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97 Z - 19/79 - Berufungskammer der Zentralkommission (Berufungsinstanz Rheinschiffahrt)
Datum uitspraak: 24.04.1978
Kenmerk: 97 Z - 19/79
Beslissing: Urteil
Language: Duits
Rechtbank: Berufungskammer der Zentralkommission Straßburg
Afdeling: Berufungsinstanz Rheinschiffahrt

Urteil

(auf Berufung gegen das Urteil des Rheinschiffahrtsgerichts Kehl vom 7. April 1978- 2 C 518/76 RhSchG -)

In Sachen

97 Z - 19/79

hat die Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt in Strassburg nach öffentlicher Verhandlung in der Sitzung vom 6. November 1979, an welcher als Richter teilgenommen haben die Herren QUANJARD (Vorsitzender) SCHMITZ, STUCKELBERGER, VREEDE: WEIRICH und in Anwesenheit des stellvertretenden Gerichtskanzlers, Herrn A. BOUR, gestützt auf die Artikel 37 und 45bis der Revidierten Rheinschiffahrtsakte vom 17.10.1868 in der Fassung vom 20.11.1963 folgendes Urteil gefällt:

Es wird Bezug genommen auf

1. Das Urteil des Rheinschiffahrtsgerichts Kehl vom 7. April 1978 2 C 518/76 RhSchG -, zugestellt am 17. 4.78,

2. die Berufungsschrift der Klägerin vom 12. Mai 1978, eingegangen bei Gericht am 17. Mai 1978, und auf deren Begründung vom 13. Juni 1978, eingegangen bei Gericht am 14. Juli 1978,

3. die Berufungserwiderung der Beklagten vom 14. Juli 1978, eingegangen bei Gericht am 17. Juli 1978,

4. die Akten 2 C 518,76 RSchG. des Rheinschiffahrtsgerichts Kehl, die der Berufungskammer vorgelegen haben.

Tatbestand:

Die Klägerin ist der Versicherer der Schute "N" deren Eigentümerin die Firma H. & Co. in Wesel ist. Die Schute war der Beklagten zu 1) ohne Besatzung vermietet. Am 8. Juni 1974 wurde sie, mit Kies beladen, von dem Schleppboot "NE" der Beklagten zu 1), das der Beklagte zu 2) führte, in den Kieshafen Freistett geschleppt. An Bord der Schute befanden sich 2 Mann Besatzung, die in Diensten der Beklagten zu 1) standen. Das Schiff kenterte beim Einschleppen und gelangte mit Hilfe des MS "E" Kiel oben in den Hafen. Die dabei entstandenen Schäden hat die Klägerin ersetzt. Sie verlangt von dem Beklagten als den ihrer Ansicht nach für die Havarie Verantwortlichen die Erstattung der gezahlten Beträge. Weiter begehrt die Klägerin die Feststellung, dass die Beklagten auch allen noch nicht bezifferbaren Schaden aus der Havarie auszugleichen hätten.

Sie hat behauptet: Die Schute habe beim Einschleppen entweder Grundberührung gehabt oder an der Böschung zu stark gekrängt und aus einem dieser Gründe das Gleichgewicht verloren. Das Kentern könne weiter darauf beruhen, dass sich in einem der Luftkästen der Schute Wasser befunden habe. Andere Unfallursachen seien nicht denkbar. Jede von ihnen falle in den Verantwortungsbereich der Beklagten, in deren Obhut sich die ohne Besatzung gemietete Schute befunden habe. Dieser Umstand mache es auch der Klägerin unmöglich, der Unfallverlauf genau zu schildern Sie sei weiter nicht in der Lage, die Höhe des Schadens zu beziffern, da hierüber eine Einigung unter den von den Parteien mit der Schadensaufnahme betrauten Experten nicht zustandegekommen sei.

Die Klägerin hat beantragt,

1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin DM 23.430,- nebst 4 % Zinsen seit dem 1.6.1976 zu bezahlen und auszusprechen,dass die Beklagte zu 1) sowohl dinglich mit dem Schleppboot "NE" als auch persönlich im Rahmen des Binnenschiffahrtsgesetzeb hafte,

2. festzustellen, dass die Beklagten, wie in Ziffer 1) haftend, verpflichtet seien, der Klägerin allen weiteren Schaden zu ersetzen, der ihr aus der Havarie vom 8.6.1974 entstanden sei.

Die Beklagten haben den Antrag gestellt, die Klage abzuweisen.

Sie haben behauptet der Unfall beruhe darauf, dass gegen die Schraube des Bootes "NE" ein nicht sichtbarer Gegenstand geraten sei und sie blockiert habe. Dadurch sei der Schleppzug manövrierunfähig geworden und ins Treiben geraten. Die Ladung der Schute sei dabei, verrutscht, ihre Drähte zum Boot hin seien gebrochen und sie sei deshalb gekentert. Die Beklagten haben die Ansicht vertreten, der Beklagten zu 2) sei für diesen Unfall nicht verantwortlich. Sie haben weiter die Höhe des von der Klägerin behaupteten Schadens bestritten und die Ansicht vertreten, die Klägerin könne ihren Gesamtschaden beziffern und habe kein Feststellungsinteresse.

Das Rheinschiffahrtsgericht hat Zeugen vernommen und sodann die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt:

1) Der Feststellungsantrag scheitere an dem fehlenden Feststellungsinteresse der Klägerin. Diese könne ihren Schäden im vollen Umfange beziffern. Daran hindere sie der Umstand nicht, dass die Beklagten die Schadenshöhe bestritten.

2) Die Beklagten hätten zu beweisen, dass das Kentern der Schute auf Umstände zurückzuführen sei, die ausserhalb ihres Verantwortungsbereiches lägen. Dieser Beweis sei von ihnen geführt worden. Die Zeugenvernehmung habe ergeben, dass die Schraube des Bootes "NE" durch einen treibenden Gegenstand blockiert worden sei. Dadurch sei der Schleppzug manövrierunfähig, geworden und ins Treiben geraten. Die Schute habe dabei Grundberührung gehabt und sei unter deren Einwirkung gekentert. Die Ereignisse hätten sich so schnell abgespielt, dass die Besatzung des Bootes sie nicht habe verhindern können. Es spreche nichts dafür, dass sich in den Luftkästen der Schute Wasser befunden habe, und dass dadurch der Unfall mitverursacht worden sei.

Die Klägerin hat Berufung eingelegt. Vor der Berufungskammer wiederhole die Parteien ihren Vortrag aus dem ersten Rechtszug und nehmen zu den Ausführungen des Rheinschiffahrtsgerichtes Stellung.

Es beantragen:

Die Klägerin,

die ihre Feststellungsklage in der Verhandlung vom 6.11.1179 zurückgenommen hat, im Übrigen nach ihren im ersten Rechtszug gestellten Anträgen zu erkennen.

Die Beklagten,

die Berufung zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist formell richtig eingelegt. In der Sache hat sie, soweit sie nicht zurückgenommen worden ist, aus den folgenden Gründen Erfolg.

1. Die Ablehnung des Zahlungsantrages der Klägerin durch das Rheinschifffahrtsgericht vermag die Berufungskammer nicht zu bestätigen. Richtig ist hier lediglich der rechtliche Ansatz. Nach § 282 BGB trifft die Beweislast den Schuldner, wenn streitig ist, ob die Unmöglichkeit der Leistung die Folge eines von ihm zu vertretenden Umstandes ist. Dieser Grundsatz wird in der deutschen Rechtsprechung dahin erweitert, dass die Beweisführungspflicht generell nach Gefahrenkreisen, Verantwortungsbereichen oder Sphären verteilt wird. Eine dem § 282 entsprechende Umkehrung der Beweislast tritt dann ein, wenn eine Schadensursache aus dem Verantwortungsbereich des Schuldners hervorgegangen ist. Dieser Grundsatz gilt für vertragliche und für deliktische Ansprüche. Eine zunächst bestehende Zurückhaltung, ihn auch auf die letzteren anzuwenden, ist aufgegeben, wenn eine mit vertraglichen Ansprüchen vergleichbare Interessenlage besteht (wegen der Einzelheiten wird auf die Kommentierung von Palandt zu § 282 BGB, insbesondere auf Anm. 2, verwiesen). Im vorliegenden Falle hatte die Eignerin der Schute "N" diese in die Obhut der Beklagten zu 1) dadurch gegeben, hss sie diese an sie ohne Besatzung vermietete Die Eignerin hatte sich damit jedes Einflusses auf den Betrieb der Schute begeben. Sie ging in den Verantwortungsbereich der Beklagten zu 1) über. Diese hat also Schadensereignisse aus diesem Bereich aufzuklären, da die Eignerin dazu nicht in der Lage ist. Dieser Grundsatz muss für vertragliche und für deliktische Ansprüche gelten, da die Interessenlage in beiden Fällen die gleiche ist. Die Behinderung der Klägerin, Ereignisse bei dem Betrieb der Schute aufzuklären, ist nämlich eine totale. Sie besteht ohne Rücksicht auf die Rechtsgrundlage des Schadensersatzanspruches.

2. Das Rheinschifffahrtsgericht hat den Beklagten den Beweis ihrer Nichtverantwortlichkeit für die Havarie zu leichtgemacht, wenn es ihn mit der Feststellung als geführt ansah, ein treibender Gegenstand sei in die Schraube des Schleppbootes geraten und habe diese blockiert, so dass der Schleppzug ins Treiben geraten sei. Es fehlt die Feststellung, der Gegenstand sei auch bei gehöriger Aufmerksamkeit der Führung des Schleppbootes nicht erkennbar gewesen, so dass es unmöglich gewesen sei, ihm auszuweichen. Einen solchen Beweis haben die Beklagten nicht zu führen vermocht. Keiner der vernommenen Zeugen konnte zu diesem Punkte etwas sagen. Nur die Zeugen M. und K. haben die Havarie erlebt. Der Zeuge K. hat einen dumpfen Schlag gehört und festgestellt, dass anschliessend die Maschine des Schleppbootes nicht mehr zu hören war. Die Aussage bestätigt also bei günstiger Bewertung eventuell, dass ein Gegenstand in die Schraube geraten war, nicht aber, dass dieser vorher nicht erkannt werden konnte. Hierüber wusste der Zeuge nichts. Der Zeuge M. hat nur festgestellt, dass sich die Schute schief legte, nicht aber, wie es dazu gekommen war. Die Bekundungen von zwei weiteren Zeugen (KA. und S.) zeigen, ebenfalls bei günstiger Bewertung, lediglich, dass die Schraube des Schleppbootes "NE" im Zusammenhang mit der umstrittenen Havarie ausgewechselt worden ist. Damit ist aber der vol den Beklagten zu führende Beweis ebenfalls nicht geführt, da beide Zeugen nichts darüber wussten, wie es zu der Beschädigung der Schraube gekommen war. Hie auf kommt es aber gerade an. Abgesehen von den bisherigen Darlegungen scheint es der Berufungskammer nicht sicher, ob überhaupt bewiesen ist, dass ein treibender Gegenstand in die Schraube des Schleppbootes geriet. Gesehen hat ihn niemand. Der Schlag, von dem der Zeuge Krallmann gesprochen hat, kann auch damit zusammenhängen, dass die Schraube des Schleppbootes gegen ein auf den Rheingrund liegendes Hindernis gestossen ist. Die Beklagten hätten, um sich zu entlasten, auch hierauf eingehen und beweisen müssen, dass entweder ein solches Hindernis als Unfallursache ausscheidet oder dass sie es auch bei gehöriger Sorgfalt nicht kennen konnten. Bekannte Hindernisse hätten nämlich bei der Kursbestimmung beachtet werden müssen.

Aus den dargelegten Gründen erlaubt die durchgeführten Beweisaufnahme nicht die Feststellung, die Beklagten hätten bewiesen, dass es zu dem Unfall. ohne ein Verschulden des Beklagten zu 2) oder eines anderen Mitgliedes der Besatzung des Schleppbootes "NE" gekommen sei. Diese Frage ist vielmehr offengeblieben.

Ohne Bedeutung für die Entscheidung ist es, ob bewiesen ist, dass die zu der umstrittenen Havarie führenden Ereignisse zu einer Beschädigung der Schraube des Schleppbootes geführt haben. Selbst wenn dies nicht der Fall sein sollte, könnten die Beklagten schuldlos an der Havarie sein. Für die bereits dargelegten anderen Gründe, hat es sich herausgestellt, dass diese Schuldlosigkeit nicht feststeht.

Nach den voraufgegangenen Ausführungen ist die erhobene Zahlungsklage dem Grunde nach gerechtfertigt. Da die Höhe des Schadens bestritten ist, muss hierüber Beweis erhoben werden. Zu diesem Zwecke muss der Rechtsstreit gemäss § 538 1 3 der deutschen Zivilprozessordnung an das Rheinschiffahrtsgericht zurückverwiesen werden, nachdem die Berufungskammer nach § 304 des gleichen Gesetzes über den Grund vorab entschieden hat.

Es wird deshalb für Recht erkannt:


Auf die Berufung der Klägerin hin wird das Urteil des Rheinschiffahrtsgerichts Kehl dahin abgeändert, dass der Zahlungsantrag der Klägerin dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt wird. Zur Verhandlung und Entscheidung über die Schadenshöhe wird der Rechtsstreit an das Rheinschiffahrtsgericht Kehl zurück verwiesen.

Von den Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin 1/5, während die Beklagten 4/5 als Gesamtschuldner zutragen haben.

Die Festsetzung der Kosten unter Berücksichtigung des Artikels 39 der Revidierten Rheinschiffahrtsakte erfolgt durch das Rheinschiffahrtsgericht Kehl.


Der Stellvertretende Gerichtskanzler     Der Vorsitzende:
(gez. ) A. BOUR                                  (gez. ) QUANJARD