Jurisprudentiedatabank
Urteil der Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt
vom 12. Dezember 2013
487 Z - 12/13
Tatbestand:
Die Parteien streiten über die Verantwortlichkeit für eine Schiffskollision, die sich am 26. Oktober 2010 gegen 9.30 Uhr auf dem Rhein in Höhe der Loreley bei Stromkilometer 555,0 zwischen dem zu Berg fahrenden MS „H-R.“ und dem zu Tal kommenden TMS „C“ ereignet hat.
Das bei der Klägerin gegen die Gefahren der Schifffahrt versicherte MS „H-R.“ (135 m lang, 14,2 m breit, Tragkraft 5.097 t, Maschinenleistung zweimal 1.500 PS) wurde verantwortlich von dem Schiffsführer B geführt. Es war mit 32 Containern beladen und hatte einen gemittelten Tiefgang von 1,5 m.
Die Beklagte zu 1 ist Schiffseignerin, der Beklagte zu 2 war zum Unfallzeitpunkt verantwortlicher Schiffsführer des TMS „C“. TMS „C“ (109 m lang, 11 m breit, Tragkraft 2.683 t, Maschinenleistung 1.800 PS) befand sich leer mit Ballast auf der Reise von Ludwigshafen nach Rotterdam.
Die Beklagte zu 1 ist Schiffseignerin, der Beklagte zu 2 ist Schiffsführer der TMS „C“.
Zur Unfallzeit herrschte teilweise dichter Nebel. Beide Fahrzeuge fuhren mit Radar. Etwa 400 m vor MS „H-R.“ fuhr das von dem Zeugen T geführte MS „I“ zu Berg. Zu Tal fuhr etwa 600 m vor dem TMS „C“ das MS „I“. Für den RheIbschnitt zwischen Lorch (Rheinkilometer 540,2) und St. Goar (Rheinkilometer 556) war für den Unfallzeitpunkt in § 9.07 Nr. 2 Buchst. a (jetzt § 9.07 Nr. 3 Buchst. a) RheinSchPV angeordnet, dass die Bergfahrt das linke, die Talfahrt das rechte Ufer anzuhalten hat.
TMS „C“ geriet nach dem Passieren der Loreley in der – talwärts gesehen – Rechtskrümmung des Rheins über die Fahrrinnenmitte hIus in die linksrheinische Fahrrinnenhälfte und passierte in knappem Abstand das linksrheinisch zu Berg kommende MS „I“. Anschließend geriet TMS „C“ in eine zunehmende Steuerbordschräglage und kollidierte schließlich mit seiner Backbordseite mit dem Backbordvorschiff des MS „H-R.“.
Die Klägerin beziffert den ihr hierdurch entstandenen Schaden, der bis auf eine Position von 375 € (Kosten des Auslesens der Tresco-Aufzeichnungen auf MS „H-R.“) unstreitig ist, auf 7.747,20 €.
Die Klägerin hat im Wesentlichen vorgetragen:
Unfallursächlich sei allein der Umstand gewesen, dass der Beklagte zu 2 das TMS „C“ zu breit und zu langsam durch das Gebirge gesteuert und dabei das im Bereich der Unfallstelle bestehende Rechtsfahrgebot missachtet habe. Offenbar mangels ausreichender Fahrpraxis habe er irrtümlich einen Ruderausfall angenommen und es zudem versäumt, das Bugstrahlruder einzuschalten.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie, die Klägerin, 7.747,20 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 2.411,50 € seit 1. Dezember 2010 und aus weiteren 5.335,70 € seit 16. Februar 2012 sowie 229,30 € vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 1. Dezember 2010 zu zahlen.
Die Beklagten haben beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie haben im Wesentlichen vorgetragen:
TMS „C“ habe sich wegen eines langsam vorausfahrenden Koppelverbands, der nicht habe überholt werden können, nur mit mäßiger Geschwindigkeit der Loreley nähern können und sei deshalb schwer zu manövrieren gewesen. Der Beklagte zu 2 habe angenommen, es liege ein Ruderausfall vor, und deshalb auf Notsteuerung umgeschaltet; während dieses Umschaltvorgangs sei TMS „C“ infolge der Strömung nach Backbord verfallen. Dem Beklagten zu 2 sei es in dieser Situation nicht mehr gelungen, TMS „C“ vor dem entgegenkommenden Bergfahrer MS „H-R.“ wieder vollständig in das Steuerbordfahrwasser zurückzubringen. Unfallursächlich sei in dieser Situation gewesen, dass MS „H-R.“ nicht vollständig rechts orientiert entlang der grünen Tonnen zu Berg gefahren sei. Hätte der Bergfahrer sich weiter rechts gehalten, hätte die Kollision noch vermieden werden können. Der Schiffsführung des MS „H-R.“ sei vorzuwerfen, unter Missachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt dem TMS „C“ nicht nach Steuerbord zum geografisch linken Ufer ausgewichen zu sein, denn sie habe aufgrund der von ihr beobachteten Fahrweise und der sehr engen Begegnung des TMS „C“ mit dem vorausfahrenden Bergfahrer MS „I“ gewusst, dass es dem Talfahrer TMS „C“ nicht gelingen würde, rechtzeitig vor der Begegnung mit MS „H-R.“ wieder vollständig die geografisch rechte Fahrrinnenhälfte zu erreichen. Ein solches Ausweichmanöver hätte angesichts der ungewöhnlich starken Motorisierung des MS „H-R.“ innerhalb kürzester Zeit und somit noch rechtzeitig durchgeführt werden können. Außerdem habe der Schiffsführer des MS „H-R.“ angesichts der drohenden Kollisionsgefahr nicht einmal eine Funkmeldung auf Kanal 10 abgesetzt und auch keine Schallsignale gegeben.
Das Rheinschifffahrtsgericht hat mit Urteil vom 12. Juli 2012 der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:
Der Klägerin stehe aus eigenem und übergegangenem Recht gemäß § 92b BinSchG, § 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB i. V. m. § 9.07 Nr. 2 Buchst. a, § 1.06 RheinSchPV ein Anspruch auf Schadensersatz in der geltend gemachten Höhe zu.
Für die streitgegenständliche Schiffskollision sei der Beklagte zu 2 als Schiffsführer des TMS „C“ allein verantwortlich. Er sei nicht eng genug um die Loreley herumgefahren und habe insofern gegen das Rechtsfahrgebot nach § 9.07 Nr. 2 Buchst. a RheinSchPV verstoßen. Im Verklarungsverfahren habe er eingeräumt, langsam um die Loreley herum gefahren zu sein. Dies werde durch die Radaraufzeichnungen der nautischen Informationszentrale Oberwesel und die Aussagen der Zeugen T und V im Verklarungsverfahren bestätigt. In der Schifffahrt sei jedoch bekannt, dass Kurven mit angemessener Geschwindigkeit durchfahren werden müssten, um bei der Strömungsgeschwindigkeit des Flusses die Steuerungsfähigkeit beizubehalten. Diesen Grundsatz habe der Beklagte zu 2 missachtet. Seine Behauptung, er habe seine Geschwindigkeit reduziert, um nicht auf den langsam vorausfahrende Koppelverband aufzufahren, sei eine Schutzbehauptung. Nach den Radaraufzeichnungen der nautischen Informationszentrale Oberwesel habe es sich bei dem vorausfahrenden Koppelverband um das MS „I“ gehandelt, dessen Geschwindigkeit 14 bis 15,9 km/h über Grund betragen habe. Dies sei gerichtsbekannt eine Geschwindigkeit, mit der sich Kurven im Mittelrheingebirge bei mittlerer Wasserhöhe gefahrlos durchfahren ließen. Selbst wenn der vorausfahrende Koppelverband Ursache der Geschwindigkeitsreduzierung des TMS „C“ gewesen wäre, hätte der Beklagte zu 2 diesen entweder über Funk zu einer schnelleren Fahrweise auffordern oder TMS „C“ an einer ungefährlichen Stelle verlangsamen können, um dann im Kurvenbereich der Loreley wieder beschleunigen zu können. Den Umstand, dass TMS „C“ ab der Loreleykurve begonnen habe, infolge zu geringer Geschwindigkeit abzudriften, habe jedenfalls der Beklagte zu 2 allein zu vertreten. Dabei könne dahinstehen, ob er irrtümlich einen Ruderausfall angenommen habe oder mit der Schiffstechnik nicht ausreichend vertraut gewesen sei.
Hinzu komme, dass der Beklagte zu 2 nach seinen eigenen Angaben im Verklarungsverfahren das Bugstrahlruder nicht eingeschaltet gehabt habe. Dass diese zusätzliche Steuerungshilfe bei dem leeren Schiff hätte eingesetzt werden müssen, habe der Zeuge T im Verklarungsverfahren nach der Lebenserfahrung nachvollziehbar angegeben.
Ein Verstoß des Bergfahrers MS „H-R.“ gegen das Rechtsfahrgebot aus § 9.07 Nr. 2 Buchst. a RheinSchPV sei nicht festzustellen. Keiner der im Verklarungsverfahren vernommenen Zeugen habe die Behauptung bestätigt, MS „H-R.“ sei bei der Annäherung an die Unfallstelle nicht entlang dem grünen Tonnenstrich geführt worden. Auch aus den Radaraufzeichnungen der Revierzentrale Oberwesel ergebe sich nichts anderes. Zu erkennen sei zunächst, dass MS „H-R.“ ab dem Bankeneck den grünen Tonnenstrich angehalten habe und über fast 300 m vollständig rechtsorientiert gefahren sei. Zu Beginn der nächsten Linkskrümmung weiche der Bug des MS „H-R.“ zwar etwas mehr zur Fahrrinnenmitte hin aus; dies sei aber dadurch zu erklären, dass MS „H-R.“ in dieser Position von der Querströmung vom linken Rheinufer erfasst und mit dem Bug in Richtung Flussmitte gedrückt worden sei. Aus der Radaraufzeichnung um 9.32.33 Uhr sei zu erkennen, dass MS „H-R.“ bereits 14 Sekunden später begonnen habe, seinen Kurs zum linken Ufer hin zu korrigieren und dem Talfahrer auszuweichen. Eine verspätete Reaktion der Bergfahrt auf die erkannte Gefahr sei daher nicht festzustellen. Auch Schallzeichen oder eine Funkansprache hätten an der gefährlichen Situation nichts mehr ändern können, so dass der Schiffsführung des MS „H-R.“ auch unter dem Aspekt von § 1.06 RheinSchPV kein Vorwurf zu machen sei. Schließlich ergebe sich aus den Radaraufzeichnungen auch nicht, dass die Schiffskollision bei weiter rechts orientierter Fahrweise des MS „H-R.“ vermieden worden wäre. Denn TMS „C“ habe unmittelbar vor der Kollision die gesamte linke Fahrrinnenhälfte in Anspruch genommen und hätte bei dieser Fahrweise MS „H-R.“ auch dann berührt, wenn dieses exakt entlang des grünen Tonnenstrichs hätte fahren können; besonders deutlich ergebe sich dies aus den Radarbildern für die Zeitspanne von 9.33.27 Uhr bis 9.33.54 Uhr.
Gegen die Höhe des geltend gemachten Schadens bestünden keine Bedenken. Die Kosten von 375 € für eine Tresco-Datei seien als notwendige Kosten der Rechtsverfolgung unabhängig davon erstattungsfähig, ob die daraus gewonnenen Erkenntnisse später in einen Prozess eigeführt würden. Die ausgelesenen Tresco-Daten seien gerichtsbekannt geeignet, die Fahrweise eines Tresco-unterstützten Schiffs unmittelbar vor einer Kollision zu rekonstruieren. Bei sorgfältiger Vorbereitung und Bearbeitung der Anspruchstellung aus einem Schiffsunfall erscheine es daher geboten, die Tresco-Daten zu sichern und auslesen zu lassen.
Gegen dieses Urteil haben die Beklagten mit dem Antrag auf Entscheidung durch die Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt form- und fristgerecht Berufung eingelegt und das Rechtsmittel form- und fristgerecht begründet.
Sie wenden sich unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens gegen die Tatsachenfeststellungen und die Beweiswürdigung des Rheinschifffahrtsgerichts sowie gegen dessen Auffassung, das alleinige Verschulden an der Schiffskollision treffe den Beklagten zu 2 als Schiffsführer des TMS „C“. Sie tragen im Wesentlichen vor:
Zu Unrecht habe das Rheinschifffahrtsgericht die Angabe des Beklagten zu 2, er habe wegen eines langsam vorausfahrenden Koppelverbands beim Umfahren der Loreley langsam fahren müssen und sei deswegen zu weit in die Fahrrinnenmitte geraten, als Schutzbehauptung gewertet. Soweit es dazu auf die aufgezeichnete Geschwindigkeit des MS „I“ abgestellt habe, habe es übersehen, dass der Koppelverband zu dieser Zeit die schwierigen Kurven bereits durchfahren gehabt habe und sich wieder auf freier Strecke befunden habe. Abwegig sei die Empfehlung des Rheinschifffahrtsgericht, der Beklagte zu 2 hätte entweder den vorausfahrenden Koppelverband über Funk zu einer schnelleren Fahrweise auffordern oder an einer ungefährlichen Stelle – eine solche gebe es im Gebirge nicht – verlangsamen können.
Eine schuldhafte Mitverursachung der Kollision sei der Schiffsführung des MS „H-R.“ schon deswegen anzulasten, weil sie keine einzige der gemäß §§ 1.04, 1.05 und 6.32 Nr. 2 Buchst. a RheinSchPV vorgeschriebenen Kollisionsverhütungsmaßnahmen ergriffen habe. Zudem habe Schiffsführer B von MS „H-R.“ das auch für ihn geltende Rechtsfahrgebot gemäß § 9.07 Nr. 2 Buchst. a RheinSchPV nicht beachtet. Anstatt den linksrheinischen Tonnenstrich anzuhalten, habe er den Kurs nach Backbord geändert und sei dadurch auf einen direkten Kollisionskurs zu dem talwärts entgegen kommenden TMS „C“ geraten. Eine Querströmung, die das Rheinschifffahrtsgericht dafür als ursächlich angesehen habe, gebe es an dieser Stelle tatsächlich nicht.
Zu Unrecht und in Widerspruch zu den vorgelegten Radarbildern habe das Rheinschifffahrtsgericht angenommen, der Schiffsführer des MS „H-R.“ habe vor der Kollision eine Ausweichbewegung gefahren. Es treffe deshalb auch nicht zu, dass er deswegen alle Hände voll zu tun gehabt habe, so dass ihm eine Funkansprache oder die Abgabe von Schallzeichen unzumutbar gewesen wären. Dass diese Maßnahmen entgegen der Annahme des Rheinschifffahrtsgericht zur Vermeidung der Kollision geeignet gewesen wären, ergebe sich aus der vom Rheinschifffahrtsgericht übergangenen Aussage des Beklagten zu 2 im Verklarungsverfahren, dass er etwas mehr Gas gegeben hätte, um weiter nach Steuerbord rüberzukommen und dem Bergfahrer den Weg freizumachen, wenn dieser sich gemeldet hätte.
Zur Schadenshöhe bleibe die Position „Kosten für die Tresco-Datei“ in Höhe von 375 € weiter bestritten, weil die Klägerin das, was für diesen Betrag ausgewertet worden sein solle, nicht vorgelegt habe.
Die Beklagten beantragen,
das Urteil des Amtsgerichts – Rheinschifffahrtsgerichts – St. Goar vom 12. Juli 2012 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens und tritt insbesondere der Darstellung der Beklagten entgegen, der Schiffsführer des MS „H-R.“ sei vom grünen Tonnenstrich abgewichen und habe es versäumt, der drohenden Kollision durch ein rechtzeitiges Ausweichmanöver nach Steuerbord zu begegnen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, bleibt in der Sache jedoch ohne Erfolg. Die streitgegenständliche Schiffskollision ist, wie das Rheinschifffahrtsgericht richtig gesehen hat, von dem Beklagten zu 2 als Schiffsführer des TMS „C“ alleinschuldhaft verursacht worden.
Der Beklagte zu 2 ist beim Durchfahren der – talwärts gesehen – Rechtskrümmung des Rheins mit TMS „C“ in Höhe der Loreley zunächst in die Fahrrinnenmitte und sodann vollständig in die linksrheinische Fahrrinnenhälfte geraten. Das ergibt sich aus den Radaraufzeichnungen der Revierzentrale Oberwesel (Bl. 55 bis 95 der Ermittlungsakten 2040 Js 76202/10 StA Koblenz) sowie aus der Aussage des im Verklarungsverfahren vernommenen Zeugen T und wird auch von den Beklagten nicht in Abrede gestellt. Diese Fahrweise des Beklagten zu 2 stellt objektiv einen schwerwiegenden und gefahrträchtigen Verstoß gegen das für diesen Stromabschnitt angeordneten Rechtsfahrgebot (§§ 9.07 Nr. 2 Buchst. a RheinSchPV) dar.
Dieser Regelverstoß ist dem Beklagten zu 1 auch als schuldhaftes Verhalten anzulasten. Das ergibt sich schon aus den eigenen Angaben des Beklagten zu 2 im Verklarungsverfahren und wird durch die Aussagen der unbeteiligten Zeugen T und V bestätigt.
Der Beklagte zu 2 ist nach eigenen Angaben langsam, so langsam wie noch niemals zuvor, um die Loreley gefahren; für den Kollisionszeitpunkt hat er seine Geschwindigkeit mit 7 km/h angegeben. Dies ist, wie das Rheinschifffahrtsgericht in Übereinstimmung mit den Ausführungen der sachkundigen Zeugen T und V richtig gesehen hat und auch die Beklagten nicht in Abrede stellen, eine Geschwindigkeit, die zu gering ist, um in Anbetracht der in Höhe der Loreley herrschenden Strömung die Steuerungsfähigkeit eines zu Tal fahrenden Schiffs in ausreichendem Maße zu erhalten.
Dieses objektive Fehlverhalten des Beklagten zu 2 ist entgegen der Darstellung der Beklagten nicht unverschuldet. Der Beklagte zu 2 hat als Grund für die langsame Fahrt angegeben, er sei deswegen so langsam wie noch nie um die Loreley gefahren, weil mit einem Abstand von etwa 600 m ein voll beladener Schubverband so langsam zu Tal vorausgefahren sei. Diese Angabe, die das Rheinschifffahrtsgericht als Schutzbehauptung angesehen hat, ist nicht geeignet, die Fahrweise des Beklagten zu 2 zu entschuldigen. Denn ausweislich der Radaraufzeichnungen der Revierzentrale Oberwesel trifft es schon nicht zu, dass das voraus zu Tal fahrende Fahrzeug – laut AIS-Kennung das MS „I“ – auch nur annähernd so langsam wie TMS „C“ zu Tal gefahren wäre. Soweit dessen Geschwindigkeit in den zu den Ermittlungsakten gelangten Radaraufzeichnungen der Revierzentrale dokumentiert ist, lag sie zwischen 14,4 und 17 km/h, also deutlich höher als die des TMS „C“. Dafür, dass MS „I“ zuvor deutlich langsamer oder gar ebenso langsam wie TMS „C“ gefahren wäre, haben die Beklagten nichts Konkretes vorgetragen und auch keinen tauglichen Beweis angetreten. Hinzu kommt, dass bei einem Abstand von etwa 600 m zu dem vorausfahrenden Fahrzeug jedenfalls keine Veranlassung bestand, die Geschwindigkeit des TMS „C“ ausgerechnet vor und bei dem Durchfahren der Rechtskrümmung in Höhe der Loreley derart erheblich zu reduzieren, wie der Beklagte zu 2 dies nach eigenen Angaben getan hat.
Den Beklagten zu 2 vermag auch der Umstand nicht zu entlasten, dass er irrtümlich einen Ruderausfall glaubte bemerkt zu haben und deswegen auf Handruder umschaltete. Denn auch mit Handsteuerung hätte er dafür sorgen können und müssen, dass TMS „C“ mit einer zur Erhaltung der Steuerungsfähigkeit ausreichenden Geschwindigkeit zu Tal geführt würde.
Ein Mitverschulden der Schiffsführung des MS „H-R.“ hat das Rheinschifffahrtsgericht zu Recht verneint. Ausweislich der Radaraufzeichnungen der Revierzentrale Oberwesel für die Zeit ab 9.30.59 Uhr hielt MS „H-R.“ in der Bergfahrt durchgängig das linksrheinische, in Fahrtrichtung rechte Ufer an. Ob MS „H-R.“ bei der Annäherung an die Unfallstelle noch etwas dichter am grünen Tonnenstrich hätte geführt werden können, kann auf sich beruhen. Für die Begegnung mit Talfahrern, die wie vorgeschrieben die rechtrheinische Hälfte der 100 m breiten Fahrrinne einhielten, war die Fahrweise des MS „H-R.“ auch dann völlig korrekt, wenn es innerhalb der linksrheinischen, 50 m breiten Fahrrinnenhälfte einen seitlichen Abstand von 15 bis 20 m zu den grünen Tonnen einhielt. Es bedarf deshalb auch keiner AuseIndersetzung mit der von den Beklagten beanstandeten Annahme des Rheinschifffahrtsgerichts, eine aus den Radaraufzeichnungen ab 9.32.19 Uhr erkennbare Abweichung des Bugs des MS „H-R.“ zur Fahrrinnenmitte hin sei dadurch zu erklären, dass MS „H-R.“ in dieser Position von einer Querströmung vom linken Rheinufer erfasst und mit dem Bug in Richtung Flussmitte gedrückt worden sei. Denn auch in der möglicherweise hierdurch veränderten Lage befand sich MS „H-R.“ ausweislich der Radaraufzeichnungen weiterhin vollständig und mit ausreichendem Anstand zur Mitte der Fahrrinne in deren linksrheinischer Hälfte.
Ein Mitverschulden ist der Schiffsführung des MS „H-R.“ entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht deswegen anzulasten, weil diese es unterlassen habe, notwendige Maßnahmen zur Verhinderung der drohenden Kollision mit TMS „C“ zu ergreifen.
Auch unter diesem Blickwinkel kann dahinstehen, ob MS „H-R.“ noch weiter als aus den Radaraufzeichnungen erkennbar zum grünen Tonnenstrich hätte ausweichen können, wie dies die Berufung im Einzelnen darzulegen sucht. Denn angesichts der Fahrweise des TMS „C“ wäre die Kollision auch dann unabwendbar gewesen, wenn MS „H-R.“ bis zum Fahrrinnenrand nach Steuerbord ausgewichen wäre. Wie aus den Radaraufzeichnungen jedenfalls für die letzte Phase der Annäherung beider Fahrzeuge ab dem Zeitpunkt 9.32.50 Uhr deutlich zu erkennen ist, war TMS „C“ vollständig in die linksrheinische Fahrrinnenhälfte und dabei in eine zunehmende Steuerbordschräglage geraten, die sich bei der weiteren Annäherung der Fahrzeuge so weit verstärkte, dass schließlich die linksrheinische Fahrrinnenhälfte bis zum grünen Tonnenstrich versperrt war.
Das stellen auch die Beklagten nicht in Abrede. Sie wenden jedoch ein, diese Entwicklung wäre vermieden worden, wenn die Schiffsführung des MS „H-R.“ angesichts der erkannten Kollisionsgefahr die gebotenen „Kollisionsverhütungsmaßnahmen“ ergriffen, nämlich TMS „C“ auf Sprechfunk-Kanal 10 auf den eingeschlagenen falschen Kurs aufmerksam gemacht und Schallsignale abgegeben hätte. Denn wenn dies geschehen wäre, so die Beklagten, hätte der Beklagte zu 2, wie von ihm im Verklarungsverfahren angegeben, etwas mehr Gas gegeben, um weiter nach Steuerbord rüberzukommen und dem Bergfahrer den Weg freizumachen. Das schuldhafte Unterlassen der gebotenen Warnsignale sei der Schiffsführung des MS „H-R.“ als Verschulden anzulasten.
Dem ist nicht zu folgen. Entgegen der Darstellung der Beklagten kann nicht angenommen werden, dass eine Funkdurchsage auf UKW-Kanal 10 oder Schallsignale der Schiffsführung des MS „H-R.“ geeignet gewesen wären, die Kollision zu vermeiden. Denn der Beklagte zu 2 wusste jedenfalls bereits seit der BeIhe-Kollision mit MS „I“ aufgrund des Hinweises des Zeugen T auf UKW-Kanal 10, dass sich TMS „C“ viel zu weit linksrheinisch und im Fahrwasser der Bergfahrt befand. Bereits dieser Hinweis hätte ihn daher veranlassen müssen, umgehend durch eine Erhöhung der Geschwindigkeit eine ausreichende Steuerungsfähigkeit des TMS „C“ wiederherzustellen und schnellstmöglich die linksrheinische Fahrrinnenhälfte zu verlassen. Warum diese sich aufdrängenden Maßnahmen nicht ergriffen wurden, sondern TMS „C“ statt dessen weiter linksrheinisch zu Tal geführt wurde und dabei in zunehmende Steuerbordschräglage geriet, haben die Beklagten nicht zu erklären vermocht. Auch den Angaben des Beklagten zu 2 im Verklarungsverfahren ist nicht zu entnehmen, warum er nicht bereits nach der Begegnung mit MS „I“ das getan hat, was er auf die vermissten Warnsignale des MS „H-R.“ hin angeblich getan hätte. Der äußere Geschehensablauf lässt darauf schließen, dass dem Beklagten zu 2 nicht bewusst war, dass die zu geringe Geschwindigkeit des TMS „C“ für den weitgehenden Verlust der Steuerungsfähigkeit und infolge dessen für den Verfall nach linksrheinisch ursächlich war; dafür spricht nicht zuletzt auch die irrige Annahme eines Ruderausfalls. Unter diesen Umständen ist nicht zu erkennen, was eine Funkdurchsage auf UKW-Kanal 10 oder Schallsignale der Schiffsführung des MS „H-R.“ zur Vermeidung der Kollision hätten beitragen können.
Ohne Erfolg wendet sich die Berufung schließlich gegen die Zuerkennung der von der Klägerin beanspruchten Kosten von 375 € für die Sicherung und Auslesung der Tresco-Daten auf MS „H-R.“. Bei dieser Position handelt es sich – vergleichbar den Kosten für ein vorprozessual eigeholtes Privatgutachten – um notwendige Kosten der Rechtsverfolgung, die die unterlegene Prozesspartei gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu erstatten hat. Die Beurteilung der Frage, ob derartige Kosten der obsiegenden Partei zu erstatten sind, hat sich daran auszurichten, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftig denkende Partei die Kosten auslösende Maßnahme ex ante als sachdienlich ansehen durfte; dabei darf die Partei die zur vollen Wahrnehmung ihrer Belange erforderlichen Schritte ergreifen (BGH NJW 2012, 1370). Nach diesen Maßstäben sind die von der Klägerin beanspruchten Kosten erstattungsfähig, da die Sicherung und Auswertung von Tresco-Aufzeichnungen Aufschlüsse über die Fahrweise eines Fahrzeugs im Zusammenhang mit einem Schiffsunfall geben kann.
Aus den dargelegten Gründen wird daher für Recht erkannt:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts – Rheinschifffahrtsgerichts – St. Goar vom 12. Juli 2012 – 4 C 1/12 BSchRh – wird zurückgewiesen.
Die Beklagten haben die Kosten des Berufungsverfahrens als Gesamtschuldner zu tragen.
Die Gerichtskanzlerin: Die Vorsitzende: