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504 Z - 7/15 - Berufungskammer der Zentralkommission (Berufungsinstanz Rheinschiffahrt)
Datum uitspraak: 07.12.2015
Kenmerk: 504 Z - 7/15
Beslissing: Urteil
Language: Duits
Rechtbank: Berufungskammer der Zentralkommission Straßburg
Afdeling: Berufungsinstanz Rheinschiffahrt

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt Schadensersatz wegen einer Schiffskollision zwischen dem Tankmotorschiff „S. T.“ und dem Küstenmotorschiff „RMS T.“, die sich am 19. Februar 2011 auf dem Rhein bei Rhein-km 785 in Höhe der Baerler Brücke ereignet hat.

Die Klägerin ist der innerhalb eines Konsortiums von Schiffsversicherern führende Versicherer des TMS „S. T.“. Sie regulierte den Schaden der Eignerin. Diese sowie der Ausrüster und die übrigen Schiffsversicherer haben die Ersatzansprüche, die sie aus dem Schiffsunfall herleiten, an die Klägerin abgetreten.

Die Beklagte zu 1 war Ausrüster und ist inzwischen Eigentümerin des KMS „RMS T.“, der Beklagte zu 2 war zur Unfallzeit Schiffsführer mit Rheinpatent, der Beklagte zu 3 verantwortlicher Kapitän ohne Streckenpatent und die Beklagte zu 4 Zeitcharterer des KMS „RMS T.“.

TMS „S. T.“ hat eine Länge von 109,90 m, eine Breite von 11,40 m und eine Tragfähigkeit von 3.425 t. Es ist ausgerüstet mit einer Hauptmaschine mit 2.070 PS und einem Bugstrahlruder. Es befand sich beladen mit 1742 t Essigsäure auf der Fahrt von Antwerpen nach Frankfurt.

KMS „RMS T.“ ist 88 m lang, 11,41 m breit und hat eine Tragfähigkeit von 2.600 t. Es ist ausgerüstet mit einer Hauptmaschine mit 1.680 PS und einem Bugstrahlruder. Zur Unfallzeit befand es sich beladen mit 965 t Aluminium-Coils auf der Fahrt von Dormagen-Stürzelberg nach Goole/England.

Am 19. Februar 2011 gegen 18.00 Uhr befuhr KMS „RMS T.“ den Rhein in der Ortslage Duisburg mit ca. 18 km/h zu Tal. Entgegen kam linksrheinisch mit etwa 10 km/h in der Bergfahrt das von Schiffsführer van Zundert geführte TMS „S. T.“. Als sich die Fahrzeuge auf weniger als 300 m genähert hatten, fuhr KMS „RMS T.“ nach Backbord in den Kurs der Bergfahrt. Schiffsführer van Zundert machte sofort über UKW-Kanal 10 auf den Kollisionskurs aufmerksam und leitete ein „voll-zurück-Manöver“ ein. Der Beklagte zu 2 antwortete, dass ein Ruder-Totalausfall eingetreten sei.

Es kam zur Kollision der Schiffe. KMS „RMS T.“ stieß mit dem Bug gegen die Backbordseite des TMS „S. T.“ in Höhe von Tank 4, drückte es in das linke Ufer und verursachte erhebliche Schäden, die die Klägerin auf insgesamt 260.498,61 € beziffert.

Die Klägerin nimmt die Beklagten zu 1 und zu 4 als Eigner beziehungsweise Ausrüster, den Beklagten zu 2 als verantwortlichen Schiffsführer und den Beklagten zu 3 als ständigen Kapitän des KMS „RMS T.“ gesamtschuldnerisch auf Schadensersatz in Anspruch.

Sie hat vorgetragen:

Der Beklagte zu 2 sei als zum Zeitpunkt der Kollision verantwortlicher Schiffsführer nach §§ 7 und 8 BinSchG auch für den fahrtüchtigen Zustand und die fehlerfreie Bedienung des KMS „RMS T.“ verantwortlich gewesen. Er habe den Verstoß gegen § 9.04 RheinSchPV, wonach bei der für diesen Streckenabschnitt vorgeschriebenen geregelten Begegnung der Talfahrer seinen Kurs nicht so weit nach Backbord richten dürfe, dass eine Begegnung mit der Bergfahrt Backbord an Backbord nicht gefahrlos möglich sei, zu verantworten. Dasselbe gelte nach § 6.03 RheinSchPV für die vorgenommene, die Gefahr eines Zusammenstoßes herbeiführende Kursänderung des Talfahrers.

Der Beklagte zu 3 sei als ständiger Kapitän des KMS „RMS T.“ dafür verantwortlich, dass sich das Schiff in fahrfähigem Zustand befunden habe, gehörig eingerichtet und ausgerüstet gewesen sei und dass bei der Bedienung vor der Havarie keine zum Ausfall der Ruderanlage führenden Fehler gemacht worden seien.

Die Beklagten zu 1 und zu 4 hafteten ihr als Eigner beziehungsweise Ausrüster nach §§ 92b, 2 BinSchG für ein Verschulden der Besatzung des KMS „RMS T.“.

Bei einem Ruderversager spreche der Beweis des ersten Anscheins für mangelnde Wartung. An den den Beklagten obliegenden Entlastungsbeweis seien besonders strenge Anforderungen zu stellen, weil die Beklagten eine kontradiktorische Schadensfeststellung nicht gewünscht hätten.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 260.498,61 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 257.811,01 € seit 28. April 2011 und aus 2.687,60 € seit 20. April 2013 zu zahlen.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie haben vorgetragen:

Die zur Kollision führende Kursänderung des KMS „RMS T.“ nach Backbord sei dadurch verursacht worden, dass während der Fahrt mit Autopilotsteuerung auf einem Steuerbordkurs das Ruder auf 40 Grad Backbord blockiert habe. Weder mit der sofort aktivierten Handsteuerung noch mit der sodann eingeschalteten Notsteuerung habe sich die Ruderposition verändern lassen. Die neben dem Steuermann und Ersten Offizier D. im Steuerhaus anwesenden Beklagten zu 2 und zu 3 hätten die Maschine auf „vollan zurück“ gestellt und das Bugstrahlruder eingeschaltet. Als Ursache des Blockierens der Ruderanlage habe sich bei Untersuchungen nach der Kollision ein Defekt des Lasthalte-Senkbremsventils der Ruderanlage herausgestellt. Das Blockieren des Ruders sei in der Vergangenheit nie aufgetreten und für die Besatzung des KMS „RMS T.“ nicht vorhersehbar gewesen.

In dem Verklarungsverfahren 25 II 2/11 BSch des Schifffahrtsgerichts Duisburg-Ruhrort ist Beweis erhoben worden durch Einholung eines Gutachtens des Sachverständigen Dipl. Ing. N. sowie durch Vernehmung von Zeugen. Diese Beweisergebnisse hat das Rheinschifffahrtsgericht zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht und weitere Zeugen vernommen. Mit Urteil vom 30. April 2014 hat es die Klage abgewiesen und dies im Wesentlichen wie folgt begründet:

Die Klägerin habe gegen die Beklagten keine Ansprüche aus § 823 Abs. 1 BGB oder §§ 3, 92 ff. BinSchG. Die Beklagten hätten den nach dem unstreitigen Geschehen gegen sie sprechenden Anscheinsbeweis, dass die Kollision auf einem schuldhaften Fahrverhalten beruhe, widerlegt. Der Unfall beruhe auf einem Zufall im Sinne des § 92a BinSchG.

Die Beklagten zu 1 und zu 4 hätten nicht fahrlässig gegen ihre Verkehrssicherungspflicht verstoßen und KMS „RMS T.“ mit einer untauglichen Ruderanlage auf die Reise geschickt. Das unfallursächliche Lasthalte-Senkbremsventil sei ein typisches Bauteil, wie es in Schiffsruderanlagen Verwendung finde. Nach den Feststellungen des Sachverständigen N. habe der Ventilblock im Hinblick auf Einbau und Funktionsweise keine Besonderheiten aufgewiesen. Das Ventil sei wartungsfrei und nicht störanfällig; es gebe dafür kein Austauschintervall, so dass die Beklagten zu 1 und zu 4 nicht verpflichtet gewesen seien, das Ventil vorsorglich nach einer bestimmten Betriebszeit auszutauschen. Es spreche alles dafür, dass die von dem Sachverständigen festgestellten Fressspuren, die zu der Blockierung geführt hätten, sich über einen längeren Zeitraum entwickelt hätten. Hieraus könne aber nicht gefolgert werden, dass das Phänomen der Ruderblockade bereits zuvor aufgetreten und den Beklagten zu 1 und zu 4 bekannt gewesen sein müsse. Der Sachverständige habe lediglich festgehalten, dass es in Folge wärmebedingter Materialausdehnung der Steuerkolben in den noch kühleren Gehäusen wegen der geringen Toleranzen leicht zum Fressen der Bauteile und damit zu (wiederkehrenden) Funktionsausfällen komme. Er habe aber naturgemäß aus dem vorgefundenen Zustand des Ventilblocks nicht erschließen können, ob es zuvor bereits Blockaden gegeben habe. Bei der vorangegangenen kleinen Klasse und der jährlichen Überprüfung durch den Surveyor sei eine Ruderblockade nicht festgestellt worden.

Die Beklagten zu 2 und zu 3 hätten nicht fahrlässig gegen Wartungs- und Prüfpflichten verstoßen. Nach den von dem Sachverständigen N. überprüften Unterlagen seien alle vorgeschriebenen Prüf- und Wartungsarbeiten ausgeführt worden. Selbst wenn in einzelnen Fällen Wartungsintervalle überschritten worden sein sollten, hätte dies keine Auswirkungen auf die Funktion des Lasthalte-Senkbremsventils gehabt, weil dieses wartungsfrei sei und keine Schmierpunkte aufweise.

Die Beklagten zu 2 und zu 3 hätten vor dem Ausfall der Ruderanlage keinen vorwerfbaren nautischen Fehler begangen. Vor Beginn der Reise in Stürzelberg hätten sie nach ihren informatorisch gewürdigten Angaben auch das Funktionieren der Ruderanlage überprüft. Blockiert habe das Ruder nach den Aussagen der unbeteiligten Zeugen P., S. und O. jeweils erst nach mehrmaliger Hartruderlage; mehrfach Hartruder zu legen sei zur ordnungsgemäßen Überprüfung der Ruderanlage nicht erforderlich gewesen. Es sei auch nicht zu beanstanden, dass die Beklagten zu 2 und zu 3 bei der Fahrt auf dem Rhein beide Hydraulikpumpen der Ruderanlage in Betrieb genommen hätten, wodurch sich die Temperatur des Hydrauliköls erhöht habe. Im Revier sei es nautisch üblich, beide Pumpen einzuschalten, um ein zügigeres Drehvermögen des Schiffs zu erreichen.

Nach dem Ausfall der Ruderanlage hätten die Beklagten zu 2 und zu 3 alles nautisch Gebotene getan, um die Havarie abzuwenden oder deren Schwere so gering wie möglich zu halten. Das folge aus den glaubhaften Bekundungen des Zeugen D. im Verklarungsverfahren. Der Zeuge habe bei seiner Vernehmung im Dezember 2011 das auch für ihn außergewöhnliche Geschehen noch gut in Erinnerung gehabt und es lebensnah und detailreich geschildert. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass er sein eigenes Verhalten oder das der Beklagten zu 2 und zu 3 entgegen der Wahrheitspflicht unvollständig oder falsch wiedergegeben hätte. Seine Bekundungen stimmten mit den informatorisch einbezogenen Aussagen der Beklagten zu 2 und zu 3 in vielen Details und den Kernpunkten überein.

Die Steuerung des Schiffs auf dem Rhein mit Autopilot entspreche üblichen nautischen Gepflogenheiten. Als die Ruderanlage auf den Versuch des Zeugen D., etwas nach Steuerbord zu lenken, nicht reagiert habe, hätten die Beklagten zu 2 und zu 3 alle in einem solchen Notfall gebotenen Möglichkeiten, die Kollision mit dem Bergfahrer TMS „S. T.“ zu vermeiden, ausgeschöpft. Weder die Handsteuerung noch die Emergency-Steuerung hätten angesprochen. Dies decke sich mit den von den Zeugen P. und S. bei der Simulation des Fehlers nach der Havarie getroffenen Feststellungen. Dass der Zeuge D. das Ruder selbst auf 40 Grad Backbord gelegt und dadurch die Ruderblockade ausgelöst habe, sei unwahrscheinlich. In der gegebenen Situation habe kein Backbordkurs, sondern ein leichter Steuerbordkurs angelegen. Davon abgesehen hätte der Zeuge auch nicht vorhersehen können, dass ein solches Manöver zu einer Blockade der Steuerung führen würde. Dass das Ruder auf 40 Grad Backbord blockiert habe, könne lediglich mit den selbständigen Ruderbewegungen in der Autopilot-Steuerung erklärt werden. Die Beklagten zu 2 und zu 3 hätten im Zusammenwirken noch versucht, die nicht mehr vermeidbare Kollision in ihren Folgen zu mildern, indem sie „voll zurück“ gemacht und das Bugstrahlruder eingesetzt hätten. Auch der in dieser Notsituation erforderliche Funkkontakt sei gehalten worden.

Der Sachverständige habe letztlich nicht klären können, weshalb es bei dem in KMS „RMS T.“ verbauten Lasthalte-Senkbremsventil zu den festgestellten Beschädigungen gekommen sei. Das Risiko einer Überhitzung des Hydrauliköls mit der Gefahr einer Ruderblockade könne offenbar bei dem nautisch nicht zu beanstandenden Doppelbetrieb der Ruderpumpen immer auftreten. Die Folgen könnten nicht den Beklagten angelastet werden.

Gegen dieses ihr am 8. Mai 2014 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit dem Antrag auf Entscheidung durch die Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt form- und fristgerecht Berufung eingelegt und ihr Rechtsmittel form- und fristgerecht begründet.

Die Klägerin wendet sich unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens gegen die Tatsachenfeststellungen und die Beweiswürdigung des Rheinschifffahrtsgerichts und macht dazu im Wesentlichen geltend:

Das Rheinschifffahrtsgericht habe es versäumt, sich mit dem Umstand auseinanderzusetzen, dass es geübtem und anerkanntem Schifffahrtsbrauch entspreche, die Schadensursachen und Schadensfolgen eines Unfalls oder eines sonstigen zum Schadensersatz verpflichtenden Umstandes durch Experten gemeinsam feststellen zu lassen. Dabei müsse die beweisbelastete Partei für rechtzeitige Beweissicherung sorgen; finde eine gemeinsame Besichtigung nicht oder verzögert statt, gingen Zweifel zu ihren Lasten. Eine kontradiktorische Schadensfeststellung hätten die Beklagten nicht gewünscht, die Interessenten des TMS „S. T.“ vielmehr bewusst von der Teilnahme an der Ursachenermittlung ausgeschlossen und sich erst Wochen nach dem Unfall auf fehlendes Verschulden wegen eines Ruderversagers berufen, als eine gemeinsame Feststellung der Ursachen des angeblichen Ruderausfalls nicht mehr möglich gewesen sei. Das insgesamt bestrittene Beklagtenvorbringen unterliege daher besonders strengen Anforderungen. Von gesteigerten Anforderungen an die Beweisführung finde man in den Entscheidungsgründen nichts; das Rheinschifffahrtsgericht setze sich vielmehr unkritisch mit dem Beklagtenvorbringen und dem Ergebnis der Beweisaufnahme auseinander und übersehe zudem, dass das gesamte Entlastungsvorbringen der Beklagten von der Klägerin bestritten worden sei. Die Klägerin habe das Vorbringen der Beklagten zur Entstehung des Unfalls und zur Suche nach der Schadensursache insgesamt in zulässiger Weise mit Nichtwissen bestritten. Das Rheinschifffahrtsgericht habe dieses Bestreiten prozessrechtswidrig als „lediglich pauschal“ und damit unwirksam angesehen und einen entsprechenden Tatbestandsberichtigungsantrag zu Unrecht zurückgewiesen.

Die Klägerin habe wiederholt bestritten, dass der Unfall auf dem ausgebauten Lasthalte-Senkbremsventil beruhe, weil nach der Beschreibung der Zeugen P. und S. sowie des Sachverständigen N. das Ruder erst mehrmals hart von Anschlag zu Anschlag (etwa 40°) habe gelenkt werden müssen, bevor es in dieser Stellung „blockiert“ habe. Die Unfallschilderung der Schiffsbesatzung passe mit diesen Feststellungen der Techniker nicht zusammen und könne nicht richtig sein, da das Ruder nicht von selbst aus einer neutralen Stellung in eine Stellung von etwa 40° Backbord auslaufe und dort blockiere; den diesbezüglichen Beweisantritt (Anhörung des Sachverständigen N., Sachverständigengutachten) habe das Rheinschifffahrtsgericht übergangen. Dass das Blockieren des Ruders in einer 40°-Backbordstellung lediglich mit den selbsttätigen Ruderbewegungen in der Autopilot-Steuerung erklärt werden könne, sei nicht vorgetragen worden und aus technischer Sicht absolut falsch.

Sowohl die Angabe des Sachverständigen N., bei dem vorgefundenen Schadensbild der Ventile könne es zu wiederkehrenden Funktionsausfällen der Ruderanlage kommen, als auch das Vorhandensein mehrerer Ventilblöcke mit der Zuordnung „RMS T.“ in der Werkstatt der Firma F&S Schiffstechnik stünden der Behauptung der Beklagten entgegen, mit der Ruderanlage habe es vor der Havarie nie Probleme gegeben. Zweifelhaft sei, ob dem Sachverständigen der richtige, angeblich zunächst verwechselte Ventilblock zur Untersuchung übergeben worden sei. Die dazu gemachten Zeugenaussagen seien nicht überzeugend. Durch die nicht glaubhaften Zeugenaussagen der Besatzungsmitglieder R., D. und I. des KMS „RMS T.“ könne nicht bewiesen werden, dass die Ruderanlage von KMS „RMS T.“ regelmäßig gewartet und überprüft worden sei und ordnungsgemäß funktioniert habe.

Da schon geringe Zweifel zu Lasten der beweisbelasteten Partei gingen, führe die Würdigung aller erhobenen Beweise zu dem Ergebnis, dass nicht sicher festgestellt werden könne, dass der Unfall auf das Lasthalte-Senkbremsventil zurückgeführt werden könne oder die Unfallschilderung der Schiffsbesatzung zutreffe; die Beklagten hätten daher die gegen sie sprechende tatsächliche Vermutung eines Verschuldens nicht erschüttert.

Die Klägerin beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und nach ihrem erstinstanzlichen Klageantrag zu erkennen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Sie wiederholen und vertiefen ihr erstinstanzliches Vorbringen und treten dem Berufungsvorbringen der Klägerin im Wesentlichen wie folgt entgegen:

Der von der Klägerin reklamierte Schifffahrtsbrauch beziehe sich entgegen ihrer Behauptung nur auf die Schadensfolgen, nicht jedoch auf die Schadensursache eines Unfalls oder eines sonstigen zum Schadensersatz verpflichtenden Umstands. Die Untersuchungen zur Schadensursache an Bord des KMS „RMS T.“ seien zudem stets offen und nachvollziehbar unter ständiger Beobachtung der ermittelnden Beamten der Wasserschutzpolizei geführt worden. Die einzelnen Untersuchungsmaßnahmen seien in erster Instanz umfassend dargelegt, von der Klägerin aber nur unsubstantiiert und daher unwirksam bestritten worden. Die Zweifel der Klägerin am Ergebnis der Beweisaufnahme seien unbegründet.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Rheinschifffahrtsgericht. Das Rheinschifffahrtsgericht ist verfahrensfehlerhaft zu dem das Urteil tragenden Ergebnis gelangt, dass die Beklagten den gegen sie sprechenden Anschein, dass die Kollision auf einem schuldhaften Fehlverhalten beruhe, widerlegt hätten. Nach derzeitigem Verfahrensstand kann daher eine Haftung der Beklagten für den durch die Schiffskollision entstandenen Schaden gemäß § 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB in Verbindung mit §§ 6.03, 9.04 RheinSchPV, §§ 3, 92b ff. BinSchG nicht ausgeschlossen werden.

I. 

Nicht zu beanstanden ist allerdings, dass das Rheinschifffahrtsgericht in Würdigung der Aussagen auch der im Verklarungsverfahren vernommenen Zeugen, des dort eingeholten Sachverständigengutachtens und der informatorisch verwerteten Angaben der Beklagten zu 2 und zu 3 zu der Überzeugung gelangt ist, dass bei der Annäherung an die Unfallstelle die Ruderanlage des KMS „RMS T.“ bei einer Ruderposition von etwa 40° blockierte und dass dafür die von dem Zeugen S. und dem Sachverständigen N. beschriebene Fehlfunktion des Lasthalte-Senkbremsventils ursächlich war. Die von der Klägerin gehegten Zweifel an dieser Kollisionsursache teilt die Berufungskammer nicht. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob der Auffassung der Klägerin zu folgen ist, die Beklagten müssten selbst bei geringsten Zweifeln als beweisfällig angesehen werden, weil sie sich einer gemeinsamen kontradiktorischen Feststellung der Schadensursachen an Bord des KMS „RMS T.“ widersetzt und die Interessenten des TMS „S. T.“ bewusst von der Teilnahme an der Schadensermittlung ausgeschlossen hätten.

Entgegen der Behauptung der Klägerin ist das vom Rheinschifffahrtsgericht als erwiesen angesehene Blockieren der Ruderanlage in einer Position von etwa 40° Backbord nicht erst nach einer Suche „ohne die kritischen Blicke eines vom Geschädigten entsandten Sachverständigen“ als angebliche Kollisionsursache präsentiert worden. Ausweislich des Einsatzberichts der Wasserschutzpolizeiwache Duisburg vom 20. Februar 2011 (Anlage 5 zum Sachverständigengutachten N., Bl. 178 ff. der Verklarungsakte) haben die Beklagten zu 2 und zu 3 sowie der Zeuge D. unmittelbar nach dem Unfall noch am Unfalltag gegenüber den Beamten der Wasserschutzpolizei den Unfallhergang in allen Einzelheiten genau so geschildert, wie er vom Rheinschifffahrtsgericht der Entscheidung zugrunde gelegt worden ist.

Auch die von der Klägerin aufrechterhaltenen Zweifel an der Identität des Lasthalte-Senkbremsventils, das dem Sachverständigen N. zur Begutachtung vorlag, mit dem auf KMS „RMS T.“ nach der Havarie ausgebauten Ventilblock sind unbegründet. Die Zeugen S. und K. haben die Darstellung der Beklagten glaubhaft bestätigt, dass das dem Gutachter zunächst überlassene Ventil versehentlich mit dem tatsächlich aus KMS „RMS T.“ ausgebauten Bauteil verwechselt worden war und sodann gegen letzteres ausgetauscht worden ist. Damit ist auch der Mutmaßung der Klägerin der Boden entzogen, in der Werkstatt der Firma F&S Schiffstechnik seien mehrere dem KMS „RMS T.“ zugeordnete defekte Lasthalte-Senkbremsventile vorhanden gewesen, was darauf schließen lasse, dass KMS „RMS T.“ schon zuvor wiederholt Probleme mit der Ruderanlage und speziell mit dem Lasthalte-Senkbremsventil gehabt habe. Ergänzend ist lediglich anzumerken, dass den Angaben des Sachverständigen N., in Folge der wärmebedingten Materialausdehnung der Steuerkolben in den noch kühleren Gehäusen komme es leicht zu wiederkehrenden Funktionsausfällen der Ventile, nicht zu entnehmen ist, dass solche Ausfälle auch bereits vor der streitgegenständlichen Havarie aufgetreten waren.

Nicht zu beanstanden ist schließlich, dass das Rheinschifffahrtsgericht in Würdigung der Zeugenaussagen der Besatzungsmitglieder R., D. und I. des KMS „RMS T.“ die Überzeugung gewonnen hat, dass das Schiff vorschriftsmäßig überprüft und gewartet wurde und dass selbst eine Überschreitung von Wartungsintervallen der Ruderanlage sich nicht auf die schadensursächliche Fehlfunktion des Lasthalte-Senkbremsventils ausgewirkt haben kann, weil dieses Teil wartungsfrei ist und jedenfalls bis Februar 2011 auch nicht erneuert werden musste.

II.

Ungeklärt geblieben ist in der ersten Instanz dagegen, wie es dazu kommen konnte, dass bei der Fahrt mit Autopilot auf leichtem Steuerbordkurs das Ruder von selbst in eine Position von 40° Backbord ausgelaufen sein soll, bevor es dort blockierte.

Wie das Rheinschifffahrtsgericht zutreffend erkannt hat, obliegt es den Beklagten, den gegen sie sprechenden Beweis des ersten Anscheins für ein schuldhaftes nautisches Fehlverhalten (vgl. Urteil der Berufungskammer vom 22. November 2000 – 402 Z) auszuräumen. Dazu müssen sie beweisen, dass der Unfall auf einem atypischen Geschehensablauf beruhen kann (Urteil der Berufungskammer vom 25. April 1997 – 355 Z). Dieser Beweis ist bislang nicht lückenlos geführt. Denn es ist ungeklärt, aufgrund welcher Umstände das Ruder des KMS „RMS T.“ in die 40°-Backbordstellung gelangte, in der es sodann blockierte. Dass das Ruder in dieser Stellung blockierte, kann nach Auffassung des Rheinschifffahrtsgerichts nur mit „den selbständigen Ruderbewegungen in der Autopilot-Steuerung“ erklärt werden. Diese Vermutung ist nicht geeignet, die Beklagten zu entlasten. Ob die selbständigen Ruderbewegungen in der Autopilot-Steuerung auf Steuerbordkurs das Ruder bei der Talfahrt im Bereich der Unfallstelle bis zu einer 40°-Backbordposition verstellen (können), ist eine Frage, die verlässlich nur von einem dafür qualifizierten Sachverständigen beantwortet werden kann. Dass das Rheinschifffahrtsgericht über das dazu erforderliche technische und nautische Fachwissen verfügt, ist nicht ersichtlich; eine ausreichende eigene Sachkunde hätte das Rheinschifffahrtsgericht zudem – nach einem entsprechenden Hinweis an die Parteien – in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils darlegen müssen (BGH, Urteil vom 23. November 2007 – III ZR 65/06, NJW-RR 2007, 357). Davon abgesehen hat die Klägerin in dem nachgelassenen Schriftsatz vom 2. April 2014 Sachverständigenbeweis dafür angetreten, dass das Ruder nicht von selbst aus einer neutralen Position in eine Stellung von 40° - 45° Backbord ausläuft. Diesen Gegenbeweisantritt durfte das Rheinschifffahrtsgericht nicht mit der ungesicherten Annahme übergehen, diese Ruderstellung könne nur mit den selbständigen Ruderbewegungen in der Autopilot-Steuerung erklärt werden. Eine dahin gehende Überzeugung hätte das Rheinschifffahrtsgericht vielmehr nur nach Erhebung des angetretenen Sachverständigenbeweises unter Einbeziehung des Ergebnisses dieser Beweisaufnahme verfahrensfehlerfrei gewinnen können.

Die Entscheidung des Rheinschifffahrtsgerichts beruht auf dem ihm unterlaufenen Verfahrensfehler, denn es ist nicht auszuschließen, dass das Gericht zu einem abweichenden, der Klägerin günstigeren Ergebnis seiner Beweiswürdigung gelangt wäre, wenn es den gebotenen sachverständigen Rat in Anspruch genommen und den von der Klägerin angetretenen Gegenbeweis erhoben hätte. Das angefochtene Urteil kann daher keinen Bestand haben und ist aufzuheben. Die Berufungskammer macht von der Möglichkeit Gebrauch, die Sache zu neuer Entscheidung an das Gericht der ersten Instanz zurückzuverweisen (Artikel 24 Absatz 3 der Verfahrensordnung).

 III.

Für das weitere Verfahren des Rheinschifffahrtsgerichts weist die Kammer darauf hin, dass sich aus der Aussage des im Verklarungsverfahren vernommenen Zeugen S. – des Schiffshydraulikers, der die Ruderhydraulik des KMS „RMS T.“ nach der Havarie untersucht hat – Anhaltspunkte für eine vom Rheinschifffahrtsgericht bisher nicht in seine Beweiswürdigung einbezogene mögliche Erklärung für die Verstellung des Ruders in die Backbord-Endstellung ergeben können. Der Zeuge hat zur Erläuterung einer von ihm während seiner Vernehmung gefertigten Skizze (Bl. 84 der Verklarungsakte) unter anderem ausgeführt (Bl. 79 der Verklarungsakte):

„Normalerweise wird durch die Hydraulikzylinder das Ruderblatt in der Position gehalten. Durch die Fehlfunktion des Blockes war es möglich, dass das Öl zurück in die andere Kammer floss und dadurch der Druck nicht aufrechterhalten werden konnte. Auf diese Weise wird es möglich gewesen sein, dass durch die Anströmung der Ruderblätter diese sich in eine Richtung bewegten, die nicht gewünscht war. Dies kann sogar bis zum Anschlag des Ruderblatts erfolgen.“

IV.

Aus den dargelegten Gründen wird daher für Recht erkannt:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts – Rheinschifffahrtsgerichts – Duisburg-Ruhrort vom 30. April 2014 – 5 C 6/13 BSch – aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Entscheidung, auch über die Kosten des Berufungsverfahrens, an das Rheinschifffahrtsgericht zurückverwiesen.

Die Gerichtskanzlerin:                                                                                  Der Vorsitzende: