Jurisprudentiedatabank
Leitsatz:
Zur Anspruchsgrundlage bei Verzug oder Nichterfüllung von Charterverträgen.
Urteil des Bundesgerichtshofes
vom 21. Juni 1976
II ZR 126/74
(Oberlandesgericht Oldenburg)
Zum Tatbestand:
Die Beklagte vercharterte Ende Juni 1972 ein vor der Fertigstellung stehendes Fahrgastschiff, mit dem Wattfahrten mit 130 Fahrgästen in der Zeit vom 15. 7. bis 31. 12. 1972 durch¬ geführt werden sollten, für 30000,- DM an die Klägerin. Im Falle einer verspäteten Ablieferung sollten je Tag nach dem 15. 7. 1972 500,- DM und nach dem 31. 7. 1972 1000,- DM zusätzlich gezahlt werden. Die Klägerin lehnte auf der Probefahrt am 15. 7. 1972 die Übernahme des Schiffes ab, weil nach dem am 13. 7. 1972 ausgestellten vorläufigen Fahrterlaubnisschein der Berufsgenossenschaft die Wattfahrt nur mit 75 Personen gestattet sei.
Die Klägerin verlangt von der Beklagten Zahlung von 30 000,- DM als Teil des entgangenen Gewinns, der dadurch entstanden sei, daß ihr das Schiff zwischen dem 15. 7. und 15. 9. 1972 nicht für Fahrten außerhalb der Zollgrenze zum zollfreien Verkauf von Waren an Fahrgäste zur Verfügung gestanden habe.
Die Beklagte lehnt die Zahlung ab, weil die Klägerin nicht zur vereinbarungsgemäßen Entrichtung der Chartergebühr - weder ganz noch teilweise - vor der Übergabe des Schiffes bereit gewesen sei und deshalb die Überlassung nicht habe verlangen können. Ferner sei die Klägerin auf der Probefahrt unterrichtet worden, daß die Fahrerlaubnis binnen 8 Tagen auch für 130 Personen erteilt werde, sobald Rettungsgerät für diese Personenzahl an Bord gebracht worden sei. Die Beibringung dieser Genehmigung sei übrigens Sache der Klägerin, die die Übernahme des Schiffes auch grundsätzlich abgelehnt habe.
Beide Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Die Revision der Klägerin blieb erfolglos.
Aus den Entscheidungsgründen:
„Ein Schadensersatzanspruch nach § 538 Abs. 1 3. Alt. BGB steht der Klägerin nicht zu. Hier geht es nicht darum, daß die Beklagte nach Überlassung des Schiffes mit der Beseitigung eines Mangels der in § 537 BGB bezeichneten Art in Verzug gekommen ist, sondern daß sie sich mit der Übergabe des Schiffes selbst in Verzug befunden haben soll. Auf diesen Fall sind aber die allgemeinen Vorschriften über den Schuldnerverzug anzuwenden und nicht die spezielle Bestimmung des § 538 Abs. 1 BGB (vgl. BGH, Urt. v. 16. 1. 1963 - VIII ZR 169/61, LM BGB § 538 Nr. 6; Soergel/Siebert, BGB 10. Aufl. § 537 Randnr. 3). Für die gegenteilige Ansicht der Revision gibt die in BGHZ 9, 320/321 abgedruckte Entscheidung nichts her. Denn diese befaßt sich allein mit der Frage, ob die stillschweigende Garantiepflicht des Vermieters für die Gebrauchstauglichkeit der Mietsache bei deren Übergabe auch dann besteht, wenn sie erst nach Vertragsschluß hergestellt werden soll.
Ein Schadenersatzanspruch der Klägerin aus § 326 Abs. 1 BGB kommt ebenfalls nicht in Betracht. Ein solcher Anspruch scheitert bereits daran, daß die Klägerin der Beklagten keine Frist zur Bewirkung der Leistung mit der Erklärung bestimmt hat, sie werde die Leistung nach Fristablauf nicht mehr annehmen. Entgegen der Auffassung der Revision ist eine derartige Erklärung nicht in dem Schreiben enthalten, das die Rechtsanwälte T. u. E. am 24. August 1972 auftrags der Klägerin an die Beklagte gerichtet haben. Das Schreiben fordert die Beklagte auf, bis 5. September 1972 mitzuteilen, ob sie bereit sei, das Schiff umgehend entsprechend den Charterbedingungen an die Klägerin zu übergeben. Sodann heißt es in dem Schreiben weiter, daß die Verfasser bei Nichteingang einer entsprechenden Zusage der Beklagten gehalten seien, ohne jegliche weitere Mahnung gerichtliche Schritte einzuleiten. Da diese auch auf Erfüllung der Charterpartie gehen konnten, geht aus dem Schreiben - und zwar auch nicht aus dem Hinweis, die Schadenersatzforderung der Klägerin werde mindestens 20000 DM betragen - nicht unzweifelhaft hervor, daß die Klägerin nach dem 5. September 1972 keine Erfüllung seitens der Beklagten mehr annehmen werde.
Soweit schließlich die Klägerin den Klageanspruch auf § 286 Abs. 1 BGB stützt, ist dieser gleichfalls unbegründet.
Das Berufungsgericht ist zu der Ansicht gelangt, daß für die Leistung der Beklagten eine Zeit nach dem Kalender nicht bestimmt war. (Wird ausgeführt.)
[...]
Auch wen man mit der Revision in dem Schreiben der Klägerin vom 16. August 1972 und dem ihrer Anwälte vom 24. August 1972 jeweils eine Mahnung im Sinne des § 284 Abs. 1 BGB sieht, scheidet ein Verzug der Beklagten aus, nachdem der Geschäftsführer der Klägerin bereits am 17. Juli 1972 die Übernahme des Schiffes selbst für den Fall abgelehnt hatte, daß die Beklagte noch die Fahrterlaubnis für 130 Passagiere beschaffen werde. Allerdings greift die Revision diese Feststellung des Berufungsgerichts als verfahrenswidrig an. Die Rüge ist jedoch unbegründet. (Wird ausgeführt.)“