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Leitsätze:
1) Der Haftungsausschluß nach § 57 Nr. 5 ADSp kommt, abgesehen von den mit dem Binnenschiffstransport zusammenhängenden Vor-, Zwischen- und Anschlußlagerungen, für die Einlagerung im übrigen nicht in Betracht.
2) Wer Ware auf Schuten und Kähnen einlagert, kann sich von der Haftung, daß diese Schuten und Kähne zur Einlagerung dieser Ware geeignet sind, nicht freizeichnen; die Haftungsbeschränkungen der §§ 51, 54 ADSp finden daher keine Anwendung.
Urteil des Bundesgerichtshofes
vom 1. Juni 1979
I ZR 103/78
(Landgericht Hamburg; Oberlandesgericht Hamburg)
Zum Tatbestand:
Die bei der Klägerin gegen Transportschäden versicherte Fa. V. hatte 2 Partien Rundkornreis im Hamburger Hafen durch Schuten des Beklagten, welcher Inhaber eines Speditionsunternehmens mit Ewerführerei und Bugsierbetrieb ist, vom Seedampfer zum Spreehafen abtransportieren und dort von März bis Dezember 1974 in Schuten und Kähnen lagern lassen. Im Juli und August 1974 stellte der Havariesachverständige P. Nässeschäden an beiden Partien in Höhe von 108 000,- DM fest. Die Klägerin verlangt aus abgetretenem Recht der Versicherungsnehmerin in dieser Höhe Schadensersatz, weil der Beklagte nicht die bei der Lagerung erforderliche Sorgfalt beachtet habe. Die Schäden seien durch Schutenschweiß entstanden, die Schuten überladen und mangelhaft belüftet gewesen, die Säcke hätten auf feuchtem Boden gelegen.
Es seien von der üblichen Art abweichende Bedingungen, nämlich nicht nach der Größe, sondern nach Gewicht vereinbart worden. Deshalb kämen auch die ABH („Allgemeine Bedingungen der Hafenfrachtschiffahrt betreibenden Firmen des Hafens Hamburg") nicht zur Anwendung.
Der Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung gemäß Ziffer 29 ABH, weil die Entladung der Schuten am 13. 9. 1974 und der Kähne in der 3. Dezemberwoche 1974 erfolgt aber mit der am 10. 6. 1975 bei Gericht eingegangenen Klage die 3-Monats-Frist nicht beachtet worden sei. Die Parteien seien u. a. gemäß früherer Absprachen und Handelsusancen von der Gültigkeit der ABH ausgegangen.
Das Landesgericht hat die Klage wegen Verjährung abgewiesen.
In der Berufungsinstanz hat sich der Beklagte für den Fall der Nichtanwendbarkeit der ABH auf die ADSp. berufen, zumal der Fa. V. bekannt gewesen sei, daß der Beklagte seine Verträge auf der Grundlage der ADSp. abschließe. Das Oberlandesgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Auf Revision der Klägerin wurde das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
Aus den Entscheidungsgründen:
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Anders als das Landgericht kommt das Berufungsgericht zu dem Ergebnis, die „Allgemeinen Bedingungen der Hafenfrachtschiffahrt betreibenden Firmen des Hafens Hamburg" (ABH) seien nicht Bestandteil des zwischen der Firma Vogler & Trummer und dem Beklagten begründeten Vertragsverhältnisses.
Diese Ausführungen werden von der Revision als ihr günstig nicht angegriffen. Sie lassen auch keinen Rechtsfehler erkennen.
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Die von der Revision gegen die Heranziehung der ADSp als Vertragsinhalt vorgetragenen Einwendungen haben keinen Erfolg.
Entgegen der Auffassung der Revision hängt die Einlagerung von Waren mit der Tätigkeit des Spediteurs sachbezogen zusammen; es sind daher zumal angesichts der Aufdrucke auf Schreiben und Rechnungen des Beklagten - ich arbeite ausschließlich aufgrund der ADSp neuester Fassung, Wassertransporte unterliegen den ABH - die Grundsätze über eine stillschweigende Unterwerfung unter die Vorschriften der ADSp anwendbar (vgl. BGH v. 21. 11. 1975 - 1 ZR 93/74 = MDR 76, 378). Keine rechtliche Bedeutung hat insoweit, daß die Einlagerung in Schuten und Kähnen erfolgen sollte.
Es bestehen auch keine rechtlichen Bedenken gegen die Annahme des Berufungsgerichts, jeweils maßgeblich für die Einbeziehung der ABH oder der ADSp sei die Art des Geschäfts gewesen; entgegen der Meinung der Revision kann auch davon ausgegangen werden, daß die Spediteure regelmäßig die ADSp einbeziehen, soweit nicht für bestimmte Geschäfte andere spezielle Geschäftsbedingungen gelten sollen; ein solches Verhältnis der Anwendbarkeit von ABH und ADSp hat das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler festgestellt.
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Zu dem Haftungsausschluß nach § 57 Nr. 5 ADSp führt das Berufungsgericht aus, dieser gelte auch für die im Rahmen der Binnenschiffslagerung entstandenen Schäden; die erläuternde Klammer hinter dem Wort „Binnenschiffahrtsspedition" scheine auf den ersten Blick Lagerschäden, soweit es sich wie im Streitfall um Lagerungen als solche, nicht nur um Vor-, Zwischen- und Anschlußlagerungen handele, vom Haftungsausschluß auszunehmen. Indessen werde durch das vorausgehende Wort „mit Landtransportmitteln" klargestellt, daß es sich bei allen in der Klammer erwähnten Leistungen um solche handele, die auf dem Lande erbracht würden.
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Diesen Ausführungen zu § 57 Nr. 5 ADSp kann nicht gefolgt werden. Binnenschiffahrtsspedition ist die Tätigkeit, Güterversendungen durch Binnenschiffe für Rechnung eines anderen im eigenen Namen zu besorgen; die Rechtsprechung rechnet dazu auch den Fall, daß der Spediteur neben der Besorgung der Güterversendung durch ein Binnenschiff den Umschlag der Güter vom Seeschiff auf das Binnenschiff übernommen hat (vgl. BGH v 16. 11. 61 - II ZR 23/60 - LM Nr. 1 zu § 57 ADSp = MDR 62, 114); nach § 57 Nr. 5 ADSp werden einbezogen gewisse Landtransporte sowie mit dem Transport durch Binnenschiffe zusammenhängende Lagerungen, nämlich Vor-, Zwischen- und Anschlußlagerungen (vgl. zur Erläuterung dieser Begriffe § 3 Abs. 5 SVS; BGH v. 19. 12. 69 - 1 ZR 158/66 - NJW 70, 993, 994 unter 11, 2 b; BGH v. 10. 3. 71 - 1 ZR 87/69 - VersR 71, 619). Grund für diesen Haftungsausschluß ist der Umstand, daß in der Binnenschifffahrt die Deckung des Schadens durch Transportversicherung seit Jahrzehnten üblich ist (vgl. BGH v. 16. 11. 61 aaO; Helm in Großkomm. z. HGB, 3. Auflage, Anm. 8 zu §§ 57, 58 ADSp). Davon ausgehend besteht jedoch kein Anlaß, das reine Lagergeschäft, gleich ob auf dem Land oder auf Schuten und Kähnen gelagert wird, der Ausnahmevorschrift des § 57 Nr. 5 ADSp zu unterwerfen; die Lagerung auf Kähnen oder Schuten ist keine Binnenschiffahrtsspedition, der Grundgedanke des Haftungsausschlusses trifft auf sie nicht zu; nur die mit dem Transport durch Binnenschiffe zusammenhängenden Lagerungen sind wegen dieses - hier fehlenden - Zusammenhangs ausdrücklich in die Ausnahme der Nr. 5 mit einbezogen worden.
Der Beklagte kann sich daher auf den Haftungsausschluß nach § 57 Nr. 5 ADSP nicht berufen.
Der Beklagte haftet demnach für einen Schaden, jedoch mit den Beschränkungen der §§ 51 (Verschulden) und 54 (Höhe) ADSp. Das Berufungsgericht führt im Hinblick darauf aus, die Heranziehung dieser Haftungsbeschränkungen der ADSp sei auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Beklagte oder einer seiner leitenden Angestellten vorsätzlich oder grob fahrlässig den Schaden herbeigeführt habe. Dem Beklagten sei die Berufung auf Haftungsbeschränkungen dann versagt, wenn der Beklagte selbst oder einer seiner leitenden Angestellten bereits bei Ubernahme des Lagergutes Schuten mit feuchtem Lagerboden und damit zur Lagerung von Reis ungeeignete Räumlichkeiten eingesetzt hätte. Dafür trage die Klägerin nichts vor, sondern beschränke sich auf den Antritt von Zeugenbeweis für die Behauptung, der Kahn „G." sei anläßlich einer Werftreparatur nicht abgedeckt und infolgedessen durch Regen und Schnee am Boden des Lagerraumes naß geworden. Im übrigen beziehe sie sich auf den Sachverständigen P., lasse jedoch im unklaren, ob dieser andere Erkenntnisse vermitteln könne als die, die er anläßlich der Begutachtung des Lagergutes am 23. Juli, 31. August, 13. September und 18.-24. Dezember 1974 gewonnen habe. Das reiche nicht aus, um die Unwirksamkeit der Freizeichnungsklausel anzunehmen.
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Auch diesen Ausführungen kann aus Rechtsgründen nicht gefolgt werden.
Nach § 242 BGB, der in § 9 AGB eine spezielle Ausgestaltung erfahren hat, dürfen durch Freizeichnungsklauseln nicht Pflichten eines Vertrages in einer Weise eingeschränkt werden, daß dadurch der Vertragszweck von vornherein gefährdet wird oder nicht erreicht werden kann (vgl. Palandt-Heinrichs, 38. Aufl., Anm. 4 zu § 9 AGBG; Ulmer-Brandner-Hansen, 3. Aufl., Rdn. 62 zu § 9 AGBG). So ist anerkannt, daß jede in AGB erfolgende Freizeichnung des Frachtführers, Schiffseigners oder Schiffers für die anfängliche Fahrtüchtigkeit oder Ladungstüchtigkeit des Schiffes grundsätzlich unwirksam ist (vgl. BGHZ 49, 356, 363; 65, 364, 367). In gleicher Weise ist derjenige, der einlagert, unabdingbar dafür verantwortlich, daß dies, mag es auf dem Lande sein oder auf einem Schiff, in einem jedenfalls im Zeitpunkt der Einlagerung für diesen Zweck geeigneten Raum geschieht. Dabei kommt es, entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts, nicht darauf an, wer nach der internen Organisation für die Einlagerung verantwortlich ist. Die Auswahl des Lagerplatzes als vertragstragende Haupt¬pflicht obliegt dem Unternehmer, der sich insoweit auch für eine Fahrlässigkeit eines nicht leitenden Angestellten nicht freizeichnen kann.
Die Klägerin hat vorgetragen und durch den Sachverständigen P. unter Beweis gestellt, daß sich bei der Beladung der Kähne die hölzernen Lukenböden in feuchtem Zustand befunden hätten, und insoweit auch ein Schreiben des Sachverständigen vom 19. Dezember 1974 vorgelegt, worin dieser den Schaden primär darauf zurückführt, daß sich bei der Beladung der Kähne die hölzernen Lukenböden in feuchtem Zustand befunden hätten. Diesem Beweisantritt konnte das Berufungsgericht nicht mit dem Hinweis entgegentreten, die Klägerin habe im unklaren gelassen, ob der Sachverständige andere Erkenntnisse vermitteln könne als die, die er anläßlich der Begutachtung gewonnen habe.
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Der Beweisantritt der Klägerin war auch sachgemäß, sie brauchte bei der gegebenen Sachlage nur zu behaupten, die Lukenböden seien beim Beladen naß gewesen.
Das Berufungsgericht durfte nach allem den Beweisantritt nicht übergehen.
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