Jurisprudentiedatabank
Leitsatz:
Mit der Verladerseite vereinbarte Laderaumentgelte an eine zur Einsatzdisposition zwischengeschaltete Leitstelle im Tankschiffsverkehr sind unzulässig, wenn die Leitstelle nicht unabhängig von der Verladerfirma ist.
Urteil des Oberlandesgerichts Hamburg
vom 16. März 1978
Zum Tatbestand:
Die Klägerin vereinbarte vor über 10 Jahren mit der Mineralölgesellschaft S., dass deren innerdeutschen Transportaufträge nur von der Fa. 1. in Rotterdam, die als unabhängige Leitstelle zwecks Einsatzdisposition eingeschaltet wurde, im Namen der Fa. S erteilt werden sollten. Für diese Tätigkeit erhielt die Fa. 1. gemäß der genannten Vereinbarung ein Laderaumverteilungsentgelt von 1 % auf die von Fa. S. an die Klägerin gezahlten Frachten einschl. etwaiger Frachtzuschläge und Liegegelder.
Die Klägerin macht gegen die Beklagten, die sie mit der Durchführung der Transporte beauftragt hatte, Aufwendungsersatzansprüche wegen der zugunsten der Fa. 1. vereinbarten Laderaumverteilungsentgelte geltend.
Der Klage wurde insoweit nicht stattgegeben. Die Berufung an das Oberlandesgericht blieb im Wesentlichen erfolglos.
Aus den Entscheidungsgründen:
„...
Die von der Klägerin zugunsten der Firma 1. vereinbarten Laderaumverteilungsentgelte waren gemäß Ziffer 6 Abs. 5 des Frachten- und Tarifanzeigers der Binnenschifffahrt (FTB) unzulässig, weil die 1. keine unabhängige Leitstelle im Sinne dieser Bestimmung war.
„...
Nach § 31 Abs. 1 des Gesetzes über den gewerblichen Binnenschiffsverkehr in der Fassung vom 8. Januar 1969 sind Abweichungen von den in einer Rechtsverordnung gemäß § 29 Abs. 1 BiSchVG festgesetzten Entgelten für Verkehrsleistungen sowie Zahlungen, die einer Umgehung des festgesetzten Entgeltes gleichstehen, unzulässig. Ein entgegen Ziffer 6 FTB vereinbartes Laderaumverteilungsentgelt ist eine unzulässige, nach § 134 BGB unwirksame Abweichung von den durch Rechtsverordnung festgesetzten Entgelten.
Nach Ziffer 6 Abs. 5 FTB kann an eine in die Abwicklung des Vertrages eingeschaltete unabhängige Leitstelle ein Laderaumverteilungsentgelt bis zu 3 % des Beförderungsentgeltes gewährt werden, soweit diese unabhängige Leitstelle Teile einer Verkehrsleistung erbringt.
Allerdings hat die Firma l. Teile einer Verkehrsleistung erbracht, nämlich für die S. den von dieser benötigten Schiffsraum angefordert. Auch ist sie eine juristisch selbständige Firma. Als 50%-ige Tochter der S. ist sie jedoch von dieser nicht unabhängig. Die S. übertrug der 1. Aufgaben, die sie auch in eigener Regie und auf eigene Kosten hätte ausführen können. Beauftragte sie mit deren Erledigung eine mit ihr verflochtene Firma, kann das mit dem Ziel einer Umgehung der zulässigen Frachtsätze, nämlich der Erlangung einer niedrigeren als der preisrechtlich zulässigen Fracht geschehen sein. Die Klägerin trägt vor, dass für sie keine Möglichkeit bestanden habe, unter Umgehung der Firma 1., später der Firma 0., Frachtverträge mit der S. abzuschließen. Auch bediente sich die S. zur Anforderung des benötigten Schiffsraumes ausschließlich der Firma 1., später der Firma 0. Nach § 42a BiSchVG werden aber die nach diesem Gesetz bestehenden Verpflichtungen auch nicht durch rechtsgeschäftliche oder firmenrechtliche Gestaltungen berührt, die zur Umgehung der Bestimmungen des Gesetzes und der aufgrund des Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen geeignet sind. Die Einschaltung der 1. war geeignet, der S. einen Teil der gesetzlich zulässigen Fracht zu ersparen. Jedenfalls hat die Klägerin diese Möglichkeit nicht ausräumen können.
Auf die Behauptung der Klägerin, dass die Firma 1. allgemein als unabhängige Leitstelle angesehen und behandelt worden sei, kommt es nicht an. Eine solche Übung wäre nicht geeignet, die zwingenden Preisvorschriften im Binnenschiffsverkehr außer Kraft zu setzen, vielmehr setzen sich diese Vorschriften auch gegenüber abweichenden Übungen durch. Ebenfalls ist es ohne Belang, dass behördliche Prüfungen der Frachttarife der Klägerin bisher niemals zu Beanstandungen der an die Firmen 1. und 0. gezahlten Entgelte geführt haben. Dies kann auf einer unzutreffenden Würdigung der Laderaumverteilungsentgelte durch die behördlichen Stellen beruhen, an die jedoch das Gericht nicht gebunden ist. Schließlich ist es der Klägerin auch versagt, geltend zu machen, dass sie die Zahlung der Laderaumverteilungsentgelte für erforderlich habe halten dürfen. Die Klägerin weist hierzu darauf hin, dass ihr angesichts des Überangebots von Frachtraum keine andere Wahl geblieben sei, als Frachtverträge mit Mineralölgesellschaften unter Einschaltung von mit diesen wirtschaftlich verflochtenen Firmen als vermeintlichen Leitstellen zu schließen, wollte sie auf den Einsatz ihrer Schiffe zur Beförderung von Produkten dieser Gesellschaften nicht verzichten. Die Klägerin kann jedoch nicht ihre von der Rechtsordnung missbilligten Aufwendungen von der Beklagten ersetzt verlangen (vgl. z. B. Palandt Thomas, 36. Auflage, Anm. 2d zu § 670 BGB). Dies würde zu einer bloßen Verlagerung der Folgen des gesetzwidrigen Zustandes von der Klägerin auf die Beklagte, nicht aber zu seiner Beseitigung führen. Vielmehr muss sich die Klägerin selbst mit der S. bzw. der Firma 1. wegen einer Rückzahlung der preisrechtlich unzulässigen Vergütungen auseinandersetzen (siehe § 817 Satz 1 BGB).
..."