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Leitsatz:
Gemäß Art. 1 Ziffer 4 des Zusatzprotokolls vom 25. 10. 1972 zur Revidierten Rheinschiffahrtsakte sind die Vertragsstaaten lediglich ermächtigt, die nach Art. 37 der Akte bei einem nationalen Rheinschiffahrtsobergericht zulässige Berufung in Fällen von Zuwiderhandlungen nach Art. 32 der Akte durch ein geeignetes anderes Rechtsmittel, z. B. die Rechtsbeschwerde, zu ersetzen. Davon unberührt bleibt als einziges bei der Rheinzentralkommission mögliches Rechtsmittel die Berufung.
Urteil der Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt
vom 2. Juni 1976
48 P - 5/76
(Rheinschiffahrtsgericht Mannheim)
Zum Sachverhalt:
Der Betroffene war durch Urteil des Rheinschiffahrtsgerichts vom 23. 1. 1975 wegen Übertretung einiger Vorschriften der Rheinschiffahrtspolizeiverordnung zu einer Geldbuße von 300,- DM verurteilt worden. Der Verteidiger hat in einem Schriftsatz vom 19. 2. 1975 gegen das Urteil Rechtsbeschwerde eingelegt, diese begründet und gleichzeitig verlangt, daß die Entscheidung von der Zentralkommission getroffen werden solle. Die Berufungskammer der Rheinzentralkommission hat die Rechtsbeschwerde als Berufung angesehen und diese als zulässig erachtet, aber zurückgewiesen.
Aus den Entscheidungsgründen:
Das eingelegte Rechtsmittel ist zwar als Rechtsbeschwerde bezeichnet worden, ist aber in Wirklichkeit eine Berufung gemäß Artikel 37 der Revidierten Rheinschiffahrtsakte. Ein anderes Rechtsmittel kann bei der Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt nicht eingelegt werden. Da der Betroffene aber eine Entscheidung der Berufungskammer herbeiführen will, muß seine Rechtsbeschwerde als Berufung verstanden werden. Hindernisse stehen einem solchen Verständnis nicht entgegen. Sie ergeben sich insbesondere nicht aus dem Zusatzprotokoll vom 25. 10. 1972 zu der Revidierten Rheinschiffahrtsakte. Es ermächtigt zwar in Artikel 1 Ziffer 4 die Vertragsstaaten, die nach Artikel 37 der Revidierten Rheinschiffahrtsakte bei einem nationalen Rheinschiffahrtsobergericht zulässige Berufung durch ein geeignetes anderes Rechtsmittel zu ersetzen, wenn es sich um Zuwiderhandlungen gemäß Artikel 32 der Revidierten Rheinschifffahrtsakte handelt. Diese Ermächtigung ist aber mit der Einschränkung „unbeschadet der Möglichkeit der Berufung an die Zentralkommission" versehen worden. Dieses Rechtsmittel wird also durch das erwähnte Zusatzprotokoll ausdrücklich als einziges bei der Zentralkommission mögliches aufrechterhalten. Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt worden. Die aus den dargelegten Gründen formell nicht zu beanstandende Berufung hat keinen Erfolg. Der Betroffene begründet sie lediglich mit dem Argument, das Zusatzprotokoll vom 25. 10. 1972 sei noch nicht in Kraft, da die sechste Ratifikationsurkunde noch nicht beim Sekretariat der Zentralkommission hinterlegt worden sei (Art. V des Protokolls). Dieser Umstand ist aber ohne Bedeutung für das schwebende Verfahren. Die Norm, für deren Übertretung der Betroffene mit Geldbuße belegt worden ist, ist Bestandteil der Rheinschiffahrtsakte. Die Regeln des zur Verurteilung führenden Verfahrens enthalten die Revidierte Rheinschiffahrtsakte und das Zusatzprotokoll vom 18. 9. 1895 für die Verfahren, welche mit richterlichen oder polizeilichen Strafbefehlen beginnen. Das Zusatzprotokoll vom 25. 10. 1972 gibt den Vertragsstaaten lediglich das Recht, diese Verfahrensregeln in gewissem Umfange zu ändern, wobei sicherzustellen ist, daß die Rheinschiffahrtsgerichte und die Berufungskammer der Zentralkommission angerufen werden können. Solange das Zusatzprotokoll vom 25. 10. 72 nicht in Kraft ist, bleibt es bei den Verfahrensregeln der Revidierten Rheinschiffahrtsakte, während die materiellen Normen auch nach seinem Inkrafttreten unberührt bleiben. Der Betroffene ist mithin gemäß einer in jedem Falle gültigen Norm in einem korrekten Verfahren auch dann verurteilt worden, wenn das Zusatzprotokoll vom 25. 10. 1972 nicht in Kraft ist. Seine Ansicht, von diesem Inkrafttreten hänge die Möglichkeit seiner Verurteilung ab, ist falsch. Trotzdem der Betroffene das ergangene Urteil nur mit dem bereits erörterten Argument angegriffen hat, hat die Berufungskammer es im vollem Umfange überprüft. Sie ist dabei zu dem Ergebnis gekommen, daß es nicht beanstandet werden kann. Insbesondere hat die Anwendung des deutschen Gesetzes über die Ordnungswidrigkeiten auf den vorliegenden Fall nur die Folge, daß die Tat des Betroffenen als Ordnungswidrigkeit und nicht als Übertretung bezeichnet worden ist, und daß er nicht in Strafe genommen, sondern zu einer Geldbuße verurteilt worden ist. Das ist bedeutungslos.
Die Berufungskammer hat insbesondere die Höhe der Geldbuße unter dem Gesichtspunkt überprüft, ob sie der Tat des Betroffenen angemessen ist. Dabei ist bedacht worden, daß der Betroffene durch eine Handlung mehrere Bestimmungen der Rheinschifffahrtspolizeiverordnung übertreten hat. Die Berufungskammer ist der Ansicht, daß die Strafe dieser Tat entspricht.
Dabei fällt insbesondere ins Gewicht, daß der Betroffene die Fahrt fortgesetzt hat, obschon von der Wasserschutzpolizei ein Weiterfahrverbot ausgesprochen worden war.