Jurisprudentiedatabank
Leitsatz:
Wird die Kursweisung eines Bergfahrers zur Steuerbordbegegnung fehlerhaft nicht beachtet, darf der Bergfahrer nicht versuchen, diese Art der Begegnung dennoch durchzusetzen, wenn ihm erkennbar ist, dass dieser Kurs nicht zu einer kollisionsfreien Begegnung führen wird.
Urteil des Bundesgerichtshofes
vom 29. Mai 1972
Rheinschifffahrtsobergericht Karlsruhe
Zum Tatbestand:
Das der Beklagten zu 1 gehörende, vom Beklagten zu .2 geführte MS „W" verlangte auf der Bergfahrt von dem rechtsrheinisch zu Tal fahrenden Schleppzug „R", bestehend aus Schleppboot „R" und dem der Klägerin gehörenden Tankkahn „F", eine Steuerbordbegegnung. Bei Rhein-km 413,5 kollidierte MS „W" etwa 50 m aus dem rechten Ufer zunächst mit „R" und sodann mit TSK „F", der in Querlage geriet und auch von dem Schleppzug unmittelbar folgenden MS „Margarethe" angefahren wurde. Die Klägerin verlangt von den Beklagten Ersatz des Schiffsschadens in Höhe von ca. 82 000,- DM, weil „W" so kurz vor dem Schleppzug die blaue Seitenflagge und dabei einen Übergang vom linken in den rechten Teil des Fahrwassers gemacht habe, dass der Schleppzug der Weisung des Bergfahrers zur Steuerbordbegegnung nicht mehr habe nachkommen können.
Die Beklagten behaupten demgegenüber, dass man auf dem Schleppboot die rechtzeitig gegebene Kursweisung (blaue Seitenflagge und Blinklicht) zunächst aus Nachlässigkeit nicht gesehen und nach dem Erkennen nicht befolgt habe.
Das Rheinschifffahrtsgericht hat die Klage abgewiesen, das Rheinschifffahrtsobergericht hat sie dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Die Revision der Beklagten blieb erfolglos.
Aus den Entscheidungsgründen:
Das Berufungsgericht meint, die Führung des MS „W" habe schuldhaft gegen das in § 37 Nr. 2 RheinSchPVO 1954 enthaltene Kursänderungsverbot verstoßen, weil sie nach dem kurzen Aufstrecken ihres Schiffes in Strommitte den Kurs wieder nach Backbord (zum rechten Ufer hin) gerichtet habe. Demgegenüber ist die Revision der Ansicht, eine. Verletzung des § 37 Nr. 2 RheinSchPVO 1954 durch den Bergfahrer komme deshalb nicht in Betracht, weil MS „W", wie das Berufungsgericht bei der Beurteilung des Verhaltens der Führung des SB „R" ausgeführt habe, dem Schleppzug so rechtzeitig die Weisung für eine Steuerbordbegegnung erteilt habe, dass diese gefahrlos hätte durchgeführt werden können. Das mag zutreffen. Daraus folgt jedoch nicht, dass die Klägerin die Beklagten zu Unrecht auf Schadenersatz in Anspruch nimmt. Denn in jedem Falle ist der Führung des MS „W" vorzuwerfen, dass sie bei der Durchführung des Begegnungsmanövers die allgemeinen Sorgfaltspflichten eines Schiffers (§ 4 RheinSchPVO 1954) fahrlässig verletzt und dadurch die der Klägerin entstandenen Kollisionsschäden - möglicherweise mit den Führungen weiterer Fahrzeuge - verursacht hat.
MS „W" hatte dem Talschleppzug den Weg für eine Steuerbordbegegnung gewiesen. Dieser Weisung ist die Schleppzugführung - pflichtwidrig (vgl. § 39 Nr. 1 RheinSchPVO 1954) - nicht nachgekommen. Das hat die Führung des MS „W" nach den unangefochtenen Feststellungen des Berufungsgerichts erkannt, ehe sie nach dem kurzen Aufstrecken ihres Schiffes in Fahrwassermitte den Kurs wieder nach Backbord richtete. Hierzu war sie zwar an sich auf Grund des von ihr festgelegten Begegnungskurses verpflichtet (§ 37 Nr. 3 RheinSchPVO 1954). Von dieser Pflicht entband sie jedoch die Vorschrift des § 5 Rhein-Sch PVO 1954.
Denn mit Rücksicht auf das nautisch falsche Verhalten der Führung des Schleppzuges, die die Weisung des Bergfahrers nicht beachtete und einen leichten Steuerbordkurs einhielt, musste die Wiederaufnahme des Backbordkurses durch MS „W"-für dessen Führung erkennbar - zur Kollision mit dem Schleppzug führen. In einer solchen Lage gebietet die allgemeine Sorgfaltspflicht eines Schiffers, einen Kurs zu wählen, der zu einer kollisionsfreien Begegnungen führt, auch wenn er mit der ursprünglichen Kursweisung in Widerspruch steht. Das konnte seitens der Führung des MS „W" dadurch geschehen, dass sie nach dem kurzen Aufstrecken ihres Schiffes in Strommitte dort gestreckt weiterfuhr und damit jegliches Kreuzen mit dem Kurs des Schleppzuges vermied. Dass sie das unterließ und stattdessen mit erneutem Backbordkurs doch noch eine Steuerbordbegegnung mit dem Schleppzug durchsetzen wollte, gereicht ihr zum Vorwurf.
Deshalb haben die Beklagten der Klägerin, deren Schiff unstreitig kein Verschulden an dem Schiffsunfall trifft, ihren Kollisionsschaden zu ersetzen (§ 823 BGB; § 4 RheinSchPVO 1954; §§ 3, 4, 92, 114 BinnSchG; §§ 735, 736 HGB; § 840 BGB).