Jurisprudentiedatabank
Leitsatz:
Zur strafrechtlichen Verantwortlichkeit für Strangbrüche auf Stilliegern infolge zu hoher Geschwindigkeit passierender Schiffe.
Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt
Urteil
vom 8. Februar 1978
(auf Berufung gegen das Urteil des Rheinschifffahrtsgerichts Duisburg-Ruhrort vom 26.5.1977 - 5 OWi 153/7.6 -)
Die Berufungskammer hat erwogen:
I.
Die Berufung des Betroffenen gegen das Urteil des Rheinschifffahrtsgerichts Duisburg-Ruhrort vom 26.5.1977 ist form- und fristgerecht eingelegt und somit zulässig.
II.
Entgegen der vom erstinstanzlichen Rheinschifffahrtsgericht vertretenen Auffassung sieht es die Berufungskammer nicht als ausreichend bewiesen an, dass der Drahtbruch auf MS "N" durch eine zu schnelle Vorbeifahrt des von dem Betroffenen geführten Personenmotorschiffes "W" und dessen zu starken Sog und Wellenschlag herbeigeführt wurde. Der als Zeuge gehörte Schiffsführer S. von MS "N" hat zwar bekundet, dass zur Zeit des Drahtbruches nur das Personenmotorschiff "W" vorbeigekommen sei und sich kein anderes Schiff in unmittelbarer Nähe befunden habe; außerdem sei sein Schiff ausreichend befestigt gewesen. Andererseits musste dieser Zeuge aber auch einräumen, dass die Fahrtstufe des Personenmotorschiffes "W" verlangsamt war, als es an seinem Schiff vorbeigekommen ist. Demgegenüber hat der Steuermann Nö. von Personenmotorschiff "W" bei seiner Zeugenvernehmung angegeben, dass er schon rechtzeitig, d.h. schon etwa 150 bis 200 m vor den Stilliegern die Maschine des Personenmotorschiffes "W", das im übrigen nur wenige 100 m unterhalb habe beilegen wollen, abgestoppt habe. Wie dieser Zeuge weiter ausführte, sei man nur mit einer Fahrtstufe von etwa 10 km/h an MS "N" vorbeigekommen. Bei dieser Fahrtstufe gehe aber von dem Personenmotorschiff "Westmark" kein schädlicher Sog und Wellenschlag mehr aus» Bei der Frage nach der Verursachung des Drahtbruches kann nach Meinung der Berufungskammer nicht außer Betracht bleiben, dass neben MS "N" das seinerseits neben dem an der Kaimauer festgemachten MS "B" lag, stromseitig ein drittes Motorschiff, nämlich das 1130 tons große MS "N" festgemacht hatte. Während das in der Mitte des Schiffsstapels liegende MS "N" neben seinem ausgebrachten Backbordanker noch eigene Vorausdrähte zum Land gesetzt hatte, war MS "N2", das ebenfalls Anker gesetzt hatte, nur mit Drähten an MS "Navex 5" befestigt. Bei dieser Art der Befestigung ist nicht auszuschließen, dass schon bei einer Wasserbewegung, wie sie bei jeder normalen, auch mit reduzierter Fahrtstufe ausgeführten Vorbeifahrt entstehen konnte, auf die durch zwei Schiffskörper belasteten, zum Land führenden Vorausdrähte des MS "N" eine so starke Belastung ausging, dass einer dieser Drähte brach. Nach den Zeugenbekundungen des Schiffsführers S. von MS "N" war es wenige Stunden vor der Vorbeifahrt des Personenmotorschiffes "W" schon einmal zu einem Bruch eines der Vorausdrähte des MS "N" gekommen. Da somit die Möglichkeit offen bleibt, dass die exponierte Lage der drei nebeneinander liegenden Stillieger und deren unzureichende Landbefestigung die entscheidende Ursache für den Drahtbruch darstellt, kann nach der Meinung der Berufungskammer die Verurteilung des Betroffenen wegen schuldhafter zu schneller Vorbeifahrt nicht aufrechterhalten werden.
Mit Kostenfolge aus § 46 des deutschen Ordnungswidrigkeitengesetzes in Verbindung mit § 467 Strafprozessordnung war deshalb für Recht zu erkennen:
1. Das Urteil des Rheinschifffahrtsgerichts Duisburg-Ruhrort vom 26.5.1977 wird auf die Berufung des Betroffenen hin aufgehoben und dieser ohne Kosten freigesprochen.
2. Die Festsetzung der Kosten des Verfahrens ist vom Rheinschifffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort vorzunehmen.
Der Gerichtskanzler
Der Vorsitzende
(gez.) Doerflinger
(gez.) L. Specht