Jurisprudentiedatabank
Leitsatz:
Bestrafung eines unter starkem Alkoholeinfluß stehenden Schiffsführers eines Motorsportboot
Urteil des Oberlandesgerichts - Schiffahrtsobergericht in Hamm
vom 11. Oktober 1982
5 Ns 1/82 BSch
(Schiffahrtsgericht Dortmund)
Zum Sachverhalt:
Dem wegen fahrlässiger Trunkenheit im Straßenverkehr bereits zweimal vorbestraften Angeklagten wird vorgeworfen, am Abend des 5. September 1981 im Stadthafen von Hamm mit seinem als Motorkreuzer bezeichneten Motorsportboot K (12 m lang, 4,20 m breit, 13 t, 126 PS) trotz alkoholisierten Zustandes eine Fahrt auf dem Datteln-Hamm-Kanal nach Datteln angetreten zu haben. Westlich der Ostenhellwegbrücke in Rünthe (km 23) lief das Schiff aus dem Ruder und stieß mit dem Vorschiff fast senkrecht gegen die Spundwand des südlichen Ufers, wobei das Schiff durch ein 1 qm großes Leck über der Wasserlinie schwer beschädigt wurde. Infolge Verlustes des Ruderblattes gelang es dem Angeklagten trotz längerer Versuche nicht, allein mit der Motorkraft an einem der Ufer anzulegen. Erst mit Hilfe der Polizei und Feuerwehr wurde das Schiff festgemacht. Eine dem Angeklagten kurz danach entnommene Blutprobe ergab einen Blutalkoholgehalt von 2,23 0/00.
Das Schiffahrtsgericht hat den Angeklagten wegen Trunkenheit im Schiffsverkehr zu einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen zu je 40,- DM verurteilt. Die Berufung des Angeklagten wurde verworfen.
Aus den Entscheidungsgründen:
Der Angeklagte hat sich dahin eingelassen, nicht er, sondern ein Italiener namens C, dessen Anschrift ihm unbekannt sei, habe das Schiff zunächst geführt. Er selbst habe bis zur Kollision in der Schiffskoje geschlafen. Diesen Italiener habe er etwa 14 Tage vor dem Vorfall kennengelernt, als dieser sich im Stadthafen von Hamm für sein Schiff interessiert habe. Im Verlauf des Gesprächs, bei dem der Italiener ihm seinen in Friedrichshafen ausgestellten Bootsführerschein und Fotos von seinem Schiff gezeigt habe, hätten sie sich verabredet, am 5. September 1981 gemeinsam mit seinem Schiff zum Kanalfest nach Datteln zu fahren. Gegen 19.00 Uhr sei der Italiener von seiner Freundin in einem grauen Ford 20 M mit einem Unnaer Kennzeichen gebracht worden. Nachdem er selbst noch einige Handgriffe an Bord erledigt habe, habe er dem Italiener das Ruder übergeben und sich selbst zum Schlafen gelegt. Durch eine kräftige Erschütterung aufgeweckt, sei er nach draußen gelaufen. Dort habe der Italiener versucht, ihm in italienischer Sprache offenbar die Ursache des Unfalls zu erklären. Als er sich daran gemacht habe, das Schiff wieder flottzumachen, sei der Italiener an Land gesprungen und weggelaufen. Dadurch sei er in der Notsituation gezwungen gewesen, allein das Schiff zu führen, obwohl er sich durch den vorangegangenen Alkoholgenuß beeinträchtigt gefühlt habe.
Diese Einlassung des Angeklagten ist durch die Beweisaufnahme widerlegt worden.
Zur Überzeugung des Senats hat der Angeklagte und nicht der angebliche Italiener am 5. September 1981 das Schiff von Hamm aus in westlicher Richtung auf dem Hamm-DattelnKanal geführt.
Der Angeklagte will dem Italiener das für 57000,- DM erworbene Schiff zur alleinigen Führung überlassen haben, obwohl er diesen nur flüchtig gekannt und von dessen Fähigkeiten zum Führen eines Schiffes keine Kenntnis gehabt hat. Das ist bereits nicht glaubhaft. Er selbst war fahruntauglich und konnte die Führung des Schiffes durch den Italiener nicht überprüfen. Wäre tatsächlich eine Verabredung zur Fahrt zum Kanalfest, wie der Angeklagte behauptet, getroffen worden, hätte er zur Überzeugung des Senats nicht derartige Mengen von Alkohol zu sich genommen. Da er von dem Italiener bis auf die Tatsache, daß er einen Bootsführerschein besaß und früher ein eigenes Schiff besessen hatte, nichts wußte, hätte er angesichts des hohen Wertes seines Schiffes und der Gefahr kostenaufwendiger Schäden durch eine unsachgemäße Führung des Schiffes sich während der Fahrt nicht sorglos verhalten. Hinzu kommt, daß der Angeklagte auch später fast keinen Versuch unternommen hat, die Anschrift des Italieners herauszufinden. Dazu hätte jedoch Anlaß bestanden, da der von dem Italiener hervorgerufene Schaden ca. 15000,- DM betragen hat und nach den eigenen Angaben des Angeklagten dieser durch eine Versicherung nicht gedeckt ist.
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Der Angeklagte war auch zur Überzeugung des Senats im Zeitpunkt der Führung des Schiffes von Hamm aus nicht mehr in der Lage, sein Schiff sicher zu führen.
Das ergibt sich bereits aus dem Blutalkoholgehalt des Angeklagten von ca. 2,3 °/00, den der Sachverständige Dr. Stichnoth unter Zugrundelegung des Befundes des Chemischen Untersuchungsamtes der Stadt Hamm vom 8. September 1981 für den Zeitpunkt der Fahrt errechnet hat. Es kann dahingestellt bleiben, ob ein sog. Grenzwert für die Führer von Binnenschiffen überhaupt festgesetzt werden kann und wie hoch dieser allgemein festzusetzen wäre. Denn bei den hier vorliegenden Umständen kann ausgeschlossen werden, daß der Angeklagte noch in der Lage war, sein Schiff sicher zu führen.
Nach den gesicherten Erfahrungen der medizinischen Wissenschaft führt eine alkoholische Beeinträchtigung in der Stärke, wie sie einem Blutalkoholgehalt von 2,3 /00 entspricht, zu erheblichen Ausfallerscheinungen gerade in den Bereichen, die, wie die Aufmerksamkeit, die Kritikfähigkeit und die Fähigkeit zum besonnenen, überlegten Handeln, auch für die sichere Führung eines Schiffes unerläßlich sind. Der Schiffsverkehr weist zwar eine geringere Verkehrsdichte auf als der Straßenverkehr und läuft auch bei wesentlich geringeren Geschwindigkeiten als der Straßenverkehr ab. Andererseits bringt die Führung eines Schiffes eine schwierigere Steuerung. Außerdem sind mit ihr, wie der vorliegende Fall zeigt, unter Umständen Gefahrenlagen verbunden, die bei einem Blutalkoholgehalt von 2,30/00 von einem Schiffsführer nicht mehr beherrscht werden können. Zur sicheren Führung eines Schiffes in der Art und Größe des Motorkreuzers „KATHRIN" ist jedenfalls derjenige nicht mehr in der Lage, der einer Alkoholeinwirkung ausgesetzt ist, die nach den gesicherten Erfahrungen der medizinischen Wissenschaft unter Umständen schon seine strafrechtliche Verantwortlichkeit zweifelhaft erscheinen lassen (OLG Oldenburg, OLG St, § 315a StGB S. 7). Immerhin hat der Angeklagte selbst eingeräumt, daß seine Fahrtüchtigkeit durch den Alkoholgenuß erheblich beeinträchtigt gewesen ist und er im nüchternen Zustand nach der Kollision mit der Spundwand das Schiff anders manövriert hätte, als dies tatsächlich geschehen ist.
Im übrigen zeigt aber auch das Verhalten des Angeklagten anläßlich der Fahrt auf dem Hamm-Datteln-Kanal, daß dieser zur sicheren Führung seines Schiffes nicht mehr in der Lage war. Nach den den Senat überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Kapitän B. ist das Schiff in einer Art aus dem Ruder gelaufen und schließlich gegen die Spundwand des Kanals gestoßen, wie es einem fahrtüchtigen Schiffsführer nicht passiert wäre. Allein der Umstand, daß das Schiff aus gerader Fahrtrichtung fast rechtwinklig gegen die Spundwand gestoßen ist, zeigt ein Verhalten, das auf völlige Unfähigkeit des Angeklagten, das Schiff sicher zu führen, schließen läßt.
Die Einlassung des Angeklagten, er sei noch fahrtüchtig gewesen, da er andernfalls in der Notsituation nach der Kollision nicht noch sachgemäße Fahr- und Rudermanöver hätte ausführen können, steht dem nicht entgegen. Abgesehen davon, daß es der Erfahrung entspricht, daß auch ein erheblich Angetrunkener noch in der Lage sein kann, eingeübte Tätigkeiten - wenn auch mit mehr oder weniger großen Verzögerungen - auszuführen, kann seine Handlungsweise nach der Kollision auch nicht als sachgerecht eingestuft werden. Er hat unmittelbar nach dem Anstoß gegen die Spundwand das dicht am Ufer liegende Schiff dort nicht festgemacht, wie es geboten wäre, sondern vielmehr trotz des schweren Schadens versucht, es wieder in Fahrt zu bringen. Außerdem deuten auch die Fahrmanöver auf dem fast strömungsfreien Kanal, die dazu geführt haben, daß das Schiff mehrfach gegen die Uferanlagen gestoßen ist, darauf hin, daß er die Situation nicht mehr beherrscht hat.
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Nach den getroffenen Feststellungen hat sich der Angeklagte der fahrlässigen Trunkenheit im Schiffsverkehr gemäß §§ 316 Abs. 2, 315 StGB schuldig gemacht. Er hat ein Schiff im Schiffsverkehr geführt, obwohl er infolge des Genusses von Alkohol nicht mehr in der Lage war, es sicher zu führen. Er hat sich infolge übermäßigen Alkoholgenusses in diesen Zustand gebracht und dabei zumindest fahrlässig in nüchternem Zustand nicht bedacht, daß er noch mit seinem Schiff fahren werde.
Der Angeklagte beabsichtigte, am Abend des 5. September 1981 mit seinem Schiff zum Kanalfest in Datteln zu fahren. In Kenntnis dieses Umstandes begann er bereits am Morgen desselben Tages, in erheblichen Mengen Alkohol zu sich zu nehmen. Er hätte sich jedoch noch in zurechnungsfähigem Zustand sagen müssen, daß mit zunehmendem Blutalkoholgehalt seine Fähigkeit zum Führen seines Schiffes beeinträchtigt sein könnte und er später auf der Fahrt auf dem Kanal nicht mehr fahrtüchtig sein werde.
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