Jurisprudentiedatabank
Urteil des Bundesgerichtshofs vom 17.09.1997
II ZR 104/96
Tatbestand:
Die Klägerinnen sind Eigner der R. Bei ihr handelt es sich um ein im Jahr 1907 aus Eichenholz gebautes Motorschiff, das am B. Oktober 1993 bei einem Brand im Hafen von Svendborg/Dänemark beschädigt worden ist. Der Brandschaden ist in Dänemark beseitigt worden. Das Schiff war bei den beklagten Versicherern, für die die Agentur M Nachfolger gehandelt hatte, mit einer Versicherungssumme von 350.000 britischen Pfund versichert, wobei Grundlage des Versicherungsverhältnisses die Yacht HP vom 2. April 1991 mit zugehörigen Yacht HC (YHC) war. Mit der Klage verlangen die Klägerinnen Ersatz der mit insgesamt 2.169.563,31 dänischen Kronen angegebenen Reparaturkosten, die nach Nr. 14.1 YHC in britischen Pfund zu regulieren sind.
Zu dem Brandschaden ist es folgendermaßen gekommen:
Die früher als Feuerschiff verwendete R sollte von einer Werft in Svendborg zu einem Dreimastschoner umgebaut werden. Vor Übergabe des Schiffs an die Werft nahmen Freiwillige der Thomas Brocklebank Stiftung (TB-Stiftung), zu der auch eine Seefahrtschule gehört, Aufräumarbeiten auf dem am Pier der Werft liegenden Schiff vor. Am Abend des Schadentages schweißte einer der freiwilligen Helfer drei Augen zur Aufnahme eines Seilzuges für eine später einzubauende Fernschlußeinrichtung der Treibstofftanks an einen Dieseltank an. Nach dem später erstellten Untersuchungsbericht ist vermutlich durch diese Schweißarbeiten das Feuer ausgelöst worden. Die TB-Stiftung hat die Reparaturarbeiten in Auftrag gegeben, auf sie sind dementsprechend die Rechnungen ausgestellt worden, die jedoch letztlich von den Klägerinnen bezahlt worden sind.
Die Beklagten haben ihre Eintrittspflicht unter Bezugnahme auf verschiedene Bestimmungen der YHC verneint und sich auch darauf berufen, der Schaden sei von Leuten der TB-Stiftung grob fahrlässig herbeigeführt worden, was sich die Klägerinnen wie eigenes Verhalten entgegenhalten lassen müßten.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Berufungsgericht hat ihr bis auf einen Teil des Zinsanspruchs stattgegeben. Mit ihrer Revision erstreben die Beklagten die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist begründet und führt unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Dessen Beurteilung hält weder zum Grund noch zur Höhe des Anspruchs den Revisionsrügen stand.
1. a) Das Berufungsgericht hat angenommen, die Beklagten könnten sich nicht auf den Ausschlußtatbestand in Nr. 7.2 lit. a der YHC ( "... the insurance also excludes: loss or damage arising whilst the vessel is not being used for sport or pleasure purposes, e.g. whilst in the charter business") berufen, weil die R jedenfalls während des Werftaufenthalts nach Nr. 1.2 YHC versichert gewesen wäre und für die Zeit nach Abschluß der Überführungsreise und vor Aufnahme in die Werft nichts anderes gelten könne.
Dies wird dem eigenen - wenn auch nicht immer widerspruchsfreien, vor allem auch zur Frage einer Vercharterung des Schiffs an die TB-Stiftung unklaren - Vortrag der Klägerinnen nicht gerecht. Nach ihrer Darstellung gehörte die R zu einer "Flotte" von vier Schiffen, die sämtlich bei den Beklagten versichert worden sind und die für die Ausbildung seemännischen Nachwuchses eingesetzt werden sollten. Von Beginn des Versicherungsverhältnisses an - also bereits etwa eineinhalb Jahre vor dem geplanten Umbau - ist nach diesem Vorbringen auch die R der TB-Stiftung für diesen Zweck zur Verfügung gestellt und bestimmungsgemäß verwendet worden. Auch die Klägerinnen haben nicht verkannt, daß ein derartiger Einsatz nicht unter die Klausel "Sport- und Vergnügungszwecke" fällt; deswegen haben sie, worüber sich das Berufungsgericht hinweggesetzt hat, unter Beweisantritt vorgetragen, es sei individualvertraglich verabredet worden, daß das Schiff auch für den genannten Zweck Versicherungsschutz genieße und daß die mit diesem Einsatz verbundene Risikoerhöhung durch den Zusatz "including charter" in der Police abgedeckt worden sei.
Da die Beklagten diesen Vortrag bestritten haben, hätte das Berufungsgericht die angetretenen Beweise erheben müssen, um annehmen zu können, der Ausschlußtatbestand von Nr. 7.2 lit. a YHC greife nicht ein. Seine Annahme, das Schiff habe erst nach dem Umbau zu Ausbildungszwecken eingesetzt werden sollen, findet in dem eigenen Vortrag der Klägerinnen keine Grundlage.
b) Ob auch während der Werftliegezeit kein Versicherungsschutz bestanden hätte, wie die Revision im Anschluß an das landgerichtliche Urteil meint, bedarf dagegen keiner Entscheidung. Denn auch wenn das Schiff bereits an der Pier der Werft festgemacht war, hatte der der Werft in Auftrag gegebene Umbau noch nicht begonnen; vielmehr waren zuvor Aufräumarbeiten abzuwickeln, ehe das Schiff in die Werft gegeben wurde. Diese vorbereitenden Tätigkeiten werden noch von dem seitens der Klägerinnen vorgetragenen Zweck der Versicherung gedeckt.
2. a) Das Berufungsgericht hat ferner angenommen, Nr. 7.1 lit. b YHC, nach der bei grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalls kein Versicherungsschutz besteht, greife zugunsten der Beklagten nicht ein, auch wenn die TB-Stiftung als Repräsentantin der Klägerinnen angesehen werden müsse. Die hiergegen vorgebrachten Rügen der Revision führen jedenfalls deswegen nicht zum Erfolg, weil den Organen der TB-Stiftung ein grobes Verschulden nicht vorzuwerfen ist. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat der zur Bewachung des Schiffs eingesetzte Maschinist Ko "eigenmächtig" Herrn M mit vorbereitenden Schweißarbeiten beauftragt, die Teil des von der Werft zu erledigenden Umbaus, nämlich der Herstellung eines Schnellverschlusses für die Treibstofftanks waren. Die Leitung der TB-Stiftung hatte von diesen Schweißarbeiten keine Kenntnis und, wenn sie durch ihre Schüler lediglich Aufräumarbeiten zur Vorbereitung des Umbaus vornehmen ließ, keinen Anlaß, auch nur vorsorglich Schweißarbeiten zu verbieten, wie die Beklagten gemeint haben. Denn sie mußte nicht damit rechnen, daß Unbefugte Tätigkeiten versehen würden, die zu den von der Werft später durchzuführenden Maßnahmen gehörten.
b) Ebensowenig kann die Revision mit ihrer Ansicht durchdringen, den Klägerinnen selbst falle ein grobes Verschulden deswegen zur Last, weil sie notwendige organisatorische Anweisungen nicht erteilt hätten. Ein Sachverhalt, bei dem Anlaß zu derartigen Maßnahmen bestanden hätte, liegt entgegen der Meinung der Beklagten nicht vor. Die TB-Stiftung ist nämlich nicht mit der Durchführung von Umbauarbeiten betraut worden, vor deren Aufnahme möglicherweise ein warnender Hinweis hätte gegeben werden müssen; vielmehr war es lediglich die Aufgabe der TB-Stiftung, die R durch Aufräumarbeiten auf den Werftaufenthalt vorzubereiten und anschließend den von der Werft durchzuführenden und auch-Schweißarbeiten einschließenden Umbau begleitend zu überwachen.
3. Auch hinsichtlich der Höhe des zuerkannten Anspruchs hält das Berufungsurteil den Revisionsangriffen nicht stand.
a) Zu Unrecht hat das Berufungsgericht angenommen, die Höhe der Klageforderung sei zwischen den Parteien nicht umstritten. Damit setzt es sich darüber hinweg, daß beide Seiten in erster und zweiter Instanz den Rechtsstreit ausdrücklich auf die Frage des Grundes der Ersatzpflicht beschränkt haben. Die Klägerinnen haben nämlich schon in der Klageschrift eine entsprechende Verfahrensweise angeregt, der sich die Beklagten unter Hinweis auf den mit der Klage eingereichten Leitzordner mit umfangreichen Unterlagen zur Höhe der Reparaturkosten angeschlossen haben. Nachdem das Landgericht die Klage abgewiesen hatte, das Oberlandesgericht aber gegenteilig entscheiden wollte, hätte es deswegen bei den Beklagten nachfragen müssen (§§ 139, 278 Abs. 3 ZPO), ob diese nunmehr die Höhe der Reparaturkosten unstreitig stellen wollten.
b) Ferner hat das Berufungsgericht den Sachverhalt in diesem Zusammenhang deswegen nur unvollständig ausgeschöpft, weil es die Frage des Mitverschuldens (§ 254 BGB) der Vertreter der TB-Stiftung nicht erwogen hat. Diese Prüfung drängte sich indessen im vorliegenden Fall dewegen auf, weil nach dem Schadenbericht Vertreter der TB-Stiftung der Feuerwehr verboten haben, Säuredämpfe im Maschinenraum abzuwaschen, und dadurch möglicherweise eine Ursache für eine Vergrößerung des Schadens gesetzt haben.
4. Damit die danach erforderlichen Feststellungen zunächst zum Grund, ggfs. anschließend zur Höhe des Anspruchs getroffen werden können, ist die Sache an die Vorinstanz zurückzuverweisen. Die Parteien erhalten dadurch zugleich Gelegenheiten, Unklarheiten ihres Vorvertrages zu beseitigen sowie ihr Vorbringen erforderlichenfalls zu ergänzen.