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473 Z - 1/13 - Berufungskammer der Zentralkommission (-)
Datum uitspraak: 18.03.2013
Kenmerk: 473 Z - 1/13
Beslissing: Urteil
Language: Duits
Rechtbank: Berufungskammer der Zentralkommission Straßburg
Afdeling: -

Urteil der Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt

vom 18.03.2013

473 Z - 1/13

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten Ersatz des Nutzungsausfallschadens, der ihm im Januar 2011 infolge der Havarie des TMS „W“ auf dem Rhein entstanden sein soll.

Der Kläger ist nach seiner von der Beklagten bestrittenen Behauptung Ausrüster des TMS „E“ (Länge 105 m, Breite 10,50 m, Tragkraft 2.417 t), mit dem er die Tankschifffahrt auf dem west- und mitteleuropäischen Wasserstraßennetz betreibt. TMS „E“ befand sich am 13.1.2011 beladen mit 1.600 t Heizöl auf der Bergfahrt von R nach H.

Die Beklagte betreibt als Ausrüster die Binnenschifffahrt mit dem TMS „W“ (Länge 109,95 m, Breite 10,50 m, Tragkraft 2.426,49 t, maximaler Tiefgang 3,15 m). TMS „W“ wurde am 12.1.2011 in L mit 2.377,98 t Schwefelsäure beladen und erreichte eine gemittelte Abladetiefe von 3,15 m. Der Rhein führte an diesem Tag Hochwasser bereits deutlich über der Hochwassermarke 1 (Pegel Bingen 455 cm, Pegel Kaub 572 cm).

Am Morgen des 13.1.2011 gegen 4.40 Uhr kenterte TMS „W“ auf der Talfahrt auf dem Rhein zwischen der Signalstelle B „am Kammereck“ und der Signalstelle D „gegenüber der Loreley“. Es trieb kieloben zu Tal und kam kurz unterhalb des Loreleyhafens bei Rheinkilometer 555,4 auf der Backbordseite Kopf zu Tal auf Grund zu liegen.

Wegen der Havarie des TMS „W“ wurde am 13.1.2011 um 4.55 Uhr durch schifffahrtspolizeiliche Anordnung der Revierzentrale Oberwesel über den Nautischen Informationsfunk die Schifffahrt auf dem Rheinabschnitt von Bingen bis St. Goar gesperrt. Die Sperrung wurde um 6.40 Uhr talwärts bis nach Boppard ausgedehnt und schließlich um 10.30 Uhr auf die Strecke von Bingen bis Bad Salzig beschränkt.

TMS „E“ erreichte am 13.1.2011 gegen 10.00 Uhr von Bonn kommend Rheinkilometer 586 (Höhe L). Dort wurde die Schiffsführung von der Wasserschutzpolizei aufgefordert, wegen der Schifffahrtssperre unverzüglich einen Liegeplatz aufzusuchen. TMS „E“ wurde daraufhin im Hafen L stillgelegt und verblieb dort bis zur Aufhebung der Schifffahrtssperre für die Bergfahrt am 21.1.2011 gegen 6.00 Uhr.

Der Kläger hat vorgetragen:

Die Schiffsführung des TMS „W“ habe die Havarie schuldhaft verursacht, denn ein ordnungsgemäß beladenes und von einer sorgfältig und pflichtgemäß handelnden Schiffsführung geführtes Tankmotorschiff kentere nicht. Für ein Verschulden der Schiffsführung des TMS „W“ spreche daher der Beweis des ersten Anscheins; ein Entlastungsbeweis sei nicht geführt. Durch die Stilliegezeit sei ihm, dem Kläger, ein Nutzungsausfallschaden in Höhe von 22.480,86 € entstanden. Als sozialadäquaten Duldungszeitraum lasse er sich 24 Stunden anrechnen, so dass der von der Beklagten zu ersetzende Nutzungsausfallschaden sich auf 19.610, 75 € belaufe. Diesen Betrag zuzüglich Zinsen und vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 1.247,40 € habe die Beklagte voll zu ersetzen. Denn der Schiffsführung des TMS „E“ sei es nicht möglich gewesen, nach Anordnung des Liegegebots noch zu wenden, weil die Schifffahrt auch talwärts bis Engers gesperrt gewesen sei.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 19.610,95 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 11.3.2011 sowie 1.247,40 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen:

Sie sei für die Havarie des TMS „W“ nicht verantwortlich; verursacht habe sie vielmehr ein Bergfahrer, der dem TMS „W“ nicht genügend Raum für die Talfahrt gelassen habe. Auch sei zu berücksichtigen, dass im Zeitraum vom 14. bis 17.1.2011 die Schifffahrt wegen Überschreitens der Hochwassermarke 2 ohnehin gesperrt gewesen sei und dass eine Sperrung der Schifffahrt zur Lebensrettung von verunglückten Verkehrsteilnehmern für die ersten 24 Stunden immer entschädigungslos hingenommen werden müsse. Außerhalb des Hochwasserzeitraums sei TMS „E“ nicht gehindert gewesen, das geladene Heizöl irgendwo zu bunkern und außerhalb des gesperrten Teils des Rheins seinem Transportgewerbe nachzugehen.

Das Amtsgericht – Rheinschifffahrtsgericht – St. Goar hat mit Urteil vom 6.10.2011 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:

Unabhängig von der Frage, ob auf Seiten der Beklagten ein für die Havarie des TMS „W“ ursächliches schuldhaftes Verhalten anzunehmen sei, fehle es schon an einer Verletzung eines Rechtsguts im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB. Nur bei einer Verletzung eines der dort aufgeführten absoluten Rechte komme eine Schadensersatzpflicht auch für Vermögensschäden in Betracht. Das Eigentum könne zwar auch durch eine Gebrauchs- oder Nutzungsbeschränkung verletzt sein; eine nur kurzfristige Beeinträchtigung des bestimmungsgemäßen Gebrauchs genüge dafür aber nicht. Eine starre Zeitgrenze zur Definition einer mehr als kurzfristigen Beeinträchtigung lasse sich nicht ziehen; vielmehr komme es auf das Ausmaß des Einzelfalls und die Wucht der den Geschädigten treffenden Beeinträchtigung an. Entscheidend sei deshalb, ob der Eingriff über das sozial übliche Maß hinausgehe. Als sozial üblich seien neben Naturkatastrophen wie Hochwasser, Erdbeben oder Erdrutschen auch Verkehrsunfälle auf den Wasserstraßen anzusehen, die zu einer vorübergehenden Sperrung einer Wasserstraße führen könnten. Ein verantwortlich handelnder und wirtschaftlich arbeitender Schiffsführer müsse mit derartigen Ereignissen immer rechnen und sie in seine Kalkulation einbeziehen. Erfahrungsgemäß seien gewöhnliche Naturkatastrophen, aber auch unfallbedingte Behinderungen des Schiffsverkehrs im mitteleuropäischen Raum innerhalb von 14 Tagen behoben, so dass eine längerfristige Gebrauchs- oder Nutzungsstörung erst ab einem – hier nicht erreichten – Zeitraum von 14 Tagen als Eigentumsverletzung angesehen werden könne.

Ferner sei zu berücksichtigen, dass die Beklagte unter Berücksichtigung eines adäquat kausalen Geschehensablaufs für die Gebrauchsbeeinträchtigung nicht ursächlich verantwortlich sei, weil mehrere von ihr nicht zu vertretende weitere Ursachen eingetreten seien, die erst zu der Einschränkung der Bewegungsmöglichkeit des TMS „E“ geführt hätten. Der Kläger hätte angesichts der Bekanntgabe der Schifffahrtssperre am 13.1.2011 gegen 5.00 Uhr bei seiner Ankunft in Höhe von L gegen 10.00 Uhr noch wenden und talwärts weiterfahren können. Auch deshalb liege im Sinne der Entscheidung des Bundesgerichtshofs im Fleetfall (BGHZ 55, 153) keine Eigentumsverletzung vor, weil dem Schiff des Klägers nicht jede Bewegungsmöglichkeit verloren gegangen sei. Unterstelle man die Behauptung des Klägers als richtig, die Wasserschutzpolizei habe ihn angewiesen, sein Schiff im Hafen L stillzulegen, und ihm auch ein Wendemanöver zur Wiederaufnahme der Talfahrt untersagt, so sei auch dafür das Verhalten der Beklagten nicht ursächlich. Vielmehr müsse der Kläger sich wegen dieser möglicherweise rechtswidrigen, weil unnötigen Anweisung an die Wasserschutzpolizei halten. Darüber hinaus sei zu beachten, dass am 14.1.2011 um 3.45 Uhr beim Pegel Koblenz die Hochwassermarke 2 überschritten worden sei und infolge dessen ab diesem Zeitpunkt bis zum 17.1.2011 gegen 15.00 Uhr die Schifffahrt zwischen Rheinkilometer 566 und 661 gemäß § 10.01 RheinSchPV verboten gewesen sei. Vor und nach dieser Sperrzeit hätte der Kläger die Talfahrt vom Hafen L aus antreten können.

Ebenso wenig wie eine Eigentumsverletzung komme die Verletzung eines sonstigen Rechts nach § 823 Abs. 1 BGB, insbesondere des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, in Betracht. Dafür fehle es an einem betriebsbezogenen Eingriff in den Gewerbebetrieb des Klägers, zu dem die Schiffbarkeit einer Wasserstraße nicht gehöre. Im Übrigen müsse auch bei diesem Recht eine Interessen- und Güterabwägung mit den im Einzelfall kollidierenden Interessen anderer vorgenommen werden. Daher könne die streitgegenständliche Nutzungsbeeinträchtigung auch unter dem Aspekt eines Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb unterhalb einer Dauer von 14 Tagen nicht als erhebliche, das sozial übliche Maß übersteigende Behinderung angesehen werden.

Der eingeklagte Schadensersatzanspruch könne auch nicht auf § 823 Abs. 2 BGB gestützt werden. Die Verletzung eines zugunsten des Klägers bestehenden Schutzgesetzes, das auch die unternehmerische Bewegungsfreiheit eines Schiffseigners und sein Recht auf Gewinnerzielung durch den Schiffsgebrauch schütze, sei weder vom Kläger vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger form- und fristgerecht Berufung mit dem Antrag auf Entscheidung durch die Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt eingelegt und diese fristgerecht begründet.

Er wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen und macht insbesondere geltend:

Nach dem unter Beweis gestellten Vortrag des Klägers sei die Havarie des TMS „W“ auf schwere Pflichtverletzungen sowohl der Schiffsführung des TMS „W“ als auch der Beklagten selbst zurückzuführen, die als leichtfertiges Handeln im Sinne von § 5b BinSchG zu werten seien (falsche Beladung, Überladung und fehlende, jedenfalls unzureichende Stabilitätsberechnung des Schiffs), mit denen ein verantwortlich handelnder und wirtschaftlich arbeitender Schiffsführer nicht rechnen und die er nicht in seine betriebswirtschaftliche Kalkulation einbeziehen müsse. Auch die schwerwiegenden Folgen der Havarie – Sperrung des Rheins für 33 Tage bis zur vollständigen Freigabe der Schifffahrt, Gesamtschaden von 50 bis 60 Millionen Euro – habe das Rheinschifffahrtsgericht nicht hinreichend berücksichtigt. Auch die den Kläger selbst treffenden Folgen der havariebedingten Schifffahrtssperre habe das Rheinschifffahrtsgericht fehlerhaft beurteilt. Der Kosten- und Abzahlungsdruck, dem er wie jeder Partikulier unterliege, stehe einer Duldungspflicht von 14 Tagen entgegen. Entgegen der Auffassung des Rheinschifffahrtsgerichts habe der Kläger auch keine Möglichkeit gehabt, sich gegen das Nutzungsausfallrisiko ausreichend zu versichern, wohingegen die Beklagte für alle Folgen der Havarie des TMS „W“ ihren Haftpflichtversicherer in Anspruch nehmen könne. Auch eine Verletzung des Rechts des Klägers am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb habe das Rheinschifffahrtsgericht zu Unrecht verneint. TMS „E“ sei durch die Havarie des TMS „W“ über 7 Tage regelrecht „eingefroren“ gewesen und habe weder seine beladene Bergreise fortsetzen noch zu Tal wenden können (Beweis: Zeugen S und G). Dies stelle einen Eingriff in den Gewerbebetrieb des Klägers dar. Zum selben Ergebnis führe eine Abwägung der Schutzbedürftigkeit der Beteiligten. Weiter habe das Rheinschifffahrtsgericht übersehen, dass die Beklagte für den eingeklagten Schaden auch wegen schuldhafter Verletzung von Schutzgesetzen – § 315a StGB, OWiG i. V. m. §§ 1.04, 1.07 RheinSchPV – hafte (Beweis: Beiziehung der Ermittlungsakten 2040 Js 21738/11 der Staatsanwaltschaft Koblenz). § 1.04 RheinSchPV entspreche in etwa dem Vorsicht- und Rücksichtnahmegebot des § 1 StVO für den Straßenverkehr, das als Schutzgesetz anerkannt sei. Dasselbe gelte für die Beladungsvorschrift des § 1.07 RheinSchPV, die in etwa den §§ 22, 23 StVO entspreche. Unzutreffend seien schließlich auch die Erwägungen des Rheinschifffahrtsgerichts zum Kausalzusammenhang zwischen der Havarie des TMS „W“ und dem Nutzungsausfallschaden des Klägers. Im Zeitpunkt der behördlichen Stilllegung des TMS „E“ am 13.1.2011, 10.00 Uhr habe TMS „E“ nicht wenden und wieder talwärts fahren können. Zudem sei nicht absehbar gewesen, wie lange die bis auf weiteres angeordnete Schifffahrtssperre andauern würde. Auch die Schifffahrtssperre wegen Hochwassers ab 14.1.2011, 3.45 Uhr für die Strecke von Rheinkilometer 566 bis 601 könne unter Kausalitätsgesichtspunkten nicht berücksichtigt werden, denn wenn TMS „E“ nicht am 13.1.2011, 10.00 Uhr bei Rheinkilometer 586 wegen der Havarie des TMS „W“ an der Weiterfahrt zu Berg gehindert worden wäre, hätte es die wegen Hochwassers gesperrte Strecke vor dem Zeitpunkt der Hochwassersperre bereits passiert gehabt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Amtsgerichts – Rheinschifffahrtsgerichts – St. Goar vom 6.10.2011 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, an ihn 19.610,95 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 11.3.2011 sowie 1.247,40 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg. Es kann dahinstehen, ob der Auffassung des Rheinschifffahrtsgerichts zu folgen ist, vorübergehende Sperrungen einer Wasserstraße von nicht mehr als 14 Tagen Dauer seien unabhängig von der Ursache der Sperrung als sozial üblich anzusehen und schon deswegen von den betroffenen Schifffahrttreibenden entschädigungslos hinzunehmen. Das Klagebegehren scheitert schon daran, dass es im anzuwendenden deutschen Recht an einer Anspruchsgrundlage für den geltend gemachten Nutzungsausfallschaden fehlt.

Die Beklagte haftet als Ausrüster des TMS „W“ gemäß § 2 Abs. 1, § 3 Abs. 1 BinSchG wie der Schiffseigner für den Schaden, den eine Person der Schiffsbesatzung oder ein an Bord tätiger Lotse einem Dritten in Ausführung von Dienstverrichtungen schuldhaft zufügt. § 3 BinSchG ist keine selbständige Deliktsnorm oder Anspruchsgrundlage im Verhältnis zum Schiffseigner (BGH VersR 2006, 931 unter II 2 b aa; v. Waldstein/Holland, Binnenschifffahrtsrecht, 5. Aufl., § 3 Rn. 2). Durch die so genannte adjektizische Haftung des Schiffseigners soll vielmehr lediglich erreicht werden, dass insbesondere dem außervertraglich Geschädigten ein zusätzlicher Anspruchsgegner als zahlungskräftiger Zweitschuldner neben dem schuldhaft handelnden Besatzungsmitglied zur Verfügung steht (v. Waldstein/Holland, aaO, § 3 Rn. 3 m. w. N.). Voraussetzung einer Inanspruchnahme der Beklagten für den geltend gemachten Nutzungsausfallschaden ist daher das Bestehen eines deliktischen Schadensersatzanspruchs – vertragliche Ansprüche kommen hier offensichtlich nicht in Betracht – gegen zumindest ein Besatzungsmitglied des TMS „W“ oder eine deliktische Haftung der Beklagten für eigenes Verschulden. Diesen Ausgangspunkt zieht auch die Berufung nicht in Zweifel.

Eine deliktische Haftung der Beklagten für den geltend gemachten Nutzungsausfallschaden hat das Rheinschifffahrtsgericht entgegen der Auffassung des Klägers zu Recht verneint.

Für eine Haftung der Beklagten gemäß § 823 Abs. 1 BGB fehlt es an der Verletzung eines durch die Norm geschützten Rechts oder Rechtsguts. Das von der Schifffahrtssperre betroffene Vermögen des Klägers ist als solches kein durch § 823 Abs. 1 BGB geschütztes Recht oder Rechtsgut (vgl. BGHZ 41, 123, 127). Eine Verletzung des Eigentums an TMS „E“ durch die Havarie des TMS „W“ ist entgegen der Auffassung des Klägers nicht gegeben.

Das Eigentum kann zwar nicht nur durch eine Beeinträchtigung der Sachsubstanz (woran es hier fehlt) verletzt werden, sondern unter Umständen auch durch eine sonstige, die Eigentümerbefugnisse treffende tatsächliche Einwirkung auf die Sache (BGHZ 55, 153, 159; BGH VersR 1979, 905 unter 3). Demgemäß hat die Rechtsprechung eine Eigentumsverletzung darin erblickt, dass eine Schute, die infolge des Einsturzes einer Ufermauer über acht Monate in einem Fleet "eingesperrt" gewesen ist, als Transportmittel praktisch ausgeschaltet und damit ihrem bestimmungsgemäßen Gebrauch entzogen war (BGHZ 55, 153, 159). In dieser Entscheidung hat der Bundesgerichtshof eine Eigentumsverletzung darin gesehen, dass das von der Sperrung des Fleets betroffene Schiff durch die Sperrung jede Bewegungsmöglichkeit über das zwischen der Verladestelle und den als Sperre wirkenden Baumstämmen befindliche Fleetstück hinaus verlor und damit als Transportmittel praktisch ausgeschaltet, seinem bestimmungsgemäßen Gebrauch entzogen war. Die "Einsperrung" des Schiffes stellte sich demnach als eine die Eigentümerbefugnisse der dortigen Klägerin treffende tatsächliche Einwirkung auf dieses Fahrzeug dar. Sie war mithin eine Eigentumsverletzung.

So verhält es sich im Streitfall indessen nicht. TMS „E“ war durch die aufgrund der Havarie des TMS „W“ angeordnete Schifffahrtssperre zwar bis zum 21.1.2011 gehindert, die Bergfahrt zum Bestimmungsort des geladenen Heizöls fortzusetzen. Die Sperrung des Rheinabschnitts von Bingen bis Boppard und später Bad Salzig hinderte die Besatzung des TMS „E“ hingegen nicht daran, von dem zunächst aufgesuchten Liegeplatz in L aus den Rhein talwärts zu befahren. TMS „E“ war durch die vorübergehende Sperrung des Rheins also keineswegs „eingesperrt“, als Transportmittel praktisch ausgeschaltet und seinem bestimmungsgemäßen Gebrauch entzogen, wie dies nach der zitierten Rechtsprechung für die Annahme einer Eigentumsverletzung vorausgesetzt ist. Soweit der Kläger dem entgegenhält, die von der Wasserschutzpolizei erteilte Weisung, einen Liegeplatz aufzusuchen, habe die Besatzung des TMS „E“ auch daran gehindert, L talwärts zu verlassen, wäre eine solche Weisung, die Richtigkeit der Behauptung des Klägers unterstellt, der Beklagten jedenfalls nicht zuzurechnen, da die Talfahrt auf dem Rhein unterhalb der von Bingen bis Boppard/Bad Salzig gesperrten Strecke durch die Havarie des TMS „W“ nicht beeinträchtigt war.

Da TMS „E“ somit durch die Sperrung des Rheins ab Boppard/Bad Salzig für die Bergfahrt in seiner Eigenschaft als Transportmittel nicht betroffen war und damit seinem natürlichen Gebrauch nicht entzogen wurde, fehlt es an einer Eigentumsverletzung. An dieser Beurteilung ändert sich nichts dadurch, dass TMS „E“ während der Sperrung nicht zum Bestimmungsort seiner Ladung weiterfahren konnte. Darin ist kein Eingriff in das Eigentum an dem Fahrzeug zu sehen, sondern eine Behinderung des Klägers in der Ausübung des ihm wie jedem Schifffahrttreibenden an der Schifffahrtsstraße Rhein zustehenden Gemeingebrauchs. Dieser stellt aber kein "sonstiges Recht" im Sinne des § 823 Abs 1 BGB dar (BGHZ 55, 153, 160).

Eine deliktische Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 1 BGB kommt auch nicht wegen eines Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des Klägers in Betracht. Es ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass nicht jede rechtswidrige und schuldhafte Beeinträchtigung der gewerblichen Tätigkeit eines Dritten Schadensersatzansprüche nach § 823 Abs. 1 BGB auslöst. Das ist vielmehr nur dann der Fall, wenn sie einen unmittelbaren Eingriff in den Bereich des Gewerbebetriebes darstellt, also betriebsbezogen ist und nicht vom Gewerbebetrieb ohne weiteres ablösbare Rechte oder Rechtsgüter betrifft (BGHZ 29, 65, 74; 55, 153, 161). Um einen derartigen, irgendwie gegen den Betrieb des Klägers gerichteten Eingriff handelt es sich vorliegend aber nicht. Die Schiffbarkeit einer Wasserstraße gehört nicht zum Bereich des Gewerbebetriebes eines Schifffahrttreibenden. Die zeitweilige, auch andere Schifffahrttreibende treffende Sperrung einer Wasserstraße greift daher nicht in dessen Gewerbebetrieb ein (BGHZ 55, 153, 161).

Eine deliktische Haftung der Beklagten für den geltend gemachten Nutzungsausfallschaden des Klägers folgt auch nicht gemäß § 823 Abs. 2 BGB aus der Verletzung eines Schutzgesetzes. Dabei bedarf es keines näheren Eingehens auf die Frage, ob der Kläger eine schuldhafte Verletzung der von ihm als Schutzgesetze angeführten Bestimmungen hinreichend dargelegt hat. Denn die durch die Folgen der Havarie des TMS „W“ beeinträchtigte Nutzungsmöglichkeit des TMS „E“ ist jedenfalls nicht Schutzzweck der als verletzt gerügten Normen.

Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Rechtsnorm, die nach Zweck und Inhalt zumindest auch dazu dienen soll, den einzelnen oder einzelne Personenkreise gegen die Verletzung eines bestimmten Rechtsgutes zu schützen. Dafür kommt es nicht auf die Wirkung, sondern auf Inhalt und Zweck des Gesetzes sowie darauf an, ob der Gesetzgeber bei Erlass des Gesetzes gerade einen Rechtsschutz, wie er wegen der behaupteten Verletzung in Anspruch genommen wird, zugunsten von Einzelpersonen oder bestimmten Personenkreisen gewollt oder doch mit gewollt hat. Es genügt, dass die Norm auch das in Frage stehende Interesse des Einzelnen schützen soll, mag sie auch in erster Linie das Interesse der Allgemeinheit im Auge haben. Andererseits soll der Anwendungsbereich von Schutzgesetzen nicht ausgeufert werden. Deshalb reicht es nicht aus, dass der Individualschutz durch Befolgung der Norm als ihr Reflex objektiv erreicht werden kann; er muss vielmehr im Aufgabenbereich der Norm liegen (BGH NJW 2004, 356 unter II 2 a aa m. w. N.).

Hieran gemessen fehlt den vom Kläger angeführten Bestimmungen der Charakter von Schutzgesetzen.

§ 315a StGB bezweckt, wie schon der Wortlaut der Norm unmissverständlich klar macht, den Schutz von Leib und Leben anderer Menschen sowie von fremden Sachen von bedeutendem Wert vor Gefährdungen durch grob pflichtwidrige Verstöße gegen Vorschriften zur Sicherung (unter anderem) des Schiffsverkehrs. Bloße Vermögensinteressen der Schifffahrttreibenden stehen damit außerhalb des Schutzzwecks der Norm. Voraussetzung eines Anspruchs nach § 823 Abs. 2 BGB ist aber stets, dass der konkrete Schaden aus der Verletzung eines Rechtsguts entstanden ist, zu dessen Schutz die  Rechtsnorm erlassen wurde (BGH NJW 2004, 356 unter II 2 a cc m. w. N.). Aus der vom Kläger für seine gegenteilige, allerdings nicht näher begründete Auffassung angeführten Entscheidung des Bundesgerichtshofs zu §§ 315, 316 StGB (BGHZ 19, 114, 125) ergibt sich nichts anderes.

Die Bestimmungen des § 1.04 und des § 1.07 RheinSchPV mögen, wie der Kläger geltend macht, ebenso wie inhaltlich verwandte Vorschriften der Straßenverkehrsordnung den Schutz anderer Verkehrsteilnehmer bezwecken. Dass auch deren Vermögensinteressen – konkret die Vermeidung von Vermögensnachteilen durch Nutzungsausfall – vom Schutzzweck der Normen umfasst würden, ist jedoch nicht zu erkennen.

Für die mit § 1.04 RheinSchPV inhaltlich im Wesentlichen übereinstimmende Vorschrift des § 1.04 der Binnenschifffahrtsstraßenordnung hat der Bundesgerichtshof ausgesprochen, dass die Vorschrift das Leben und die Gesundheit vor Gefahr, die Schifffahrt vor Behinderungen sowie das Eigentum an Fahrzeugen, Schwimmkörpern, Anlagen und Einrichtungen an und in der Wasserstraße einschließlich an dieser selbst schützen will, hingegen nicht erkennbar ist, dass sie auch den Schutz des Vermögens der Personen bezweckt, deren Güter auf der Wasserstraße befördert werden (BGH VersR 1979, 905 unter 4). In Bezug auf das hier in Rede stehende Vermögensinteresse des Klägers kann nichts anderes angenommen werden.

Gleiches gilt für § 1.07 RheinSchPV. Die in dieser Bestimmung normierten Anforderungen an die Beladung bezwecken sicherlich (auch) den Schutz des Schiffsverkehrs vor Havarien – etwa durch ein Kentern – infolge falscher Beladung. Dass aber darüber hinaus auch der Schutz des Vermögens anderer Schifffahrttreibender bezweckt wäre, ist nicht zu erkennen. Dass insoweit der Individualschutz durch Befolgung der Vorschrift als ihr Reflex objektiv erreicht werden kann, reicht nicht aus; er muss vielmehr im Aufgabenbereich der Norm liegen (BGH NJW 2004, 356 unter II 2 a aa; VersR 2005, 515 unter II 1 a; jeweils m. w. N.). Das ist bei § 1.07 RheinSchPV nicht anzunehmen. Die Norm ist nicht geschaffen worden, um (auch) das Vermögen der Teilnehmer am Schiffsverkehr zu schützen.

Aus den dargelegten Gründen wird daher für Recht erkannt:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts – Rheinschifffahrtsgerichts – St. Goar vom 6.10.2011 – 4 C 4/11 BSchRh – wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Ebenfalls abrufbar unter ZfB 2013 - Nr.4 (Sammlung Seite 2227 ff.); ZfB 2013, 2227 ff.