Jurisprudentiedatabank
Leitsatz:
Eine in der Tschechoslowakei ansässige Firma, die Güter zur Versendung an einen tschechischen Spediteur übergeben hat und weiß, daß dieser für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland als Zwischenspediteur eine Firma in der Bundesrepublik beauftragen wird, die ausschließlich aufgrund der Allgemeinen Deutschen Spediteurbedingungen (ADSp) arbeitet, und daß diese Firma ihrerseits einen ebenfalls nach den ADSp arbeitenden Spediteur mit dem Umschlag der Güter beauftragen wird, muß ihrem Anspruch nach § 823 Abs. 1 BGB wegen Beschädigung ihres Eigentums einen Haftungsausschluß nach den Vorschriften der ADSp entgegenhalten lassen.
Urteil des Bundesgerichtshofes
vom 12. Juli 1974
I ZR 55/72
(Landgericht Bamberg, Oberlandesgericht Bamberg)
Zum Tatbestand:
Die Fa. Ca. in Holland hatte bei dem tschechischen Außenhandelsunternehmen F. Betoneisen gekauft. Mit der Versendung der Ware beauftragte die Fa. F. die Speditionsfirma Cs. in Prag, die der Fa. S. in Regensburg die Besorgung der Weiterbeförderung durch die Bundesrepublik übertrug. Diese schaltete die Beklagte zur Obernahme der Güter in Bamberg und zum Umschlag im dortigen Hafen in Schiffe der Fa. M. zwecks Weiterbeförderung nach Den Haag ein. Bei der Ankunft am Empfangsort wurde festgestellt, daß die Eisenstangen mit einer Zementschicht überzogen und deshalb für den vorgesehenen Zweck unbrauchbar geworden waren.
Die Klägerin als Versicherin der Ware verlangt Ersatz des dem Ladungsinteressenten erstatteten Schadens in Höhe von ca. 29 000,- DM, weil die Beklagte es schuldhaft unterlassen habe, das Betoneisen in der Zeit, als es einige Tage auf dem Lagerplatz der Beklagten im Bamberger Hafen lag und mit einem in der Nähe befindlichen fahrbaren Kran Zement und Kaolin umgeschlagen wurden, gegen die Verkrustung durch Zementstaub ausreichend zu sichern. Die zur Abdeckung verwendeten Plastikfolien seien mangelhaft und beschädigt gewesen.
Die Beklagte bestreitet die Verletzung ihrer Sorgfaltspflicht und beruft sich auf den Haftungsausschluß nach § 57 Nr. 2 und 5 ADSp.
Beide Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Auch die Revision der Klägerin war erfolglos.
Aus den Entscheidungsgründen:
„...
Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, daß die Geltung der ADSp zwischen den Parteien bzw. zwischen den Rechtsvorgängern der Klägerin und der Beklagten nicht vereinbart worden ist, ein Haftungsausschluß nach § 57 ADSp daher auch über § 63 ADSp dem aus der Verletzung des Eigentums nach § 823 Abs. 1 BGB hergeleiteten Anspruch nicht unmittelbar entgegengehalten werden kann.
Nun entspricht es allgemeiner, aus § 242 BGB abgeleiteter Auffassung, daß sich ein Eigentümer die Bedingungen von Unternehmen, insbesondere Haftungsbeschränkungen entgegenhalten lassen muß, wenn er weiß oder den Umständen nach damit rechnen muß, daß sein Eigentum zwecks Durchführung der Beförderung einem Spediteur übergeben wird, der nach den ADSp arbeitet, oder einem Frachtführer, dessen besondere allgemeine Geschäftsbedingungen er kennt oder mit denen er rechnen muß (vgl. RGZ 70, 174, 177; 317, 320; Düringer/Hachenburg HGB 1932, Anm. 7 e zu § 407 - Seite 954; Isaac, Das Recht des Spediteurs 1928, Seite 510; Schlegelberger/Schröder HGB 4. Aufl., RdN 31 a unter c] zu § 408; Ratz in RGRK HGB 2. Aufl., Anm. 17 zu § 407).
Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsvorstoß festgestellt, daß der Eigentümerin im Zeitpunkt des Schadenseintritts, der F., bekannt war, daß die von ihr beauftragte Firma Cs. den Auftrag an die Firma S. weitergab, daß diese nach den ADSp arbeitete und die Beklagte mit der Zwischenlagerung und dem Umschlag der Ware im Bamberger Hafen betrauen werde; es habe für die F. auf der Hand gelegen, daß auch im Verhältnis der Beklagten zu ihrem Auftraggeber die ADSp Anwendung finden würden.
...
Ob die F. aIIe Transporte durch die Firma S. durchführen ließ, ist unerheblich; es genügt, daß sie, wie das Berufungsgericht feststellt, bereits vor dem hier zur Erörterng stehenden Geschäft laufend mit der Firma S. zusammengearbeitet hatte. Es reicht auch aus, wie ebenfalls das Berufungsgericht ohne Rechtsverstoß feststellt, daß die Firma S. in sämtlichen Geschäftsschreiben einen Aufdruck angebracht hatte: „Wir arbeiten ausschließlich aufgrund der Allgemeinen Deutschen Spediteurbedingungen". Auf die weitergehenden Beweisantritte kommt es demnach nicht an.
War aber der F. als Eigentümerin bekannt, daß die Firma S. und die Beklagte nach den ADSp arbeiteten, so muß sie sich so behandeln lassen, als ob sie die Firma Cs. und die Firma S. ermächtigt hätte, mit der Beklagten zu den ADSp abzuschließen. Die Beklagte kann den Ansprüchen der F. und damit der Klägerin die Haftungsbeschränkungen entgegenhalten, die sie der Firma S entgegenhalten könnte. Nach § 63 Buchstabe a) ADSp gelten die vertraglichen Haftungsbeschränkungen der ADSp auch gegenüber Ansprüchen aus unerlaubter Handlung.
Das Berufungsgericht nimmt auch ohne Rechtsverstoß an, daß die Haftungsausschlußvorschriften des § 57 Nr. 5 ADSp im Streitfall dem Anspruch der Klägerin entgegenstehen. Nach Nr. 5 ist die Haftung des Spediteurs ausgeschlossen für Verluste und Schäden in der Binnenschiffahrtsspedition (einschließlich der damit zusammenhängenden Vor- und Anschlußtransporte mit Landtransportmitteln sowie der Vor-, Zwischen- und Anschlußlagerungen), die durch Transport- bzw. Lagerversicherung gedeckt sind oder durch eine Transport- bzw. Lagerversicherung allgemein üblicher Art hätten gedeckt werden können.
Die Voraussetzungen dieser Ausschlußvorschrift sind gegeben; denn die Lagerung vor dem Umschlag auf die Binnenschiffe ist eine ausdrücklich in Nr. 5 einbezogene Maßnahme; der entstandene Schaden ist auch durch eine Transportversicherung gedeckt. Es kann daher offen bleiben, ob, wie das Berufungsgericht annimmt und die Revision in Zweifel zieht, auch die Voraussetzungen des § 57 Nr. 2 ADSp gegeben sind.
Der Haftungsausschluß umfaßt auch den erwiesenermaßen vom Spediteur ursächlich verschuldeten Schaden, er ist weder sittenwidrig noch verstößt er bei einfacher Fahrlässigkeit gegen Treu und Glauben (BGH LM Nr. 1 zu § 57 ADSp).
Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsverstoß ein grobes Verschulden der Beklagten, ihrer Organe und leitenden Angestellten verneint, das die Berufung auf den Haftungsausschuß unzulässig sein ließe (BGHZ 20, 164; 38, 183; LM Nr. 4 zu § 276 [Db] BGB).
Das Berufungsgericht würdigt die Umstände des Falles dahin, daß es der Beklagten nicht als grobe Verletzung ihrer Sorgfaltspflicht angelastet werden könne, wenn sie nicht gewußt habe, daß Betoneisen durch eine Verbindung mit Zementstaub in seiner Brauchbarkeit beeinträchtigt werden könne; die Beklagte sei auch nicht entsprechend aufgeklärt worden, obschon Vertreter der F. den Lagerplatz besucht hätten, auf dem auch damals schon staubige Stoffe umgeschlagen worden seien.
Diese Erwägungen lassen einen Rechtsfehler nicht erkennen, insbesondere nicht, daß das Berufungsgericht den Begriff der groben Fahrlässigkeit verkannt und einen unrichtigen Maßstab angelegt hätte.
...“