Jurisprudentiedatabank
Leitsatz:
Kein Anspruch auf Freihaltung von Fehlfrachtansprüchen und auf Zahlung von Vergütung für die Buchungstätigkeit einer Spedition, wenn diese bei der Buchung nicht die ihr bekannten Umstände, die eine pünktliche Ankunft des Schiffes erfordern, berücksichtigt.
Urteil des Hanseatischen Oberlandesgericht
Hamburg 6. Zivilsenat
vom 17.02.2000
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg, Kammer 20 für Handelssachen, vom 8.1.1999 (Az. 420 O 93/98) wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten der Berufung zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Klägerin wird gestattet, die Zwangsvollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 20.000,- DM abzuwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Klägerin wird durch dieses Urteil um ca. 270.000,- DM beschwert.
Tatbestand:
Die Klägerin verlangt von der Beklagten Zahlung von Vergütung und Freihaltung von Ansprüchen seitens der Firma R Linie GmbH.
Im einzelnen liegt dem Rechtsstreit folgender Sachverhalt zugrunde:
Die Beklagte wandte sich an die Klägerin, die eine Spedition betreibt, wegen eines Angebots für die Besorgung eines umfangreichen Transports (Kisten und Container) von Hamburg nach China (Dagang via Shanghai).
Die Klägerin unterbreitete der Beklagten bereits mit Fax vom 20.1.1998 ein Angebot, das verschiedene Vertragsgestaltungen zu einem Preis von 298.595,- DM bzw. 316.524,- DM vorsah. Mit Fax vom 14., 13., 19. und 20.2.1998 gab die Klägerin der Beklagten weitere Verschiffungsdaten bekannt. Aufgrund der Vorgespräche wusste die Klägerin, dass die Güter vor dem 1. Juni 1998 in China ankommen mussten, weil zu diesem Zeitpunkt eine Zollerhöhung in Kraft treten sollte. Der Mehrbetrag hätte bei dem Wert des Transportgutes rund 3 Mio. DM betragen.
Nach telefonischer Durchgabe weiterer Daten beauftragte die Beklagte die Klägerin mit Fax vom 16.3.1998 mit einer Schiffsreservierung "ab Hamburg 31.03.98 -- 05.04.98 ETA Shanghai ca. 08.05.98" (Anl. K 1). Mit Fax vom selben Tage buchte die Klägerin bei der Firma R Linie das MS "G F" mit Abfahrt 31.3.1998 (Anl. K 2). Die Buchung enthielt kein Ankunftsdatum.
Nach dem ursprünglichen Reiseplan sollte das MS "G F" Hamburg am 31.3.1998 verlassen und am 8.5.1998 in Shanghai eintreffen (Anl. K 13).
Dem ihr per Fax vom 18.3.1998 übersandten Fahrplan (Anl. B 3) entnahm die Beklagte ein Abfahrtsdatum 4.4.1998 und für Shanghai ein Ankunftsdatum 19.5.1998 sowie die Tatsache, dass 4 zusätzliche Häfen angelaufen werden sollten (vgl. auch Anl. K 16). Wegen dieses veränderten Ankunftsdatums nahm die Beklagte den der Klägerin erteilten Auftrag zurück und ließ die Güter anderweitig verschiffen, wobei sie die von ihr bereits abgeladenen Güter zurückforderte und auch herausgegeben erhielt.
Die Klägerin teilte die Rücknahme der Buchung der Firma R Linie GmbH am 24.3.1998 unter Hinweis auf die von der Beklagten abgegebene Begründung mit und bat die Firma R Linie GmbH die Rückziehung der Buchung zu akzeptieren (Anl. K 3).
Die R Linie GmbH verweigerte ihr Einverständnis und verlangte unter Hinweis darauf, dass in der am 16.3.1998 getätigten Buchung kein Vermerk in Bezug auf ein bestimmtes Ankunftsdatum in Dagang stehe und dieser Punkt auch bei den Vorverhandlungen nie gesondert vermerkt worden sei, die Zahlung von Fehlfracht (Anl. K 4).
Die Firma R Linie GmbH stellte der Klägerin am 22.4.1998 Fehlfracht in Höhe von US-$ 131.822,50 in Rechnung (Anl. K 8), die Klägerin ihrerseits berechnete der Beklagten unter dem 3.6.1998 einen Frachtausfall von 262.890,- DM (Anl. K 5).
Das von der Klägerin gebuchte Schiff war tatsächlich am 19.5.1998 in Shanghai eingetroffen, hatte jedoch einige Häfen nicht angelaufen, die der geänderte Fahrplan zusätzlich vorgesehen hatte.
Die Klägerin hat von der Beklagten zunächst Zahlung des angeblich vereinbarten Preises abzüglich ersparter Aufwendungen begehrt. Sodann hat sie Zahlung von Provision und im Übrigen Freihaltung von Ansprüchen der Firma R Linie GmbH verlangt.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei nicht berechtigt gewesen, den Auftrag zu stornieren, denn auch bei geändertem Fahrplan sei die rechtzeitige Ankunft und Verzollung in Shanghai gesichert gewesen, wie sich aus der tatsächlichen Ankunft des Schiffes am 19.5.1998 in Shanghai ergebe.
Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 32.200,61 DM nebst 5 % Zinsen seit dem 15.6.1998 zu zahlen, sie von dem Anspruch der R Linie GmbH, ..., ... Hamburg, auf Zahlung von US-$ 131.822,50 nebst 5 % Zinsen seit dem 25.3.1998 wegen Kündigung des Frachtvertrages vom 16.3.1998 über die Beförderung verschiedener Güter von Hamburg nach Dagang auf dem MS "G F" freizuhalten.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hat darauf hingewiesen, dass die Ankunft des Schiffes MS "G F" am 19.5.1998 nur dadurch garantiert worden sei, dass nicht alle Häfen angelaufen wurden. Ferner habe die Verzollung bis zum 1.6.1998 in Dagang und nicht in Shanghai durchgeführt werden sollen.
Durch Urteil vom 8.1.1999 hat das Landgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt, der Klägerin stehe weder ein Anspruch auf eigene Provision noch auf Freihaltung zu, weil sie die von der Beklagten gewünschte Buchung nicht ordnungsgemäß vorgenommen habe. Die Klägerin habe es nämlich unterlassen, das Ankunftsdatum auch zum Bestandteil der Buchung selbst zu machen. Ergänzend wird wegen der weiteren Ausführungen auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.
Gegen das der Klägerin am 8.1.1999 zugestellte Urteil hat diese am 7.2.1999 Berufung eingelegt und die Berufung nach entsprechender Fristverlängerung am 12.4.1999 begründet.
Die Klägerin wiederholt und vertieft im Hinblick auf die Erwägungen im angefochtenen Urteil ihren erstinstanzlichen Sachvortrag. Sie weist darauf hin, dass sie den von der Beklagten vorgegebenen Zeitkorridor mit ihrer Frachtraumfestbuchung eingehalten habe und nicht dafür verantwortlich gemacht werden könne, dass durch eine nachträgliche Änderung des Fahrplans die voraussichtliche Ankunftszeit (ETA) geändert worden sei. Dies habe außerhalb ihres Verantwortungsbereichs gelegen.
Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 32.200,61 DM nebst 5 % p.a. Zinsen seit dem 15.6.1998 zu zahlen und sie von dem Anspruch der R Linie GmbH, Rosenstraße 17, 20095 Hamburg, gegen sie auf Zahlung desjenigen Betrages nebst 5 % p.a. Zinsen seit dem 25.3.1998 einschließlich der notwendigen Kosten der Rechtsverteidigung freizustellen, der der R Linie GmbH wegen Kündigung des Frachtvertrages vom 16.3.1998 über die Beförderung verschiedener Güter von Hamburg nach Dagang auf dem MS "G F" rechtskräftig zugesprochen wird.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Sachvortrags das landgerichtliche Urteil.
Wegen weiterer Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet.
Zu Recht und mit zutreffenden Erwägungen, auf die zunächst zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, hat das Landgericht einen Anspruch der Klägerin auf Vergütung bzw. Provision und auf Freihaltung von Ansprüchen der R Linie GmbH verneint. Die Beklagte schuldet der Klägerin weder die vereinbarte Fracht oder Provision noch Freihaltung von Fehlfrachtansprüchen, denn die Beklagte war berechtigt, von dem der Klägerin erteilten Auftrag zurückzutreten. Dieses Recht stand der Beklagten unabhängig davon zu, ob die Klägerin als Frachtführerin (Vereinbarung eines Transports zu fixen Kosten, § 413 Abs. 1 HGB a.F.) oder als Spediteur tätig geworden ist.
Der Klägerin war aus den Vertragsverhandlungen mit der Beklagten bekannt, dass wegen der bevorstehenden erheblichen Zollerhöhung der Ankunftstermin des gebuchten Schiffes für die Beklagte von ganz besonderer Bedeutung war. Die Beklagte hatte der Klägerin mit dem Fax vom 16.3.1998 auch einen konkreten Buchungsauftrag erteilt, nämlich für die Buchung mit einem Abreisetermin zwischen dem 31.3. und 5.4.1998 und einer voraussichtlichen Ankunftszeit (ETA) in Shanghai am 8.5.1998. Die Klägerin war mithin verpflichtet, eine Schiffsbuchung vorzunehmen, die diesem Auftrag der Beklagten mit den angegebenen Reisedaten Rechnung trug.
Die Klägerin hat eine solche Buchung auch mit dem Fax vom 16.3.1998 vorgenommen (Anl. K 2), denn nach dem von der Firma R Linie GmbH herausgegebenen Fahrplan sollte Shanghai am 8.5.1998 erreicht werden (bei Abfahrt in Hamburg am 31.3.1998).
Gleichwohl sind die von der Klägerin gegenüber der Beklagten geltend gemachten Ansprüche weder aus den vertraglichen Vereinbarungen noch in Verbindung mit § 21 ADSp a.F. begründet.
Entweder hat nämlich die Klägerin die von der Beklagten erteilte Weisung für die Buchung nicht ordnungsgemäß weitergegeben, insbesondere also nicht die Firma R Linie GmbH auf die Bedeutung der Ankunftszeit in China für die von der Beklagten gewünschte Verschiffung hingewiesen: Dann hat sie sich pflichtwidrig verhalten und ist nicht berechtigt, die Beklagte auf Vertragserfüllung oder Aufwendungsersatz in Anspruch zu nehmen, weil insoweit die seitens der Firma R Linie GmbH geltend gemachten Fehlfrachtansprüche allein auf ein pflichtwidriges schuldhaftes Verhalten der Klägerin zurückzuführen sind.
Wenn aber die Klägerin, wie sie behauptet, den zuständigen Mitarbeitern der Firma R Linie GmbH alle für die Beklagte bedeutsamen Daten mitgeteilt haben sollte, so wäre ein Anspruch der Firma R Linie GmbH gegen die Klägerin auf Zahlung von Fehlfracht nicht berechtigt. Dann nämlich hätte die Klägerin im Hinblick auf die nachträglich vorgenommenen Änderungen des Fahrplans die Möglichkeit gehabt, sich ohne Zahlungsverpflichtung von der Buchung gegenüber der Firma R Linie GmbH zu lösen. Auch in diesem Falle wäre mithin ein Anspruch der Klägerin auf Freihaltung von derartigen Ansprüchen nicht gegeben.
Da in beiden Fällen jedenfalls eine Verpflichtung der Beklagten, die Klägerin von Ansprüchen der Firma R Linie GmbH wegen der Buchung vom 16.3.1998 freizuhalten, nicht besteht, bedarf es keiner Aufklärung darüber, ob die Behauptung der Klägerin zutrifft, sie habe gegenüber den Mitarbeitern der Firma R Linie GmbH auf die Bedeutung der Ankunftszeit schon vor der Buchung in den Vorgesprächen hingewiesen.
Der Klägerin ist aber auch der Anspruch auf die von ihr geltend gemachte Vergütung zu versagen. Sie hat es nämlich zu vertreten, dass die Beklagte aufgrund der unklaren vertraglichen Absprachen sich genötigt sah, eine andere Verschiffungsmöglichkeit zu wählen. Hätte die Klägerin die bei der Firma R Linie GmbH vorgenommene Buchung eindeutig und klar auch hinsichtlich der Ankunftszeit vorgenommen, so hätte die Firma R Linie GmbH entweder sofort mitgeteilt, dass sie eine solche Buchung nicht annehmen könne oder aber die Klägerin wäre bei der nachträglichen Veränderung des Fahrplans aufgrund der von der Klägerin mit der Firma R Linie GmbH getroffenen klaren Absprachen berechtigt gewesen, die Buchung ohne Rechtsnachteile zu stornieren. Bei einem solchen vertragswidrigen Verhalten der R Linie GmbH wäre sodann ein Schadenersatzanspruch gegen diese Linie wegen der der Klägerin zustehenden Vergütung gegeben gewesen.
Festzustellen bleibt jedenfalls, dass allein das Fehlverhalten der Klägerin im Sinne der beiden aufgezeigten Alternativen zu der Situation geführt hat, in der sich die Beklagte genötigt sah, eine andere Verschiffung zu wählen.
Die Tatsache, dass das ursprünglich gebuchte Schiff MS "G F" dann doch am 19.5.1998 in Shanghai eingetroffen ist, vermag an dieser Bewertung nichts zu ändern, denn angesichts der Tatsache, dass weitere 4 Häfen zusätzlich angelaufen werden sollten, war für die Beklagte ein Eingehen des Risikos im Hinblick auf die zu erwartenden erheblichen Zollerhöhungen nicht zumutbar. Dies gilt umso mehr, als die Firma R Linie GmbH jede Zusage eines wirtschaftlichen Ausgleichs für den Fall einer Verzögerung der Ankunftszeit in Shanghai abgelehnt hatte.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Festsetzung der Beschwer erfolgt gemäß § 546 Abs. 2 ZPO.