Jurisprudentiedatabank
Leitsatz:
Zur Frage von Überholmanövern bei Begegnungen eines Talfahrers mit mehreren Bergschleppzügen.
Urteil des Bundesgerichtshofes
vom 27. Mai 1974
(Rheinschifffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort, Rheinschifffahrtsobergericht Köln)
Zum Tatbestand:
Dem der Klägerin gehörende, zu Tal fahrende nicht beladene Schleppzug, bestehend aus MS „H" und Schleppkahn „M", kamen bei Neuß 2 Bergschleppzüge entgegen, und zwar linksrheinisch SB „C" mit SK „Sonnenberg" und rechtsrheinisch SB „P" mit SK „B 33". Das dem Beklagten gehörende MS „Pa" begann, den „P"-Schleppzug auf dessen Steuerbordseite zu überholen; beide zeigten die blaue Seitenflagge; vom Talfahrer wurde dieses Kurszeichen erwidert. Während der Talschleppzug zwischen den Bergschleppzügen hindurchfuhr, stießen SK „M" und MS „Pa" mit den Steuerbordvorschiffen zusammen.
Die Klägerin verlangt Ersatz ihres Schadens von ca. 60000,- DM mit der Begründung, dass MS "Pa" plötzlich hinter SK „B 33" zwecks Überholung des Schleppzuges hervorgeschossen, dabei etwa 40 m nach Steuerbord zur Fahrwassermitte geraten und dann wieder nach Backbord auf SK „B 33" zugelaufen sei. Anschließend habe MS „Pa" mit dem Backbordachterschiff das Steuerbordmittelschiff des SK „B 33" berührt und sei darauf mit dem Steuerbordvorschiff gegen SK „M" gestoßen.
Nach der Darstellung der Beklagten hat MS „Pa" aus einem linksrheinisch begonnenen Übergang heraus die Überholung des „P"-Schleppzuges eingeleitet, dessen Seitenabstand zu dem „C"-Schleppzug etwa 100 m betragen habe, so dass für ein gleichzeitiges Begegnen und Überholen genügend Raum vorhanden gewesen sei. Der Schleppzug der Klägerin sei jedoch immer mehr nach rechtsrheinisch geraten, so dass MS „Pa", das ganz nahe an den Anhang des „P"-Zuges herangegangen sei, die Kollision nicht habe vermeiden können.
Rheinschifffahrtsgericht und Rheinschifffahrtsobergericht haben die Klage dem Grunde nach nur zu 1/3 für gerechtfertigt erklärt. Die Revision des Klägers blieb erfolglos.
Aus den Entscheidungsgründen:
Nicht richtig ist zunächst die Ansicht der Revision, das Überholmanöver des MS „Pa" sei jedenfalls deshalb unzulässig gewesen, weil das Überholen im Unfallbereich allgemein untersagt gewesen sei. Nach der vom Rheinschifffahrtsgericht eingeholten Auskunft des Wasser- und Schifffahrtsamtes Duisburg-Rhein vom 24. Juni 1971 bestand für den Unfallbereich ein allgemeines Überholverbot nur für Schubverbände und Schleppzüge. Es galt demnach nicht für Einzelfahrer wie MS „Pa". Es kommt daher, anders als die Revision meint, keine Umkehr der Beweislast zum Nachteil des Beklagten in Betracht. Dabei bleibt offen, ob der Verstoß gegen ein allgemeines Überholverbot überhaupt zu einer Beweislastumkehr zu Lasten des Überholenden führen kann.
Der Revision kann ferner nicht gefolgt werden, soweit sie ausführt, die Feststellung des Berufungsgerichts, der Talschleppzug habe sich noch mindestens 400 m oberhalb von MS „Pa" befunden, als dieses Fahrzeug den „P"-Schleppzug zu überholen begonnen habe, beruhe auf einer Verletzung des § 286 ZPO (wird ausgeführt).
Ist aber das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler davon ausgegangen, dass MS „Pa" bei Einleitung der Überholung des „P"-Schleppzuges noch mindestens 400 m unterhalb von dem Talschleppzug war, so spielt es keine Rolle, ob dieses Fahrzeug, wie die Klägerin behauptet hat, „nur etwa 5 m hinter dem SK ,B 33’ nach Steuerbord hervorgeschossen" ist, da sich der Talschleppzug auf das Überholmanöver - nach den übereinstimmenden Ausführungen beider Vorinstanzen - bei einer derartigen Entfernung durch Verlegen seines Kurses näher zu dem linksrheinischen Bergschleppzug hin gefahrlos hätte einstellen können. Auf diesen Punkt brauchte daher das Berufungsgericht nicht mehr besonders einzugehen. Ferner konnte es daraus, dass es trotz des auch von der Klägerin vorgetragenen Beigehens des MS „Pa" an SK „B 33" zu der Kollision zwischen dem Bergfahrer und dem Anhang des Talschleppzuges gekommen ist, den Schluss ziehen, dass der Talschleppzug dem Bergfahrer für die Überholung des „P"-Schleppzuges nicht genügend Platz gemacht hat.
Im Übrigen beachtet die Revision auch zu diesem Punkte nicht hinreichend, dass der Vorwurf der Klägerin gegen MS „Pa" in den Vorinstanzen im wesentlichen stets dahin gegangen ist, dieses Fahrzeug habe die Überholung des „P"-Schleppzuges so knapp vor dem Talschleppzug begonnen, dass er dem Bergfahrer nicht mehr habe ausweichen können. Gerade das ist aber nach den Feststellungen beider Vorinstanzen über den Unfallhergang widerlegt.