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Leitsätze:
1) Auch wenn das zunächst angerufene Rheinschiffahrtsgericht - wegen der dort bestehenden Gerichtskostenfreiheit - ohne Vorschußleistung des Klägers bereits mündlich verhandelt, dann aber die Sache zuständigkeitshalber an das Schiffahrtsgericht verwiesen hat, soll das Schiffahrtsgericht vom Kläger die Prozeßgebühr verlangen und vor deren Zahlung Termin zur mündlichen Verhandlung nicht bestimmen.
2) Der Kläger ist jedoch auch ohne Vorauszahlung zur Verhandlung zur Sache zuzulassen, wenn auf Antrag des Beklagten Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt worden ist (Abweichung von RGZ 135, 224, 227f).
Urteil des Bundesgerichtshofes vom 21. Februar 1974
II ZR 123/72
(Schiffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort; Schiffahrtsobergericht Köln)
Zum Tatbestand:
Die Klägerin hatte zunächst ihre Schadensersatzforderung von 4,5 Mill. DM wegen des am 7. 10. 1960 erlittenen Verlustes des Fährschiffes T gegen die Beklagten beim Rheinschiffahrtsgericht - gerichtskostenfrei - geltend gemacht. Durch Zwischenurteil des BGH ist der Rechtsstreit jedoch zuständigkeitshalber an das Schiffahrtsgericht verwiesen worden. Als das Gericht einen Kostenvorschuß von über 30000,- DM anforderte, erklärte die Klägerin, das Verfahren zunächst nur hinsichtlich eines Betrages von 100000,- fortsetzen zu wollen und zahlte den hierfür fälligen Kostenvorschuß; sie kündigte dann an, im nächsten Termin den Antrag auf Zahlung von insgesamt etwa 4,9 Mill. DM zu stellen. Ihre Gesuche um Gewährung des Armenrechts und um Befreiuung von der Vorschußpflicht nach § 111 GKG wurden zurückgewiesen.
Die Klägerin beantragte darauf, das Verfahren wegen des Teilbetrags von 100000,- DM fortzusetzen. In dem Termin beantragten die Beklagten, die Klage wegen des darüber hinausgehenden Betrages durch Versäumnisurteil abzuweisen. Der Beschluß des Schiffahrtsgerichts, diesen Antrag der Beklagten abzulehnen, wurde vom Berufungsgericht aufgehoben.
Zu dem nächsten Termin vor dem Schiffahrtsgericht wurde die Klägerin nicht geladen, deren Klage daraufhin bezüglich des 100000,- DM übersteigenden Betrages durch Versäumnisurteil abgewiesen wurde. Auf den Einspruch der Klägerin wurde auch diese zum neuen Termin am 24. 9. 1971 geladen. Anträge der Klägerin zur Sache wurden wegen unterbliebener Kostenvorschußzahlung jedoch nicht zugelassen. Das Schiffahrtsgericht verwarf vielmehr auf Antrag der Beklagten den Einspruch der Klägerin durch Versäumnisurteil.
Die Berufung der Klägerin wurde vom Schiffahrtsobergericht zurückgewiesen. Auf ihre Revision wurden das Berufungsurteil und das Versäumnisurteil vom 24. 9. 1971 aufgehoben und die Sache zur anderweiten Entscheidung an das Schifffahrtsgericht zurückverwiesen.
Aus den Entscheidungsgründen:
Allerdings läßt sich nichts gegen den Ausgangspunkt des Berufungsgerichts einwenden, die Klägerin sei vorschußpflichtig geworden, nachdem der Bundesgerichtshof den zunächst beim Rheinschiffahrtsgericht anhängigen Rechtsstreit an das Schiffahrtsgericht verwiesen habe. Nach § 111 Abs. 1 GKG sollen der Termin zur mündlichen Verhandlung aufgrund der Klage erst bestimmt und, wenn die Klage im Laufe des Verfahrens erweitert wird, gerichtliche Handlungen nur vorgenommen werden, wenn der Kläger die geforderte Prozeßgebühr gezahlt hat. Hieraus ergibt sich ohne weiteres, daß die Klägerin vorschußpflichtig war, soweit sie erstmals beim Schiffahrtsgericht erweiterte Anträge ankündigte.
... war es kein Widerspruch zum Verfahren der bisher mit der Sache befaßten Gerichte, daß das Schiffahrtsgericht, als der Rechtsstreit erst auf den Verweisungsantrag der Klägerin in ein gerichtskostenpflichtiges Verfahren übergeleitet worden war, von § 111 GKG Gebrauch und die weitere Prozeßführung von einem Vorschuß der Klägerin abhängig machte. § 276 ZPO hat in diesem Zusammenhang keine Bedeutung (a. A. OLG Frankfurt MDR 1960, 508 für den Fall der Verweisung vom Arbeits- an das ordentliche Gericht); aus Sinn und Zweck der in dieser Vorschrift bestimmten einheitlichen kostenrechtlichen Behandlung des Verfahrens vor dem unzuständigen und dem zuständigen Gericht läßt sich nicht herleiten, eine Partei, die zunächst beim unzuständigen Gericht geklagt und dann den Verweisungsantrag gestellt hat, solle daraus den Vorteil ziehen, von Vorauszahlungen befreit zu sein, die zu leisten gewesen wären, wenn sie ihre Klage sogleich beim zuständigen Gericht eingereicht hätte.
§ 111 GKG soll den Kläger zur Vorauszahlung der Prozeßgebühr zwingen; es haben deshalb solche gerichtlichen Handlungen zu unterbleiben, die sei n e n Interessen dienen. Hieraus wird in der Rechtsprechung und im Schrifttum überwiegend der Gegenschluß gezogen, das Gericht sei durch diese Vorschrift nicht gehindert, dem Verfahren auch ohne Vorschußzahlung Fortgang zu geben, wenn die beklagte Partei dies beantrage (RGZ 135, 224, 228; weitere Nachw. u. a. bei Markl, GKG § 111 Anm. 13). Dem ist jedenfalls für den vorliegenden Fall zuzustimmen, in dem die Streitsache bereits (teilweise) vor dem Rheinschiffahrtsgericht rechtshängig geworden und die Beklagten dort in den Prozeß einzutreten gezwungen waren; unter dieser Voraussetzung war ihnen ein berechtigtes Interesse nicht abzusprechen, das an das Schiffahrtsgericht verwiesene Verfahren nicht länger in der Schwebe zu belassen und eine Entscheidung über die Klageansprüche (sowie über die ihnen teilweise bereits erwachsenen außergerichtlichen Kosten) herbeizuführen.
War danach das Schiffahrtsgericht gehalten, auf Antrag der Beklagten Termin anzuberaumen und zur Hauptsache zu verhandeln, so hat es doch Sinn und Zweck des § 111 GKG überzogen, als es - der Auffassung des Reichsgerichts (aaO) und einer vorausgegangenen Beschwerdeentscheidung des Schiffahrtsobergerichts folgend - die Klägerin zur Verhandlung zur Hauptsache nicht zuließ und den Beklagten damit die Möglichkeit eröffnete, die Abweisung des Anspruchs durch Versäumnisurteil, also ohne sachliche Prüfung, zu erreichen. In den Regelfällen des § 111 Abs. 1 GKG, die der Gesetzgeber ins Auge gefaßt hat, kommt eine solche Konsequenz nicht in Betracht: Werden die Klage oder klageerweiternde Schriftsätze vom Gericht nicht zugestellt oder sonstige gerichtliche Handlungen zugunsten des Klägers unterlassen, so kann dieser seinen Anspruch nicht durchsetzen, unter Umständen droht die Verjährung; aber keine gerichtliche Entscheidung erkennt ihm den Anspruch - vorläufig oder rechtskräftig - ab. Ein klageabweisendes Urteil ohne Zulassung der klagenden Partei zur streitigen Verhandlung in den Ausnahmefällen zu erlassen, in denen auf Betreiben des Beklagten terminiert worden ist, erscheint ebensowenig zulässig. § 111 GKG ist keine Vorschrift zugunsten der beklagten Partei.
Deren Interesse, einen nur wegen der ausstehenden Vorschußleistung nicht weiter betriebenen Prozeß zu Ende zu bringen, geht berechtigterweise nicht auch noch dahin, dieses Ziel - gegenüber einer an sich verhandlungsbereiten Partei - ohne streitige Verhandlung durch Versäumnisurteil zu ihren Gunsten zu erreichen. Der verwaltungstechnische und fiskalische Zweck des § 111 GKG, die Vorauszahlung der Prozeßgebühr auf einfache Weise durchzusetzen, hat nicht das Gewicht, daß ein endgültiger Rechtsverlust der klagenden Partei und damit eine einseitige Begünstigung der beklagten Partei in den wenigen in Betracht kommenden Sonderfällen in Kauf genommen werden müßte. Sachgerecht erscheint es vielmehr, § 111 GKG auf Fälle dieser Art, auf die die Vorschrift ersichtlich nicht zugeschnitten ist, nicht auszudehnen und stattdessen die an sich vorschußpflichtige Klagepartei auch ohne Vorauszahlung zur mündlichen Verhandlung zuzulassen, wenn Termin hierzu ausnahmsweise auf Antrag der beklagten Partei anberaumt worden ist.