Jurisprudentiedatabank
Leitsatz:
Wird im Rheinstromgebiet ein Bußgeldbescheid von der Bußgeldbehörde erst ein Jahr nach Eingang der Ordnungswidrigkeitenanzeige erlassen, entspricht dies nicht dem Ziel des Art. 36 MA, wonach ein möglichst beschleunigtes Verfahren geboten ist. Der späte Erlass eines Bußgeldbescheids kann sich bei der Bemessung der Höhe der Geldbuße für den Betroffenen günstig auswirken.
Urteil des Amtsgerichts Mannheim - Rheinschiffahrtsgericht
vom 19.11.1999
Aus den Gründen:
17.02.1999 ein Bußgeldbescheid, in dem ihm zur Last gelegt wird, am „Gegen den Betroffenen erging am 30.01.1998 als verantwortlicher Führer eines Schubverbandes entgegen § 6 Abs. 2 BSchAufgG den mit der Überwachung betrauten Personen die Vornahme einer Überprüfung nicht gestattet, Auskünfte nicht erteilt und Unterlagen nicht vorgelegt zu haben. Gegen den am 08.03.1999 zugestellten Bußgeldbescheid hat der Betroffene form- und fristgerecht Einspruch eingelegt. Der unter der Führung des Betroffenen stehende Schubverband befand sich am 30.01.1998 auf dem Rhein mit dem Fahrtziel Stadthafen Karlsruhe. Als sich das Fahrzeug gegen 18.00 Uhr auf der Bergfahrt bei Stromkilometer 362,4 befand, (ca. 2,4 km unterhalb der Einfahrt zum Stadthafen), wurde der Verband von einem Streifenboot der Wasserschutzpolizei angelaufen, um eine Bordkontrolle durchzuführen. Es war dunkel und etwas diesig. Die Sichtweite betrug ca. 1.000 - 1.500 m Als die Polizeibeamten das Steuerhaus betraten, eröffnete der Betroffene den Polizeibeamten, dass er wegen der anstehenden Einfahrt in den Stadthafen Karlsruhe zu einer Bordkontrolle, zur Vorlage der entsprechenden, in § 1.10 Rheinschifffahrtspolizeiverordnung angeführten Urkunden, wie Bordbuch, Schiffsattest, Rheinpatent u. a., zum Zwecke der Einsichtnahme nicht bereit sei. Nach Hinweis durch die Polizeibeamten auf die bestehende Verpflichtung und dass die Verweigerung der Vorlage der Urkunden den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit erfülle, setzte nachfolgend - höflich umschrieben - eine Erörterung des Problems ein, wobei vom Betroffenen, unterstützt von seinem Vater, dem weiteren Schiffsführer, und seiner Mutter, der Steuerfrau, der vorzeitige Standpunkt hierzu lautstark und heftig vorgetragen wurde. Die zur Bordkontrolle benötigten Urkunden wurden nicht zur Einsichtnahme vorgelegt. Erst nach dem Eintreffen des Fahrzeuges im Stadthafen Karlsruhe, etwa 40 Minuten nach dem ersten Verlangen auf Vorlage, wurden diese zur Einsichtnahme bereitgelegt. Von einer Überprüfung der Urkunden wurde zu diesem Zeitpunkt von den Polizeibeamten abgesehen, die sich darauf beschränkten, die Personalien des Betroffenen anhand des zuvor schon geforderten, aber erst im Stadthafen vorgelegten amtlichen Lichtbildausweises aufzunehmen.... Der Betroffene hat somit in Kenntnis, dass er zur Vorlage der entsprechenden Urkunden zum Zwecke einer Bordkontrolle verpflichtet ist, vorsätzlich handelnd die zur Durchführung der Kontrolle erforderlichen Unterlagen, die in § 1.10 RheinSchPVO angeführten Urkunden, den Polizeibeamten nicht vorgelegt. Soweit der Betroffene vorbringt, sein Verhalten wäre in der derzeitigen Situation, Fahrt bei Dunkelheit mit Radar, weiterem Schiffsverkehr und anstehender Einfahrt in den Karlsruher Stadthafen gerechtfertigt gewesen, so ist dies nicht nachvollziehbar. Denn dem Betroffenen wäre es, als er zur Vorlage der Urkunden zum Zwecke der Bordkontrolle aufgefordert wurde, unschwer ohne Beeinträchtigung für die Sicherheit des von ihm geführten Verbandes möglich gewesen, die diesbezüglichen Unterlagen, die Urkunden, zur Einsichtnahme vorzulegen, als dies mehr als 2 km unterhalb der Einfahrt zum Karlsruhe Stadthafen verlangt wurde. Dies hätte unschwer dadurch geschehen können, dass er seine im Steuerhaus anwesenden Eltern zur Herausgabe der Urkunden an die Polizeibeamten veranlasst, oder sich kurzfristig durch seinen Vater bei der Ruderführung vertreten lässt, um die Urkunden persönlich den Polizeibeamten auszuhändigen. Der Betroffene hat somit gegen die nach § 6 Abs. 2 BSchAufgG obliegende Verpflichtung zur Vorlage der Unterlagen, die sich hinsichtlich der Urkunden auch aus § 1.10 Rheinschiffahrtspolizeiverordnung ergibt, vorsätzlich verstoßen, was nach § 7 Abs. 2 Nr. BSchAufgG als Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße zu ahnden war. Unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles erachtet das Gericht eine Geldbuße in Höhe von DM 100,00 als tat- und schuldangemessen. Hierbei hat das Gericht die Gesamtsituation angemessen berücksichtigt, insbesondere, dass die zur Bordkontrolle verlangten Papiere, wenn auch mit erheblicher Verzögerung, im Stadthafen Karlsruhe den immer noch an Bord befindlichen Polizeibeamten zur Einsichtnahme zur Verfügung gestellt wurden, die jedoch hieran kein Interesse mehr zeigten. Hinzu kommt, dass der Bußgeldbescheid von der Bußgeldbehörde überhaupt erst ein Jahr nach Eingang der Ordnungswidrigkeitenanzeige erlassen wurde, was nicht unbedingt dem Ziel des Artikels 36 Mannheimer Akte (ein möglichst beschleunigte Verfahren) entspricht...."
Ebenfalls abrufbar unter ZfB 2000 - Nr. 2 (Sammlung Seite 1773 f.); ZfB 2000, 1773 f.