einen Vermögensvorteil erlangt hat, daß sie ihrerseits aus der Überweisung der Reederei an U. Ansprüche in gleicher Höhe (,Guthaben') gegen diese erworben hätte'. Insoweit hat das Berufungsgericht offenbar die Ausführungen in dem Senatsurteil BGHZ 64, 159, 163 f. im Auge, wonach derjenige, von dem die Zahlung des Unterschiedsbetra ges zwischen dem tariflich festgesetzten und dem vereinbarten oder gezahlten Entgelt verlangt wird, durch die Tarifunterschreitung tatsächlich einen entsprechenden geldwerten Vorteil erlangt haben muß. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist der Beklagten aber ein solcher Vorteil durch die Rückvergütung der Reederei erwachsen. Das Berufungsgericht hat nämlich, wie die Revision mit Grund rügt, übersehen, daß zwischen der Beklagten und der Reederei hinsichtlich der Zurückvergütung von 30 % der Tariffracht ein Anweisungsverhältnis bestanden hat und in einem solchen Fall nach allgemein anerkannter Auffassung der Angewiesene (hier: die Reederei) an den Anweisenden (hier: die Beklagte) leistet, während der Dritte, (hier U.) der die Leistung erhält, bloßer Anweisungsempfänger ist (vgl. hierzu MünchKom. — Lieb, 2. Aufl. § 812 Rn. 30). Dabei spricht hier für ein Anweisungsverhältnis zwischen der Beklagten und der Reederei nicht nur die Feststellung des Berufungsgerichts, daß die Reederei die Überweisungen an U. als Rückvergütung auf die von der Beklagten gezahlten Tariffrachten geleistet hat, zumal erfahrungsgemäß ein Frachtführer derartige Leistungen nicht ohne eine entsprechende Anweisung des Absenders (Frachtzahlers) an einen an dem Frachtverhältnis unbeteiligten Dritten erbringt.
...“
Ebenfalls abrufbar unter ZfB 1989 - Nr.5 (Sammlung Seite 1262 f.); ZfB 1989, 1262 f.