Jurisprudentiedatabank
Leitsatz:
Beim Löschen von Gefahrgut reicht es nach Ziffer 7.2.4.40 ADN nicht aus, wenn die Feuerlöschschläuche und ihre Armaturen in den dafür vorgesehenen Aufbewahrungskästen griffbereit verwahrt werden. Die Feuerlöschschläuche müssen an der Wasserrohrleitung angeflanscht und auf Deck ausgerollt sein, die Armaturen müssen angeflanscht sein.
Urteil
vom 20. März 2019
(auf Berufung gegen den Beschluss des Rheinschifffahrtsgerichts Mannheim vom 25. November 2017 51 OWI 622 Js 14526/17 BSch)
In der Bußgeldsache hat die Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt in Straßburg nach öffentlicher Verhandlung vom 26. Februar 2019 gestützt auf Art. 37 und 45bis der Revidierten Rheinschifffahrtsakte vom 17. Oktober 1868 in der Fassung vom 20. November 1963 sowie des Art. III ihres Zusatzprotokolls Nr. 3 vom 17. Oktober 1979, folgendes Urteil erlassen:
Es wird Bezug genommen auf:
1. den Beschluss des Rheinschifffahrtsgerichts Mannheim vom 25. November 2017, der dem Betroffenen am 9. Dezember 2017 zugestellt worden ist;
2. die Berufung und die Berufungsbegründung des Betroffenen vom 3. Januar 2018, eingegangen bei Gericht am 5. Januar 2018;
3. den Schriftsatz der Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe vom 19. Februar 2018;
4. die Akten 51 OWI 622 Js 14526/17 BSch des Rheinschifffahrtsgerichts Mannheim.
Tatbestand:
Am 12. Januar 2017 wurde gegen 19 Uhr im Mannheimer Hafen (Rhein-km 416) auf TMS „A.“ das Gefahrgut UN-Nr. 3082 („umweltgefährdender Stoff, flüssig, n.a.g.“, hier: Heizöl schwer) von Schiff zu Land gelöscht. Nach den Feststellungen der Wasserschutzpolizei befanden sich dabei die Feuerlöschschläuche und Strahl-/Sprührohre im Ladungsbereich in den dafür vorgesehenen Aufbewahrungskästen. Die Schläuche waren nicht an die löschwasserführenden Rohrleitungskupplungen angeschlossen, die Strahl-/Sprührohre waren nicht an die Schläuche angeflanscht.
Aufgrund dieses Sachverhalts hat das Staatliche Hafenamt Mannheim gegen den Betroffenen, der verantwortlicher Schiffsführer des TMS „A.“ war, wegen Zuwiderhandlungen gegen Unterabschnitt 7.2.4.40 ADN in Verbindung mit § 33 Nr. 6 GGVSEB, § 2 HafenVO einen Bußgeldbescheid über 200 € erlassen. Der Tatvorwurf lautet dahin, dass der Betroffene entgegen Unterabschnitt 7.2.4.40 ADN die dort geforderten Feuerlöscheinrichtungen – Feuerlöschschläuche – während des Löschvorgangs nicht in Bereitschaft gehalten habe. Der Begriff „in Bereitschaft halten nach ADN 7.2.4.40“ erfordere nach den RSEB (Durchführungsrichtlinien), dass der Feuerlöschschlauch an die Wasserrohrleitung angeflanscht und an Deck ausgerollt sei und dass die Sprüh- und Strahlrohrarmatur am Feuerlöschschlauch angeflanscht sei.
Gegen diesen Bußgeldbescheid hat der Betroffene form- und fristgerecht Einspruch eingelegt. Er vertritt die Auffassung, was unter „in Bereitschaft halten“ zu verstehen sei, sei Definitionssache. Im ADN finde sich keine klare Anleitung wie in den Durchführungsrichtlinien. „In Bereitschaft halten“ bedeute nach seiner Auffassung, dass die Schläuche und Sprührohre in den dafür vorgesehenen Feuerlöschschlauchkästen griffbereit mit den dazu gehörenden Sprühlanzen und C-Schlüsseln bereit lägen. Bei 25 m Schlauchlänge nütze ein Feuerlöschschlauch am vordersten oder hintersten Anschlussstutzen nichts, wenn es bei Laderaumlängen von 80 oder 110 m in der Mitte des Schiffs brenne. Auch sei es der Einsatz- und Betriebsbereitschaft der Feuerlöschschläuche nicht förderlich, sie zwei bis drei Mal wöchentlich auszurollen und über Deck zu ziehen. Im Sommer wären die Schläuche unnötig der UV-Strahlung und bei hochtemperiertem Ladegut Temperaturen von 70 Grad und mehr, im Winter Eis und Schnee ausgesetzt. Werde ein nasser Schlauch im Winter vorschriftsmäßig verräumt, sei nicht auszuschließen, dass er sich bei einem Brand nicht ausrollen lasse, weil er auf der Trommel festgefroren sei.
Das Amtsgericht – Rheinschifffahrtsgericht – Mannheim hat mit Beschluss vom 25. November 2017 gegen den Betroffenen ein Bußgeld in Höhe von 200 € festgesetzt, weil er fahrlässig als Schiffsführer des TMS „A.“ entgegen § 33 Nr. 6 GGVSEB nicht dafür gesorgt habe, dass die Vorschriften des Teils 7 ADN für das Laden, Befördern, Löschen und sonstiges Handhaben der Ladung eingehalten werden.
Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:
„In Bereitschaft halten“ der Feuerlöscheinrichtungen im Sinne von Unterabschnitt 7.2.4.40 ADN erfordere nach den Durchführungsrichtlinien-Gefahrgut (RSEB), dass der Feuerlöschschlauch an die Wasserrohrleitung angeflanscht und auf Deck ausgerollt sei und dass die Sprüh- bzw. Strahlrohrarmatur am Feuerlöschschlauch angeflanscht sei. Es müsse möglich sein, die Löschflüssigkeit jederzeit, sofort und ohne Verzögerung durch weitere wesentliche Zwischenschritte in Betrieb zu nehmen. Dafür genüge es nicht, die Feuerlöschschläuche mit den dazu gehörenden Sprührohren und C-Schlüsseln in den vorgeschriebenen Feuerlöschschlauchkästen zu verwahren. Dem Betroffenen hätte bei gehöriger Gewissensanspannung bewusst sein müssen, dass er nicht alles dafür getan habe, um beim Ausbruch eines Feuers die Gefahr unmittelbar eindämmen zu können.
Gegen diesen Beschluss hat der Betroffene form- und fristgerecht Berufung eingelegt und erklärt, er verlange die Entscheidung der Zentralkommission.
Zur Begründung wiederholt er seine im Bußgeldverfahren dargelegte Auffassung und die dort erhobenen Einwände gegen den Bußgeldbescheid. Ergänzend gibt er zu bedenken, dass über Deck Starkstromleitungen führten. Wenn deren Isolierung bei einem Brand beschädigt würde, könne beim Löschen mit Wasser die Person, die mit dem Feuerlöschschlauch hantiere, möglicherweise einen Stromschlag erleiden. Bei jedem Brand müsse mit Bedacht entschieden werden, welches Löschmittel zum Einsatz kommen solle. Ein bereits angeschlossener Feuerlöschschlauch könne so zu einer tödlichen Fehlentscheidung führen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Betroffenen bleibt in der Sache ohne Erfolg. Das Rheinschifffahrtsgericht hat zu Recht und mit zutreffender Begründung entschieden, dass der Betroffene es fahrlässig unterlassen hat, als Schiffsführer des TMS „A.“ gemäß § 33 Nr. 6 GGVSEB dafür zu sorgen, dass die Vorschriften des Teils 7 ADN für das Laden, Befördern, Löschen und sonstiges Handhaben der Ladung eingehalten werden.
Die für das Laden, Befördern, Löschen und sonstige Handhaben der Ladung auf Tankschiffen geltende Vorschrift Unterabschnitt 7.2.4.40 ADN bestimmt:
„Während des Ladens oder Löschens müssen auf Deck im Bereich der Ladung die Feuerlöscheinrichtungen, die Feuerlöschleitung mit Wasserentnahmeanschlüssen einschließlich Anschlussstücken und Strahl-/Sprührohren oder Schlauchleitungen einschließlich Anschlussstücken und Strahl/Sprührohren in Bereitschaft gehalten werden.
Die Feuerlöschleitungen und Wasserentnahmeanschlüsse müssen vor dem Einfrieren geschützt werden.“
Was unter dem Begriff „in Bereitschaft halten“ zu verstehen ist ergibt sich aus den Richtlinien zur Durchführung der Gefahrgutverordnung Straße, Eisenbahn und Binnenschifffahrt (GGVSEB) und weiterer gefahrgutrechtlicher Verordnungen (Durchführungsrichtlinien Gefahrgut) – RSEB – in der für den Tatzeitpunkt maßgeblichen Fassung vom 1. Juni 2015 (Verkehrsblatt-Dokument Nr. B 2207 - Version 06/15). Dort ist zu Unterabschnitt 7.2.4.40 ADN in Randnummer 7-3.B geregelt:
„In Bereitschaft halten“ einer Feuerlöscheinrichtung im Sinne der Vorschrift erfordert:
a) Der Feuerlöschschlauch ist an die Wasserrohrleitung angeflanscht.
b) Der Feuerlöschschlauch muss an Deck ausgerollt sein.
c) Die Sprüh- bzw. Strahlrohrarmatur ist am Feuerlöschschlauch angeflanscht.
d) Die Stellung der Ventile obliegt der Beurteilung des Schiffsführers/Sachkundigen.
e) Das Einschalten der Feuerlöschpumpe muss jederzeit möglich sein.“
Diese Auslegung deckt sich vollinhaltlich mit der Interpretation des Begriffs „in Bereitschaft halten“ durch den ADN-Sicherheitsausschuss (Dokument ECE/TRANS/WP.15/AC.2/60/Nr. 12). Hiernach
„kann eine Feuerlöscheinrichtung als in Bereitschaft gehalten angesehen werden, wenn
a) die Schlauchleitung angeschlossen ist;
b) die Schlauchleitung an Bord des Schiffes abgewickelt ist;
c) das Strahl-/Sprührohr an die Schlauchleitung angeschlossen ist;
d) die Ventile offen oder geschlossen sind, je nach Entscheidung des Schiffsführers oder des Sachkundigen an Bord aufgrund der Wetter- und Sicherheitsbedingungen; und
e) die Steuerung der Einrichtung jederzeit aktiviert werden kann.“
Die nach den jeweiligen Buchstaben a) bis c) erforderlichen Maßnahmen hat der Betroffene bei dem Löschen der Ladung des TMS „A.“ am 12. Januar 2017 nach den Feststellungen der Wasserschutzpolizei, die er nicht in Zweifel zieht, nicht getroffen.
Der Auffassung des Betroffenen, Feuerlöschschläuche und Sprüh- bzw. Strahlrohrarmaturen seien auch dann „in Bereitschaft gehalten“, wenn sie in dafür vorgesehenen Aufbewahrungskästen griffbereit verwahrt werden, ist das Rheinschifffahrtsgericht zu Recht nicht gefolgt. Gegen sie spricht schon der Wortlaut der Vorschrift. Wie die Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe in ihrer Stellungnahme zu der Berufung des Betroffenen zu Recht hervorhebt, hätte der Verordnungsgeber, wenn er die Verwahrung in den Aufbewahrungskästen für ausreichend erachtet hätte, anstelle des Begriffs „in Bereitschaft halten“ die Begriffe „vorrätig halten“ oder „mitführen“ verwendet.
Vor allem aber steht die Auffassung des Betroffenen in deutlichem Widerspruch zu Sinn und Zweck der Vorschrift des Unterabschnitts 7.2.4.40 ADN. Das „in Bereitschaft Halten“ der Feuerlöscheinrichtungen soll einen schnellstmöglichen Einsatz der Löscheinrichtung gewährleisten, um die von einem Brand ausgehenden Gefahren und Schäden möglichst gering zu halten. Zur Erreichung dieses Zwecks müssen Feuerlöscheinrichtungen so weit vorbereitet sein, dass der Löschvorgang mit dem geringstmöglichen Zeitverlust in Gang gesetzt werden kann. Dieses Ziel wird bei weitem verfehlt, wenn im Falle eines Brandes die Feuerlöschschläuche erst aus den Aufbewahrungskästen geholt, auf Deck ausgerollt und an die Löschwasserleitung angeschlossen und die Sprüh- bzw. Strahlrohrarmaturen an die Feuerlöschschläuche angeflanscht werden müssen.
Die von dem Betroffenen vorgebrachten Argumente gegen die im Einzelnen vorgeschriebenen, zur sofortigen Brandbekämpfung erforderlichen Maßnahmen vermögen nicht zu überzeugen. Dass Feuerlöschschläuche bei vorschriftsmäßiger Handhabung negativen Einwirkungen (mechanische Abnutzung, Hitze, UV-Strahlung) ausgesetzt sein können, ist im Interesse einer möglichst effektiven Brandbekämpfung hinzunehmen. Gegen ein Festfrieren der Feuerlöschschläuche auf der Trommel hat der Schiffsführer geeignete Vorkehrungen zu treffen; das ist nicht anders, als wenn Feuerlöschschläuche nach dem Löschen eines Brandes bei Minusgraden aufbewahrt werden müssen. Dass bei Laderaumlängen von 80 bis 110 m zwei Feuerlöschschläuche von je 25 m Länge nicht ausreichen, um die gesamte Laderaumlänge abzudecken, ist kein taugliches Argument gegen die Pflicht zum Ausrollen und Anschließen der Schläuche (samt Sprüh- bzw. Strahlrohrarmaturen), sondern für deren Vorhaltung in ausreichender Zahl. Dass schließlich der Einsatz von Löschwasser bei der Gefahr von Stromschlägen lebensgefährlich sein kann, ist kein Grund, von der Vorbereitung eines möglicherweise erforderlichen Löschwassereinsatzes nach den dafür bestehenden Vorschriften von vornherein abzusehen.
In Übereinstimmung mit dem Rheinschifffahrtsgericht hält die Berufungskammer das Verhalten des Betroffenen für fahrlässig und das gegen ihn festgesetzte Bußgeld von 200 € für tat- und schuldangemessen.
Aus den dargelegten Gründen wird für Recht erkannt:
Die Berufung des Betroffenen gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Rheinschifffahrtsgerichts – Mannheim vom 25. November 2017 – 51 OWi 622 Js 14526/17 BSch – wird zurückgewiesen.
Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei. Die notwendigen Auslagen fallen dem Betroffenen zur Last.
Ebenfalls abrufbar unter ZfB 2019 - Nr.8 (Sammlung Seite 2619 f.); ZfB 2019, 2619 f.