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Leitsätze:
1) Unabhängig vom Heimathafen eines Schiffes muss bei der Fahrt auf dem Rhein ein Bordbuch mitgeführt werden, das den Vorschriften des § 1.10 Nr. 1 lit. c und d RhSchPV entspricht, es muss von der Untersuchungskommission ausgestellt sein, die dem Schiff das Attest erteilt hat, und es muss sichergestellt sein, dass nachfolgende Bordbücher nur gegen Vorlage des vorangegangen Bordbuches und mit der Folgenummer nummeriert ausgegeben werden dürfen. Diesen Anforderungen genügt ein polnisches Bordbuch nicht. Für das Schifferdienstbuch dagegen gilt seit dem 01. Juli 2011 die Verwaltungsvereinbarung über die gegenseitige Anerkennung der Schifferdienstbücher, die auch polnische Schifferdienstbücher auf dem Rhein anerkennt.
2) Gegen einen Beschluss eines Rheinschifffahrtsgerichtes in einer Bußgeldsache ist gemäß Artikel 37 I MA die Berufung statthaft, die (falsche) Bezeichnung des Rechtsmittels als »Revision« ist unschädlich.
Urteil der Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt
vom 09. Januar 2012
Az.: 466 B - 5/11
(Rheinschifffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort, Beschluss vom 10. September 2009, Az.: OWi 56/09 BSch)
Tatbestand
Der Betroffene war am 17. Mai 2008 verantwortlicher Schiffsführer des MS »Transbode 11«, mit dem er den Rhein bei km 851, Ortslage Emmerich, befuhr. Das MS »Transbode 11« fuhr als gekoppeltes Fahrzeug im Verband mit dem MS »Transbode 25«, dessen Besatzung über die erforderlichen Befähigungsnachweise verfügte. Bei einer Kontrolle durch die Wasserschutzpolizei wurde festgestellt, dass sich an Bord des MS »Transbode 11« entgegen § 1.10 Nr. 1 lit. c, d RheinSchPV kein ordnungsgemäßes Bordbuch und auch keine Bescheinigung über die Ausgabe dieses Dokuments (Vorübergehende Abweichung von § 1.10 Nr. 1 lit. c und d RheinSchPV) und entgegen § 1.11 RheinSchPV kein Abdruck der Rheinschifffahrtspolizeiverordnung befand und dass der Betroffene entgegen § 23.04 RheinSchUO nicht im Besitz eines auf ihn ausgestellten Schifferdienstbuchs nach dem Muster der Anlage F oder eines von der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt anerkannten gültigen Dienstbuchs war. Wegen dieser Verstöße hat das Rheinschifffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort mit Beschluss vom 10. September 2009 gegen den Betroffenen ein Bußgeld von insgesamt 137,50 € verhängt.
Zur Begründung hat es ausgeführt:
Der Betroffene habe die von der Wasserschutzpolizei getroffenen Feststellungen nicht bestritten. Seine Einlassung, die auf dem Rhein geltenden Bestimmungen seien ihm nicht geläufig, da er am 17. Mai 2008 die erste Reise auf dem Rhein gemacht habe, könne ihn nicht entlasten. Vor dem Befahren des Rheins hätte er sich mit den dort geltenden Bestimmungen vertraut machen müssen.
Der Betroffene habe sich damit - zumindest fahrlässig - tateinheitlich dreier Ordnungswidrigkeiten gemäß Art. 4 Abs. 4 Nr. 7 RheinSchPEV, Art. 4 Abs. 4 Nr. 8 RheinSchPEV und Art. 8 Abs. 5 Nr. 2c RheinSchUEV schuldig gemacht. Die verhängten Bußgelder entsprächen den Empfehlungen des Bußgeldkatalogs und berücksichtigten auch angemessen die tateinheitliche Begehungsweise. Für die Ordnungswidrigkeit wegen des fehlenden Bordbuchs sei das volle Bußgeld von 75 € anzusetzen; für die weiteren Ordnungswidrigkeiten sei jeweils die Hälfte des im Bußgeldkatalogs empfohlenen Betrags anzusetzen, wegen des fehlenden Schifferdienstbuchs somit 25 € und wegen des fehlenden Abdrucks der Rheinschifffahrtspolizeiverordnung 37,50 €.
Gegen diesen Beschluss, der dem Betroffenen am 28. Dezember 2010 im Wege der Rechtshilfe in Polen zugestellt worden ist, hat der Betroffene mit einem am 17. Februar 2011 beim Rheinschifffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort eingegangenen Schriftsatz »Revision« mit dem Antrag auf Entscheidung durch die Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt eingelegt und das Rechtsmittel zugleich begründet.
Der Betroffene beantragt,
den angefochtenen Beschluss aufzuheben, soweit wegen des fehlenden Bordbuchs und des fehlenden Schifferdienstbuchs ein Bußgeld gegen ihn verhängt worden ist.
Zur Begründung trägt er vor:
Das MS »Transbode 11» sei in Polen registriert und habe nach polnischem Recht ein durch das Amt für Binnenschifffahrt ausgestelltes polnisches Schiffstagebuch haben müssen. Nach dem Recht der (Europäischen) Union seien sämtliche Dokumente, die in einem Land der Europäischen Union ausgestellt worden seien, durch die übrigen Länder anzuerkennen. Zudem unterscheide sich ein polnisches Logbuch nicht von einem deutschen oder niederländischen.
Nach den Vorschriften der Rheinschifffahrt sei das Befahren des Rheins mit dem Patent eines Kapitäns der Kategorie »B« mit einem Lotsen an Bord nicht verboten. Am 17. Mai 2008 habe sich der Lotse Zygmunt Pohler auf dem Schiff befunden. Er, der Betroffene, besitze auch das Schifferdienstbuch, ausgestellt durch das polnische Amt für Binnenschifffahrt. Am 8. September 2008 habe er ein deutsches Schifferdienstbuch erhalten und festgestellt, dass beide, wie aus einer beigefügten Fotokopie ersichtlich, identisch seien.
Entscheidungsgründe
Das als Berufung zu behandelnde Rechtsmittel ist zulässig. Die Berufungsschrift ist zwar erst nach Ablauf der Frist von 30 Tagen ab Zustellung des angefochtenen Beschlusses (Artikel 37 Abs. 2 der Revidierten Rheinschifffahrtsakte) beim Rheinschifffahrtsgericht eingegangen. Das Rheinschifffahrtsgericht hat dem Betroffenen jedoch mit Beschluss vom 11. März 2011 wegen der Versäumung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.
In der Sache bleibt das Rechtsmittel jedoch ohne Erfolg. Zu Recht hat das Rheinschifffahrtsgericht gegen den Betroffenen wegen - zumindest fahrlässiger - tateinheitlicher Zuwiderhandlung gegen die ihn als verantwortlichen Schiffsführer des MS »Transbode 11« nach § 1.10 Nr. 1 lit. c und d RheinSchPV treffende Pflicht sicherzustellen, dass sich an Bord ein ordnungs- gemäß ausgefülltes Bordbuch einschließlich der Bescheinigung nach Anlage K der Rheinschiffsuntersuchungsordnung befindet (Ordnungswidrigkeit nach Art. 4 Abs. 4 Nr. 7 RheinSchPEV i. V. m. § 7 Abs. 1 Bin- SchAufgG), und gegen die nach § 23.04 Nr. 2 RheinSchUO - in Kraft bis 31. Dezember 2008 - bestehende Pflicht zum Besitz eines auf seine Person ausgestellten Schifferdienstbuchs nach dem Muster der Anlage F oder eines anderen von der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt anerkannten gültigen Dienstbuchs (Ordnungswidrigkeit nach Art. 8 Abs. 5 Nr. 2 lit. a RheinSchUEV i. V. m. § 7 Abs. 1 Bin- SchAufgG) ein Bußgeld verhängt.
Die Einlassung des Betroffenen rechtfertigt keine hiervon abweichende Beurteilung. Die Mitführung eines polnischen Bordoder Logbuchs ist zur Erfüllung der in § 1.10 Nr. 1 lit. c RheinSchPV statuierten Pflicht nicht geeignet. Nach der Anlage E zur Rheinschiffsuntersuchungsordnung muss das erste Bordbuch eines jeden Schiffs von der Untersuchungskommission ausgestellt sein, die dem Schiff das Schiffsattest erteilt hat; alle nachfolgenden Bordbücher können von einer örtlich zuständigen Behörde mit der Folgenummer nummeriert und ausgegeben werden, dürfen jedoch nur gegen Vorlage des vorangegangenen Bordbuchs ausgehändigt werden. Diesen Anforderungen genügt ein polnisches Bordbuch nicht. Dasselbe galt im Mai 2008 für das von der polnischen Behörde ausgestellte Schifferdienstbuch des Betroffenen im Hinblick auf die Vorschrift des § 23.04 Abs. 2 Rhein- SchUO. Die Zentralkommission für die Rheinschifffahrt ist zwar bereits seit dem Jahr 2002 bestrebt, die Verpflichtungen der Gewerbetreibenden in der Binnenschifffahrt zu vereinfachen und die Freizügigkeit der Besatzungsmitglieder zu erleichtern, und hat zur Erreichung dieses Ziels am 8. Dezember 2010 mit den zuständigen Ministerien verschiedener Nichtmitgliedstaaten, darunter auch der Republik Polen, eine Verwaltungsvereinbarung über die gegenseitige Anerkennung der Schifferdienstbücher geschlossen. Die gegenseitige Anerkennung gilt aber erst ab 1. Juli 2011; bis zu diesem Zeitpunkt musste jeder Schiffer Inhaber eines rheinischen Schifferdienstbuchs sein, um auf dem Rhein arbeiten zu können.
Entgegen der Auffassung des Betroffenen trifft es auch nicht zu, dass nach dem Recht der Europäischen Union sämtliche Dokumente, die in einem Mitgliedstaat ausgestellt wurden, in den übrigen Mitgliedstaaten ohne weiteres anzuerkennen sind. Eine Vorschrift dieses Inhalts ist der Berufungskammer nicht bekannt und wird von dem Betroffenen auch nicht benannt. Gegen die Höhe des verhängten Bußgelds, die auch die Berufungskammer für angemessen hält, hat der Betroffene keine Einwände erhoben.
Aus den dargelegten Gründen wird daher für Recht erkannt:
Die Berufung des Betroffenen gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Rheinschifffahrtsgerichts - Duisburg-Ruhrort vom 10. September 2009 - 18 OWi 56/09 BSch - wird zurückgewiesen.
Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei.
Die notwendigen Auslagen fallen dem Betroffenen zur Last.
Ebenfalls abrufbar unter ZfB 2012 - Nr.7 (Sammlung Seite 2192 f.); ZfB 2011, 2192 f.