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523 P - 3/21 - Berufungskammer der Zentralkommission (Berufungsinstanz Rheinschiffahrt)
Datum uitspraak: 27.05.2021
Kenmerk: 523 P - 3/21
Beslissing: Urteil
Language: Duits
Rechtbank: Berufungskammer der Zentralkommission Straßburg
Afdeling: Berufungsinstanz Rheinschiffahrt

Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt

Urteil

vom 27. Mai 2021

523 P - 3/21

(ergangen auf Berufung gegen das Urteil des Rheinschifffahrtsgerichts Straßburg vom 13. Dezember 2019 - 18186000139 -)

Strafsache

gegen

D. W.

Binnenschiffer

 

Die Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt hat per Beschluss vom 7. Mai 2021 an dem beteiligt waren als Richter die Herren DE SAVORNIN LOHMAN (Vorsitzender), BALL, DE BAETS, WOEHRLING, Frau STAMM und unter Mitwirkung der Gerichtskanzlerin Bente BRAAT, gestützt auf die Artikel 37 und 45bis der Revidierten Rheinschifffahrtsakte vom 17. Oktober 1868 in der Fassung vom 20. November 1963 im schriftlichen Verfahren folgendes Urteil gefällt:

Es wird verwiesen auf:

-   das Zwischenurteil des Rheinschifffahrtsgerichts Straßburg vom 17. Mai 2019;

-   das Urteil des Rheinschifffahrtsgerichts Straßburg vom 13. Dezember 2019;

-   die Berufungserklärung des Beschuldigtenvertreters vom 31. Dezember 2019;

-   die Anschlussberufungserklärung der Staatsanwaltschaft vom 2. Januar 2020;

-   die Berufungsanträge der Staatsanwaltschaft vom 19. Februar 2020;

-   die undatierten Berufungsanträge des Beschuldigtenvertreters, die am 29. Januar 2020 in der Geschäftsstelle des Gerichts in Straßburg und am 6. März 2020 bei der Kanzlei der Berufungskammer eingegangen sind;

-   die Berufungsanträge Nummer 2 des Beschuldigtenvertreters, die in der Kanzlei der Berufungskammer am 20. November 2020 eingegangen sind;

- die Berufungsanträge der Staatsanwaltschaft vom 6. Januar 2021;

-   die gesamte Verfahrensakte 18186000139 des Rheinschifffahrtsgerichts, die der Berufungskammer zur Verfügung stand.

Die Parteien haben ihre Zustimmung zu einem schriftlichen Verfahren ohne öffentliche Verhandlung gegeben, in Anbetracht der durch die gesundheitliche Situation bedingten Einschränkungen.

I. Sachverhalt

Am 4. Mai 2018 führten die Bediensteten der deutsch-französischen Wasserschutzbrigade / Compagnie de Gendarmerie fluviale Straßburg-Kehl bei Rheinkilometer 332,500 eine Kontrolle des zu Tal fahrenden Gütermotorschiffs "L" durch und stellten die Zuwiderhandlung der Fahrt mit nicht vorschriftsmäßiger Besatzung in Anbetracht der Tatsache fest, dass das Schiff in der Betriebsform A1 mit einer Besatzung fuhr, der ein Decksmann anstatt eines Leichtmatrosen angehörte. Der Schiffsführer wurde aufgefordert, die Fahrt am nächsten erreichbaren Vorhafen der Schleuse Iffezheim bei Rheinkilometer 352,2 einzustellen. Das Schiff fuhr jedoch weiter. Die Staatsanwaltschaft Straßburg legte den Fall dem Rheinschifffahrtsgericht Straßburg vor. Nach einem ersten Zwischenurteil erklärte sich das Rheinschifffahrtsgericht Straßburg für zuständig und vertagte die Verhandlung auf einen späteren Zeitpunkt, um in der Sache zu entscheiden. Dies ist das angefochtene Urteil.

 

II. Zulässigkeit der Berufung

Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden; sie ist somit zulässig. Insbesondere wird in dem angefochtenen Urteil über die Zuständigkeit des französischen Rheinschifffahrtsgerichts entschieden. Gegen diesen Punkt kann Berufung eingelegt werden, auch wenn das Gericht noch nicht in der Hauptsache entschieden hat.

 

III. Erörterung

Gegenstand der Berufung von Herrn D. W. ist die Frage der örtlichen Zuständigkeit des Rheinschifffahrtsgerichts Straßburg. Er trägt vor, dass die Zuwiderhandlung, wegen der er strafrechtlich belangt wird, auf dem Teil des Rheins festgestellt wurde, der Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland ist, und beruft sich auf Artikel 35 der Revidierten Rheinschifffahrtsakte. Die Staatsanwaltschaft beruft sich auf das deutsch-französische Abkommen von Vittel vom 10. November 2000, um die Zuständigkeit des Rheinschifffahrtsgerichts Straßburg zu begründen.

 

 

 

IV. Begründung

In Anwendung des am 13. April 2000 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik geschlossenen Vertrags über die Festlegung der Grenze auf den ausgebauten Strecken des Rheins wird die Grenze zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der französischen Republik im Rhein von Strom-Kilometer 222,900 (Gemeinde Breisach/Gemeinde Vogelgrün) bis Strom-Kilometer 335,700 (Gemeinde Iffezheim/Gemeinde Beinheim) durch die ausgeglichene Mittellinie bestimmt, die der Achse des Mittelwasserbettes folgt, das durch die Korrektionsarbeiten geschaffen wurde. Obwohl es üblich ist, von einem "deutsch-französischen Rheinabschnitt" für den Teil des Stromes zu sprechen, der der Grenze zwischen der Französischen Republik und der Bundesrepublik Deutschland entspricht, gibt es im Gegensatz zu dem, was im Urteil des Rheinschifffahrtsgerichts Straßburg vom 13. Dezember 2019 erwähnt wird, keinen "deutsch-französischen Teil des Rheins" im Sinne einer Zone geteilter Souveränität, die die Zuständigkeit der französischen Rheinschifffahrtsgerichtbarkeit begründen würde

Es ist unbestritten, dass das Schiff zum Zeitpunkt der Feststellung der oben bezeichneten Zuwiderhandlungen östlich der oben genannten Linie und damit auf deutschem Hoheitsgebiet fuhr.

Artikel 35 der Revidierten Rheinschifffahrtsakte besagt:

"In Strafsachen (Artikel 34 I) ist dasjenige Rheinschifffahrtsgericht kompetent, in dessen Bezirk die strafbare Handlung begangen ist".

Artikel 8 des am 10. November 2000 in Vittel zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der französischen Republik geschlossenen und von beiden Parteien ordnungsgemäß ratifizierten Abkommens über die Zusammenarbeit bei der Wahrnehmung schifffahrtspolizeilicher Aufgaben auf dem deutsch-französischen Rheinabschnitt lautet:

-   „(1) Zuwiderhandlungen gegen die in Artikel 2 Nummer 1 Buchstabe a bezeichneten Vorschriften, die auf dem deutsch-französischen Rheinabschnitt begangen werden, werden nach dem Recht der Vertragspartei verfolgt und geahndet, deren zuständige Behörde die Zuwiderhandlung festgestellt hat.

-   (2) Zuwiderhandlungen gegen andere als die in Artikel 2 Nummer 1 Buchstabe a bezeichneten Vorschriften, die auf dem deutsch-französischen Rheinabschnitt begangen werden, werden nach dem für die Vertragsparteien geltenden Völkerrecht und dem Recht der Vertragsparteien verfolgt und geahndet“.

Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe a des Abkommens nennt folgende schifffahrtspolizeiliche Aufgaben:

"Überwachung der Einhaltung der Vorschriften für die Schifffahrt:

-   die aufgrund von völkerrechtlichen Übereinkünften mit Geltung für den Rhein erlassen worden sind,

-   der schifffahrtspolizeilichen Verordnungen, die gemeinsam von den Rheinuferstaaten und Belgien aufgrund von Beschlüssen der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt erlassen worden sind,

-   die gemeinsam oder einseitig von den Schifffahrtsverwaltungen der Vertragsparteien auf der Grundlage der schifffahrtspolizeilichen Verordnungen für den Rhein erlassen worden sind".

In vorliegendem Fall fallen die in Bezug auf Herrn D. W. festgestellten Zuwiderhandlungen unter Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe a.

Die Bestimmungen von Artikel 8 des oben genannten Abkommens haben die Festlegung des auf die festgestellten Zuwiderhandlungen anzuwendenden Rechts zum Gegenstand. Sie beinhalten keine Regelung der örtlichen Zuständigkeit der Gerichte, die in Bezug auf die Zuwiderhandlungen angerufen werden, und sie lauten auch nicht auf eine Ausnahme von Artikel 35 der Revidierten Rheinschifffahrtsakte, zumal durch ein bilaterales Abkommen eine gültige Ausnahme von einem zwischen fünf Staaten geschlossenen multilateralen Übereinkommen nicht bewirkt werden kann.

Aus den vorangegangenen Ausführungen ergibt sich, dass in vorliegendem Fall Artikel 35 der Revidierten Rheinschifffahrtsakte anzuwenden ist und dass folglich die Herrn D. W. zur Last gelegten Zuwiderhandlungen in die Zuständigkeit der deutschen Rheinschifffahrtsgerichte fallen. Herr D. W. beantragt also zu Recht die Aufhebung des Urteils vom 13. Dezember 2019 wegen Nichtzuständigkeit des Rheinschifffahrtsgerichts Straßburg. Die Aufhebung des Urteils bewirkt nicht die Unbegründetheit der strafrechtlichen Verfolgung, über die das Rheinschifffahrtsgericht Straßburg nicht entschieden hat und bezüglich derer die Berufungskammer insofern nicht urteilen kann. Es bleibt der Staatsanwaltschaft überlassen, das weitere Vorgehen zu prüfen.

 

Aus diesen Gründen:

Das Rheinschifffahrtsgericht Straßburg ist für den Fall nicht zuständig.

Das angefochtene Urteil vom 13. Dezember 2019 wird aufgehoben.