Jurisprudentiedatabank

8 K 455/74 - Verwaltungsgericht (-)
Datum uitspraak: 19.02.1976
Kenmerk: 8 K 455/74
Beslissing: Urteil
Language: Duits
Regeling: § 144 Abs. 1 der Abgabenordnung und des § 16 Satz 2 KAG NW
Rechtbank: Verwaltungsgericht Düsseldorf
Afdeling: -

Leitsätze:

1) Nur reiner Werkverkehr löst keine Beitragsverpflichtung gegenüber dem Abwrackfonds aus.

2) Der Anspruch auf Abwrackbeiträge verjährt in analoger Anwendung des § 144 Abs. 1 der Abgabenordnung und des § 16 Satz 2 KAG NW in 5 Jahren.

Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf

vom 19. Februar 1976

Zum Tatbestand:

Die Klägerin war - ähnlich wie in ZfB 1977, S. 403 auszugsweise veröffentlichten Rechtsstreit beim Verwaltungsgericht Düsseldorf 8 K 2327/74 - personell und kapitalmäßig eng mit 2 anderen im Kiesgeschäft tätigen Firmen (A und B) verbunden und führte mit ihrem Schiff „S" für diese Kiestransporte aus, z. B. von ihren eigenen Kiesgruben oder denen der 2 anderen Firmen zu ihrem eigenen Lagerplatz oder den Lagerplätzen der beiden anderen Firmen, ferner auch zu Abnehmern aller 3 Firmen. Nur die Firma „A" disponiert den jeweiligen Einsatz der Binnenschiffe aller 3 Firmen. Soweit die Klägerin mit ihrem eigenen Schiff Transporte durchführt, erhält sie hierfür Entgelte.

Die beklagte Wasser- und Schifffahrtsdirektion erließ Zahlungsbescheide, weil die Klägerin die Verpflichtung zur Zahlung von Abwrackbeiträgen für die Jahre 1969 bis 1973 bestritt und meinte, die gesamte Firmengruppe aller 3 Unternehmen sei „als eine einzige Werkverkehr betreibende Firma" anzusehen. Deshalb seien für die Abwrackung von Schiffsraum auch nie Prämien verlangt worden. Die, organisatorische Unternehmenseinheit und den Charakter des Werkverkehrs hätten auch die zuständigen Finanzämter seit über 20 Jahren anerkannt. Im übrigen seien die etwaigen Ansprüche der Beklagten für die Jahre 1969 bis 1972 bei Erlass der Bescheide im Oktober 1973 schon verjährt gewesen. Auch habe die Beklagte ihre Ansprüche verwirkt, da sie in Gesprächen mit der Beklagten im Jahre 1969 und 1971 das Vorliegen von Werkverkehr anerkannt und die Klägerin von der Meldepflicht befreit habe.

Die Klägerin bestreitet diese Behauptung und vertritt weiterhin ihren Rechtsstandpunkt. Das Verwaltungsgericht hat die Klage kostenpflichtig abgewiesen. Trotz Zulassung wurde keine Revision eingelegt.

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Klägerin hat Verkehrsleistungen im Sinne des § 32 a Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit § 21 Abs. 1 BSchVG erbracht. Mit ihrem Binnenschiff hat sie Transporte für die beiden anderen Firmen durchgeführt. Diesen Transportleistungen lagen Vereinbarungen zugrunde, aufgrund deren auch die Abrechnungen zwischen den Firmen erfolgt sind. Die Rechtsnatur der den Transporten zugrundeliegenden Vereinbarungen bedarf schon deshalb keiner näheren Prüfung, weil die Leistungen tatsächlich erbracht worden sind.

Damit war jedenfalls die Beitragsverpflichtung entstanden, die der Gesetzgeber bereits an den Abschluss von Verträgen über Verkehrsleistungen knüpft.

Wenn demgegenüber die Klägerin geltend macht, sie habe diese Transportleistungen ausschließlich als Werkverkehr erbracht und dürfe deshalb zu Leistungen von Beiträgen in den Abwrackfonds nicht herangezogen werden, so vermag das Gericht dem nicht zu folgen. Es ist zwar richtig, dass reiner Werkverkehr eine Beitragspflicht nicht auslöst, wie sich schon aus § 5 Abs. 2 BSchVG zwingend ergibt. Bei den Materialtransporten der Klägerin für die beiden anderen Firmen der Gruppe handelt es sich indes nicht um Werkverkehr. Nach § 5 Abs. 1 BSchVG ist Werkverkehr „die Beförderung von eigenen Gütern für eigene Zwecke des Unternehmens mit eigenen Schiffen". Insoweit unterscheidet sich der hier verwendete Begriff nicht von dem in anderen Gesetzen.

Die von der Klägerin durchgeführte Güterbeförderung erfolgte, soweit sie Grundlage der Heranziehungsbescheide ist, nicht für eigene Zwecke ihres Unternehmens. Richtig ist zwar - worauf die Klägerin hinweist -, dass die drei Firmen personell und kapitalmäßig untereinander stark verbunden sind und insoweit eine „Firmengruppe" bilden. Daraus folgt jedoch nicht, dass diese Gruppe ein Unternehmen im Rechtssinne darstellt, also eine von einer natürlichen oder juristischen Person zusammengefasste, rechtlich selbständige Wirtschaftseinheit bildet. Eine andere Auslegung des in § 5 BSchVG verwendeten Begriffes Unternehmen - wie die Klägerin dies unter rein wirtschaftlicher Betrachtungsweise tut - verbietet sich bei verständiger Würdigung des mit dem Binnenschiffsverkehrsgesetz, das eine eigene Definition dieses Begriffes nicht enthält, verfolgten Zwecks (wird ausgeführt).

Demgegenüber kann sich die Klägerin nicht mit Erfolg darauf berufen, die drei Firmen seien steuerrechtlich als eine Unternehmenseinheit behandelt worden. Denn der steuerrechtliche Unternehmensbegriff ist im Rahmen des BSchVG nicht anwendbar.

Danach ergab sich eine Zahlungsverpflichtung in dem sich aus den angefochtenen Bescheiden ergebenden Umfang.

Zu Unrecht beruft sich demgegenüber die Klägerin auf Verjährung. Zwar enthält das BSchVG insoweit keine Regelung und verweist auf die Vorschriften der Reichsabgabenordnung in § 32 a Abs. 7 BSchVG nur bezüglich des Beitreibungsverfahrens. Das schließt aber grundsätzlich eine Verjährung auch solcher An-sprüche nicht aus.

In Rechtsprechung und Schrifttum ist anerkannt, dass vermögensrechtliche Ansprüche öffentlich-rechtlicher Natur grundsätzlich der Verjährung unterliegen können, vgl. Bundesverwaltungsgericht Urteil vom 15. Dezember 1967 - VI C 98.65 -, BVerwGE 28, 336; Oberverwaltungsgericht Münster, Urteil vom 21. Mai 1965 - VI A 686/64 -, in OVGE 21, 247 mit ausführlichen Nachweisen und Urteil vom 11. Januar 1971 - 11 A 847/69 -, in Gemeindetag 1971, 212; OVG Koblenz, Urteil vom 29. Januar 1973 - VI A 97/71 -, in NJW 1973, 1341.

Allerdings enthält das öffentliche Recht eine so umfassende Regelung wie das Zivilrecht in den Vorschriften der §§ 194 ff BGB nicht; wohl gibt es für die verschiedenen Rechtsgebiete zahlreiche Einzelregelungen, so insbesondere für das Abgabenrecht.

Es bedarf hier nicht der Klärung, ob es sich bei den geltend gemachten Ansprüchen um Abgaben im engeren Sinne (Steuern, Gebühren, Beiträge) oder um Abgaben eigener Art handelt.

Steuern, öffentliche Beiträge oder sonstige Abgaben im Sinne des Finanzrechtes dienen der Deckung des Finanzbedarfes der öffentlichen Hand. Die Abgaben zum Abwrackfonds hingegen sind keine effektiven Einnahmen der öffentlichen Hand, sondern zur Durchführung marktlenkender Maßnahmen im Wirtschaftsleben bestimmt. Wenn danach diese Beiträge nicht den Abgaben im Sinne des Finanzrechtes zuzuordnen sind, so ist dennoch ein Zusammenhang mit den in der Reichsabgabenordnung und den Kommunalabgabengesetzen der Länder geregelten Ansprüchen nicht zu übersehen. Dies rechtfertigt nach Ansicht der Kammer die ent-sprechende Anwendung der 5jährigen Verjährungsfrist des § 144 Abs. 1 AO und des § 16 Satz 2 KAG NW.

Wenn demgegenüber die Klägerin meint, sich auf die einjährige Verjährungsfrist des § 144 Abs. 1 AO und § 117 des Gesetzes betreffend die privatrechtlichen Verhältnisse der Binnenschifffahrt vom 15. Juni 1895 (RGBI. S. 301) in der Fassung vom 21. Juni 1972 (BGBI. 1 S. 966) - BSchG - berufen zu können, so kann dem nicht gefolgt werden. Die Abgabenordnung sieht ausschließlich für Zölle und Verbrauchssteuern, um die es sich hier nicht handelt, sowie für Nebenansprüche (Zinsen, Säumniszuschläge, Zwangsgelder) die Verjährungsfrist von 1 Jahr vor. Die in § 117 Nr. 1 BSchVG erwähnten, der kurzfristigen Verjährung unterliegenden Ansprüche sind im einzelnen aufgezählt und damit abschließend geregelt. Hätte der Gesetzgeber die erst im Jahre 1969 eingeführte Beitragspflicht zum Abwrackfonds der Regelung des § 117 Nr. 1 BSchG unterwerfen wollen, so hätte er dies zum Ausdruck gebracht.

Selbst wenn der Auffassung der Klägerin gefolgt werden könnte, derartige Ansprüche verjährten nach Ablauf eines Jahres, so könnte auch dies hier zu einem anderen Ergebnis nicht führen. Denn durch die im April 1969 von der Beklagten begonnene Betriebsprüfung wurde der Ablauf der Verjährungsfrist gehemmt. Nach der auch hier gebotenen entsprechenden Anwendung des § 146 a Abs. 3 AO verjähren Abgabenansprüche nicht, bevor die aufgrund der Betriebsprüfung ergangenen Heranziehungsbeschei¬e unanfechtbar geworden sind, sofern vor Ablauf der Verjäh¬rungsfrist mit der Betriebsprüfung begonnen wird. Dass die im Jahre 1969 begonnene Betriebsprüfung noch nicht zum Erlass von Heranziehungsbescheiden geführt hat, ist insoweit unschädlich. Zwar fand die Prüfung nicht im gleichen Jahr ihren Abschluss, was im wesentlichen auf die unterschiedliche Auffassung zum Begriff Werkverkehr zurückzuführen ist. Jedoch stellen die Fortsetzung im Jahre 1971 und der Abschluss im Jahre 1973 zusammen mit der 1969 begonnenen Überprüfung des Betriebes der Klägerin eine einheitliche Betriebsprüfung im Sinne der Vorschrift des § 146a Abs. 3 AO dar.

Danach sind die Ansprüche der Beklagten nicht verjährt.

Ebensowenig sind diese Ansprüche verwirkt. Richtig ist zwar, dass auch im öffentlichen Recht das Institut der Verwirkung anerkannt ist, vgl. hierzu u. a. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 26. November 1969 - VI C 11.65 -, in DOV 1970, S. 498 und Urteil vom 7. Februar 1974 - III C 115.71 -, in Verwaltungsrechtsprechung Band 26 Nr. 29.

Die Voraussetzungen für eine Verwirkung liegen hier jedoch nicht vor. Es kann nicht die Rede davon sein, dass die Beklagte eine Vertrauensgrundlage geschaffen hatte. Denn schon 1969 und 1971 hat die Beklagte darauf hingewiesen, dass durch Verkehrsleistungen, die die Klägerin erbracht hat, Abgabetatbestände nach dem BSchVG verwirklicht würden. Diese ihre Auffassung hat die Beklagte noch einmal im April 1973 ausdrücklich bestätigt. Wenn die Klägerin sich damals darauf berufen hat und diesen Standpunkt auch heute noch vertritt, die von ihr erbrachten Transportleistungen seien beitragsfreier Werkverkehr, so konnte und kann diese einseitige Rechtsauffassung eine Vertrauensgrundlage als Verwirkungsvoraussetzung nicht entstehen lassen.