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Leitsätze:
1) Der Befrachter darf die Rechte aus dem Seefrachtvertrag wieder geltend machen, wenn der berechtigte Konnossementinhaber die Annahme der Güter ablehnt. Es steht in diesem Zusammenhang einer Annahmeverweigerung gleich, wenn die Ladung, die auf der Reise beschädigt worden ist, nicht erst zu dem Bestimmungshafen transportiert wird, sondern im Einverständnis mit dem Empfänger ausgeladen und zu dem Befrachter zurückgebracht wird.
2) Der Befrachter kann auch dann, wenn er durch die Beschädigung der Ladung selbst keinen Schaden erlitten, da er nach dem Kaufvertrag die Gefahr nur bis zur Abladung im Verschiffungshafen zu tragen hatte, nach den Grundsätzen des Rechtsinstituts der Drittschadensliquidation von dem Verfrachter Ersatz verlangen kann. Dies gilt auch dann, wenn der tatsächlich geschädigte Empfänger in der Lage ist, seinen Schaden aus eigenem Recht geltend zu machen.
Entscheidung
des Oberlandesgericht Hamburg
vom 12.09.2002
Die Kl. machte als Transportversicherer auf sie übergegangene Schadensersatzansprüche gegen die Bekl., den konnossementsmäßigen Verfrachter, geltend.
Das LG hat die Bekl. verurteilt, der Kl. den Gegenwert von 45 800 Sonderziehungsrechten zum Kurs am 22. 1. 2001 mit Zinsen seit dem 23. 11. 1999 zu zahlen. Im Übrigen hat das LG die Klage abgewiesen.
Die Bekl. legte gegen dieses Urteil Berufung ein. Sie war der Auffassung, dass sich die Empfängerin weder ausdrücklich noch konkludent der Verfügungsbefugnis über die Ladung gegeben habe. Sie habe auch nicht auf die Durchsetzung ihrer Rechte verzichtet. Anderenfalls hätte für die chinesische Empfängerin kein Anlass bestanden, diese Ansprüche an die Kl. abzutreten. Bei einem Verzicht wäre im Übrigen kein abtretbarer Anspruch verblieben.
Die Berufung der Bekl. hatte keinen Erfolg.
Das LG hat zu Recht und mit zutreffender Begründung, auf die zur Vermeidung unnötigen Schreibwerks Bezug genommen wird, die Bekl. zur Zahlung des Gegenwerts von 45 800 Sonderziehungsrechten nebst 5 % Zinsen seit dem 23. 11. 1999 verurteilt. Auch das Vorbringen der Bekl. in der Berufungsinstanz rechtfertigt keine zu ihren Gunsten abweichende Entscheidung:
Der Senat teilt die Auffassung des LG, dass der Befrachter die Rechte aus dem Seefrachtvertrag wieder geltend machen darf, wenn der berechtigte Konnossementinhaber die Annahme der Güter ablehnt. Das LG hat auch zu Recht entschieden, dass es in diesem Zusammenhang einer Annahmeverweigerung gleich steht, wenn die Ladung, die auf der Reise beschädigt worden ist, nicht erst zu dem Bestimmungshafen transportiert wird, sondern im Einverständnis mit dem Empfänger ausgeladen und zu dem Befrachter zurückgebracht wird. Erkennbar sollten durch eine derartige Vereinbarung zwischen den Parteien des Seefrachtvertrags und dem Empfänger lediglich unnötige Kosten vermieden werden, der auf der Reise eingetretene Schaden sollte also hierdurch einverständlich gemindert werden. Durch die Vereinbarung wollten die Beteiligten damit lediglich die Kosten begrenzen, die entstanden wären, wenn trotz der Beschädigung der Ladung diese zum Bestimmungshafen gebracht worden wäre und der Empfänger dort die Annahme verweigert hätte. Die Beteiligten wollten somit erkennbar durch die getroffene Vereinbarung so gestellt werden, als wenn der Empfänger sein Recht zur Annahmeverweigerung nach Ankunft des Schiffs im Bestimmungshafen ausgeübt hätte.
Der Befrachter als Rechtsvorgänger der Kl. hat zwar durch die Beschädigung der Ladung selbst keinen Schaden erlitten, da er nach dem Kaufvertrag als Verkäufer die Gefahr einer Beschädigung nur bis zu dem Zeitpunkt zu tragen hatte, zu dem die Güter die Schiffsreling im Verschiffungshafen überschritten hatten. Der Senat teilt jedoch die Ansicht des LG, dass die Kl. nach den Grundsätzen des Rechtsinstituts der
Drittschadensliquidation von der Bekl. Ersatz verlangen kann. Im Bereich des Transport– und Lagerrechts kann der Auftraggeber eines Frachtführers oder Lagerhalters den Schaden, den ein Dritter durch den Verlust oder die Beschädigung der beförderten oder gelagerten Güter erlitten hat, selbst dann geltend machen, wenn der tatsächlich Geschädigte in der Lage ist, seinen Schaden aus eigenem Recht geltend zu machen (vgl. zur Problematik Koller, Transportrecht 3. Aufl. Rn. 12 zu § 429 HGB und 4. Aufl. Rn. 49 zu § 425 HGB; BGH VersR 1989, 1168; 1984, 932 = NJW 1985, 2411). Mit Rücksicht auf die komplexen Rechtsbeziehungen, insbesondere bei internationalen Transporten, erscheint es angemessen, den Haftungsprozess nicht mit der Frage zu belasten, wem die Entschädigung letztlich zusteht (vgl. Piper VersR 1988, 201 [203]). Im Hinblick auf § 660 Abs. 1 S. 3 HGB war die Berufung der Bekl. gegen das Urteil
des LG jedoch nur mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass sie an die Kl. den Gegenwert von 45 800 Sonderziehungsrechten zum Kurs am 12. 9. 2002 nebst Zinsen seit dem 23. 9. 1999 zu zahlen hat (vg. zur Problematik BGH VersR 1997, 1298 = NJW-RR 1997, 1121).