Jurisprudentiedatabank
Leitsatz:
Die Absetzungen für Abnutzungen nach § 7 EStG sind so zu bemessen, dass die Anschaffungs- und Herstellungskosten nach Ablauf der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer des Wirtschaftsgutes bis auf einen Erinnerungswert von 1 DM verteilt sind. Nur wenn, wie im allgemeinen, bei Gegenständen von großem Gewicht oder bei Gegenständen aus wertvollem Material, z. B. bei Schiffen, ein Schrottwert zu erwarten ist, der im Vergleich zu den Anschaffungs- oder Herstellungskosten erheblich ins Gewicht fällt, ist dieser bei der Verteilung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten auf die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer in der Weise zu berücksichtigen, dass lediglich der Unterschied zwischen den Anschaffungs- oder Herstellungskosten und dem Schrottwert verteilt wird.
Beschluss des Großen Senats des Bundesfinanzhofes
vom 7. Dezember 1967
Der IV. Senat des BFH hatte die Berücksichtigung eines Schrottwertes bei der Bemessung der AfA nach dem Wortlaut des § 7 Abs. 1 EStG für unzulässig gehalten. Er hat den Großen Senat des Bundesfinanzhofes zur Entscheidung angerufen, weil die Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung für das steuergerichtliche Verfahren sei und die Einheitlichkeit der Rechtsprechung gewahrt werden müsse.
Der Große Senat des BFH hat sich der Ansicht des IV. Senats nicht angeschlossen.
Aus den Gründen:
Nach Auffassung des Großen Senats ist es wichtig, dass in allen Gesetzesfassungen unverändert die Worte "Absetzung für Abnutzung" gebraucht werden, dass ferner von der „Verwendung oder Nutzung durch den Stpfl", von der „Gesamtdauer der Verwendung oder Nutzung" und von der „betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer" die Rede ist. Schon die Verwendung dieser Begriffe, insbesondere der Begriffe „Nutzung" und „Abnutzung", im Wortlaut des § 7 Abs. 1 EStG, lässt den Schluss zu, dass AfA nur insoweit und nur in dem Umfang zulässig sein sollen, als das Wirtschaftsgut „genutzt" wird. Dies führt in der Regel zu einer vollen AfA. Bleibt jedoch nach der Erfahrung auch nach Beendigung der Nutzung eines Wirtschaftsgutes ein im Verhältnis zu den Anschaffungs- oder Herstellungskosten beträchtlicher Restwert bestehen, so ist insoweit eine Abnutzung nicht erfolgt. Ein schrottreifer Gegenstand seinerseits wird nicht mehr „genutzt", also auch nicht „abgenutzt". Für ihn kann es demnach auch keine „Absetzung für Abnutzung" geben. Es lässt sich also schon aus dem Wortlaut des § 7 Abs. 1 EStG herauslesen, dass der Schrottwert bei der Bemessung der AfA nicht zu berücksichtigen, d. h. von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten abzuziehen ist. Dem steht nicht entgegen, dass sich nach § 7 Abs. 3 EStG beim Übergang von der AfA nach fallenden Jahresbeträgen zur AfA nach gleichen Jahresbeträgen die AfA vom Zeitpunkt des Übergangs an nach dem dann noch vorhandenen Restwert und der Restnutzungsdauer des einzelnen Wirtschaftsgutes richtet.
Im Rahmen der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung gilt der Grundsatz zeitraumrichtiger Abgrenzung von Aufwand und Ertrag (periodengerechte Gewinnermittlung). Aus ihm folgt, dass bei der Ermittlung des Gewinns für ein bestimmtes Wirtschaftsjahr nur solche Aufwendungen berücksichtigt werden können, die gerade dieses Wirtschaftsjahr betreffen. Es ist kein Anhaltspunkt vorhanden, der es ausschlösse, auch § 7 EStG unter Berücksichtigung des Grundsatzes periodengerechter Gewinnermittlung auszulegen. Dieser gilt deshalb auch für den Wertverlust, der an den Gegenständen des Anlagevermögens durch die Nutzung im Betrieb entsteht. Die AfA bezwecken den Ausgleich dieses Wertverlustes. Das tritt besonders deutlich in § 133 Nr. 1 AktG 1937 zutage, nach dem der Anteil an dem Wertverlust, der sich bei der Verteilung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten auf die voraussichtliche Gesamtdauer der Verwendung oder Nutzung für das einzelne Wirtschaftsgut ergibt, berücksichtigt werden musste.
Ein schrottreifer Gegenstand wird, wie oben dargelegt wurde, nicht mehr im Betrieb genutzt. Bei ihm kann deshalb ein Wertverlust durch Abnutzung nicht entstehen. Dass aus anderen Gründen bei einem schrottreifen Gegenstand ein Wertverlust eintreten kann, ist für die hier zu entscheidende Frage unerheblich. Weil die AfA nur den durch die Abnutzung entstandenen Wertverlust ausgleichen sollen, muss ein erheblicher Schrottwert bei der Bemessung der AfA ausscheiden.
Dieses Ergebnis entspricht auch betriebswirtschaftlichen Grundsätzen. Es wäre betriebswirtschaftlich widersinnig, einen Unternehmer dazu zu zwingen oder ihm - durch Einräumung eines Wahlrechts - zu gestatten, zunächst einen nicht entstandenen Wertverlust und später einen wiederum nicht entstandenen Veräußerungsgewinn auszuweisen.
Andererseits ist zu berücksichtigen, dass die Regelung der AfA in § 7 EStG sehr schematisch ist und insoweit auch der Vereinfachung dient. Das zeigt sich deutlich bei der Festsetzung der Abschreibungssätze für die degressive AfA in § 7 Abs. 2 EStG. Es kommt auch darin zum Ausdruck, dass die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer nicht exakt festgestellt, sondern nur geschätzt werden kann. Dem Willen des Gesetzgebers zur Schematisierung und Vereinfachung ist nach Auffassung des Großen Senats dadurch Rechnung getragen, dass in den Regelfällen, in denen der Schrottwert im Vergleich zu den Anschaffungs- oder Herstellungskosten wirtschaftlich nicht ins Gewicht fällt, die AfA bis auf den Erinnerungswert von 1 DM vorzunehmen sind. Nur wenn, wie im allgemeinen bei schweren Gegenständen und bei Gegenständen aus wertvollem Material (z. B. bei Schiffen), ein Schrottwert zu erwarten ist, der im Vergleich zu den Anschaffungs- oder Herstellungskosten erheblich ins Gewicht fällt, ist dieser bei der Verteilung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten auf die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer in der Weise zu berücksichtigen, dass lediglich der Unterschied zwischen den Anschaffungs- und Herstellungskosten und dem Schrottwert verteilt wird.