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Leitsätze:
1) Nach Artikel 28 I Satz 1 MA sind die Vertragsstaaten der Mannheimer Akte verpflichtet, das Fahrwasser des Rheins in einem guten Zustand zu erhalten. Die Verpflichtung erstreckt sich jedenfalls auf die Lage des Fahrwassers im aktuellen Zustand. Gegen Verstöße gegen diese Pflicht kann Beschwerde nach Artikel 45 I lit. a MA bei der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt eingelegt werden.
2) Eingetragene Vereine können gemäß Artikel 3 der Regelung des Beschwerderechts beschwerdeberechtigt sein, sofern sie ein berechtigtes Interesse haben. Dies ist bei einem eingetragenen Verein, der sich nach seinem Satzungszweck der Förderung der Wirtschaft und des Verkehrs im Rheinstromgebiet widmet, bei einer Beeinträchtigung des Verkehrs auf dem Rhein in der Regel der Fall.
3) Ob ein Altarm des Rheines, der historisch einmal Teil des Fahrwassers war, heute aber nicht mehr ist, der Anwendung der Mannheimer Akte unterliegt oder nicht, bleibt offen. Ein Fährbetrieb, der sich nur auf das Übersetzen von einem Ufer nach den gegenüberliegenden richtet, jedenfalls kann insoweit den Schutz der Mannheimer Akte nicht beanspruchen.
Beschluss der Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt
über eine Beschwerde nach Artikel 45 I lit. a MA
mitgeteilt am 1. Juni 2017
Zentralkommission für die Rheinschifffahrt, Straßburg, 1. Juni 2017 …
die ZKR hat die Beschwerde des Fährvereins Nibelungenland e.V. und des Wirtschafts- & Verkehrsvereins Lampertheim e.V. vom 28. Oktober 2016 gemäß Artikel 45 Absatz 1 Buchstabe a) der Mannheimer Akte geprüft. Die Beschwerdeführer machen unter Berufung auf Artikel 28 der Mannheimer Akte geltend, dass die Nichterhaltung des Fahrwassers des Rheines in Gestalt des Lampertheimer Altrheines zwischen Altrhein-km 2,6 und Altrhein-km 4,75 gegen die oben genannte Bestimmung verstoße.
Die ZKR prüft gemäß Artikel 45 Absatz 1 Buchstabe a) der Mannheimer Akte alle Beschwerden in Zusammenhang mit der Ausführung der Akte und der von den Uferregierungen vereinbarten Verordnungen und Maßregeln. Der vorliegende Fall betrifft einen Altarm des Rheins, nicht den eigentlichen Rhein. Ob es wegen dieses Umstandes überhaupt um die Anwendung der Mannheimer Akte geht, ob also die Mannheimer Akte für Altrheinarme anwendbar ist, kann an dieser Stelle dahin stehen.
Gegenstand der Beschwerde können gem. Artikel 2 der Regelung des Beschwerderechts Entscheidungen, Handlungen und Unterlassen sein. Hier geht es um das Unterlassen, den Lampertheimer Altrhein zu entschlammen, bzw. um die entsprechende Entscheidung der zuständigen Behörde, ihn nicht zu entschlammen.
Als eingetragene Vereine sind die beiden Beschwerdeführer – der Fährverein Nibelungenland e.V. und der Wirtschafts- und Verkehrsverein Lampertheim e.V. – juristische Personen und damit gemäß Artikel 3 der Regelung des Beschwerderechts beschwerdeberechtigt, sofern sie ein berechtigtes Interesse haben. Als Betreiber der Fähre hat der Verein ein berechtigtes Interesse an einer Entschlammung, denn die Fähre kann wegen der Verlandung des betreffenden Altrheinabschnitts trotz ihres geringen Tiefgangs nur bei hohen Wasserständen des Rheins verkehren. Der Wirtschafts- und Verkehrsverein Lampertheim e.V. ist ausweislich seines Namens zur Förderung der Wirtschaft und des Verkehrs in Lampertheim gegründet worden und hat daher ebenfalls ein berechtigtes Interesse an dem Funktionieren des Verkehrs auf dem dortigen Altrhein.
Die Beschwerdeführer stützen sich auf Artikel 28 Absatz 1 Satz 1 der Mannheimer Akte. Danach sind die Vertragsparteien verpflichtet, das »Fahrwasser des Rheins« in einem guten Zustand zu erhalten. Hier handelt es sich nicht um den Hauptstrom des Rheins, sondern um einen Altrheinarm. Dieser war jedoch zur Zeit der Unterzeichnung der Mannheimer Akte, also im Jahre 1868, noch Teil des Hauptfahrwassers. Denn nach Ihren Ausführungen erfolgte der Durchstich an dieser Stelle erst 1879. Es spricht vieles dafür, dass Altrheinarme nicht zum Fahrwasser des Rheins im Sinne des Artikels 28 zählen. Insbesondere legt die umfassende Revision der Mannheimer Akte im Jahre 1963 den Schluss nahe, dass nicht auf den historischen Zustand im Zeitpunkt der Unterzeichnung der Mannheimer Akte im Jahre 1868, sondern auf den aktuellen Zustand abzustellen ist. Dies kann aber letztlich dahinstehen, ebenso wie die Frage, ob sich aus Artikel 28 Absatz 1 Satz 1 für Dritte ein Anspruch gegen die Vertragspartei auf Entschlammung herleitet. Denn in jedem Falle steht Artikel 24 der geforderten Entschlammung zugunsten des Fährverkehrs entgegen. Nach dieser Vorschrift nämlich beziehen sich die Bestimmungen der Mannheimer Akte, also auch der Artikel 28, nicht auf das Übersetzen von einem Ufer nach dem gegenüberliegenden. Darum, d.h. um das Übersetzen von einem Ufer zum gegenüberliegenden, geht es hier aber, da ein Fährbetrieb ermöglicht werden soll. Die in Artikel 24 genannte Ausnahme, für welche die Bestimmungen der Mannheimer Akte gelten würden, betreffen nur Zuwiderhandlungen gemäß Artikel 32, die hier nicht einschlägig sind.
Aufgrund dieser Feststellungen ist die ZKR der Auffassung, dass die Beschwerde unbegründet ist.
Ebenfalls abrufbar unter ZfB 2017 - Nr.8 (Sammlung Seite 2483); ZfB 2017, 2483