Jurisprudentiedatabank
Urteil der Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt
vom 25. März 2008
444 B - 3/08
Tatbestand:
Der in Berlin wohnhafte Betroffene, Inhaber des Großen Patents für die Rheinstrecke von Strom-km 166,64 - 1035,40, befand sich am 1.4.2006 an Bord des MS „N“, Heimatort Berlin, und zwar nach eigener Angabe als Lotse für die Fahrt von Lampertheim nach Kehl. Mit diesem Fahrzeug lief er nach Ankündigung der Ausfahrt über Funk gegen 6.50 Uhr aus dem Hafen Wörth aus, obwohl bereits um 06.15 Uhr die Hochwassermarke II am Pegel Maxau erreicht worden war. Direkt nach der Funkdurchsage wurde das Fahrzeug von der Wasserschutzpolizei über Funk angesprochen. Funkkontakt kam mit diesem Fahrzeug, das unvermindert aus dem Hafen auslief, jedoch nicht zustande. Es wurde dann gegen 07.15 Uhr auf dem Rhein bei Strom-km 365 einer Schiffskontrolle unterzogen. Dabei gab der Betroffene bei seiner Anhörung an, nicht gewusst zu haben, daß die Hochwassermarke II bereits erreicht worden sei. Vor ihm sei bereits ein Verband aus dem Hafen gefahren. Da habe er sich keine Gedanken gemacht und sei hinterher gefahren.
Nachdem der Betroffene gegen den durch die WSD Südwest erlassenen Bußgeldbescheid Einspruch eingelegt und diesen begründet hatte, hat das Rheinschifffahrtsgericht Mannheim mit Beschluss vom 19.2.2007 gegen den Betroffenen wegen eines zumindest fahrlässig begangenen Verstoßes gegen § 10.01 Nr. 2 RheinSchPV eine Geldbuße in Höhe von 300 € festgesetzt. Zur Begründung hat es dazu im wesentlichen ausgeführt: Soweit der Betroffene vorgebracht habe, dass er am Vorabend wegen des hohen Wasserstandes den Hafen Wörth aufgesucht habe und dass zu diesem Zeitpunkt über den nautischen Informationsfunk bereits zurückgehende Wasserstände gemeldet worden seien, weshalb er mit einer Sperrung nicht gerechnet habe, sei dieses Vorbringen nicht geeignet, das Nichtbeachten des im dortigen Stromabschnitt ab Erreichens der Hochwassermarke II am Pegel Maxau bestehenden Verbots der Schifffahrt zu rechtfertigen oder zu entschuldigen. Aufgrund des nach eigenen Angaben am Vorabend erkennbaren hohen Wasserstandes sei es - trotz der angeblich zurückgehenden Wasserstände - auch für ihn vorhersehbar und erkennbar gewesen, dass es im Verlaufe der Nacht zum Erreichen der Hochwassermarke II kommen könne. Zudem sei bereits um 6.15 Uhr durch den nautischen Informationsfunk, mithin ca. 35 Minuten vor seiner Abfahrt, mitgeteilt worden, dass der Stromabschnitt wegen Erreichen der Hochwassermarke II gesperrt sei. Ferner sei das GMS "N", direkt nachdem es seine Ausfahrt aus dem Hafen Wörth über Kanal 10 gemeldet habe, von der Besatzung des Polizeibootes über Funk angesprochen worden, ohne dass hierauf eine Reaktion erfolgt sei. Der Betroffene habe somit vorsätzlich gegen das Schifffahrtsverbot nach Erreichen der Hochwassermarke II (§ 10.01 Nr. 2 RheinSchPV) verstoßen, was gemäß Artikel 4 Abs. 3 Nr. 17 Buchst. r RheinSchPEV als Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße zu ahnden sei. Entgegen der Auffassung des Betroffenen sei die Tat auch nicht verjährt (§ 31 Abs. 2 Nr. 4 OWiG). Aufgrund der dargelegten Einkommensverhältnisse sei ihm Ratenzahlung zu gewähren gewesen.
Gegen diesen Beschluss hat der Betroffene Berufung zum Zwecke einer endgültigen Entscheidung über den Vorgang/Vorwurf durch die Zentralkommission für die Rheinschifffahrt eingelegt. Zur Begründung der begehrten Überprüfung des Vorwurfs hat er im Wesentlichen vorgebracht, dass er nicht von der Wasserschutzpolizei über Funk angesprochen worden sei. Das Polizeiboot habe sich nicht über Funk als solches zu erkennen gegeben oder gar die Ausfahrt untersagt. Im Übrigen erachtet er die festgesetzte Geldbuße für die fahrlässig begangene Ordnungswidrigkeit bei seinen eigenen Einkommensverhältnissen (die er im Berufungsrechtzug auch belegt hat) für unangemessen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht angebrachte Berufung des Betroffenen führt nur zu einer Herabsetzung der Geldbuße von 300 auf 50 Euro.
Der Betroffene hat, wie das Rheinschifffahrtsgericht in der Beschlussformel – anders als in der dazu gegebenen Begründung - zutreffend ausgeführt hat, fahrlässig einer Vorschrift über die Schifffahrt bei Hochwasser zuwidergehandelt. Denn er ist mit dem von ihm geführten MS „N“ am 1.4.06 gegen 06.50 Uhr aus dem Hafen Wörth auf den Rhein ausgelaufen und bergwärts gefahren, obwohl in dem dortigen Streckenabschnitt die Schifffahrt wegen Erreichens der Hochwassermarke II am maßgeblichen Richtpegel Maxau gem. § 10.01 Nr. 2 RheinSchPV bereits seit 06.15 Uhr verboten war.
Wenn der Betroffene insoweit geltend macht, das Auslaufen auf den Strom hätte von der Wasserschutzpolizei mit Leichtigkeit verhindert werden können, so ist dies in diesem Zusammenhang unbeachtlich. Denn Gegenstand dieses Verfahrens ist nur sein eigenes Fehlverhalten. Zwar ist seine Einlassung, bei der Ausfahrt aus dem Hafen keine Kenntnis vom Erreichen der Hochwassermarke II gehabt zu haben, nicht zu widerlegen. Dass er die über den Nautischen Informationsfunk bereits um 06.15 Uhr erfolgte Mitteilung über das Erreichen der Hochwassermarke II mitbekommen hat, ist bei dem erst ca. ½ Stunde später erfolgten Auslaufen aus dem Hafen nicht anzunehmen. Ferner ist sein Vorbringen, dass bei seiner rechtzeitig über Funk erfolgten Ausfahrtsmeldung ein Abbruch des Auslaufmanövers noch möglich gewesen wäre, wenn sich die Wasserschutzpolizei als solche erkennbar über Funk gemeldet oder die Ausfahrt untersagt hätte, gleichfalls nicht zu widerlegen. Denn in der hierzu von der Bußgeldbehörde eingeholten Stellungnahme der Wasserschutzpolizei wird darauf, wie die Ansprache des Schiffes nach der Ausfahrtsmeldung erfolgte und was hierbei gesagt wurde, nicht eingegangen sondern nur erwähnt, dass das Fahrzeug über Funk angesprochen worden sei und ein Kontakt über Funk nicht zustande gekommen sei.
Dennoch, und das ist entscheidend, wäre er bei dem von ihm schon am Vorabend erkannten und vor dem Auslaufen ebenfalls erkennbaren hohen Wasserstand verpflichtet gewesen, sich vor Aufnahme der Fahrt Gewissheit darüber zu verschaffen, ob die Schifffahrt auf dem Rhein im dortigen Revier noch zulässig war, denn mit dem Erreichen der Hochwassermarke II war auf jeden Fall zu rechnen. Hierzu hätte – auch ohne Kenntnis von der telefonischen Abrufmöglichkeit des Pegelstands - schon eine kurze telefonische Anfrage bei der Wasserschutzpolizei oder der zuständigen Revierzentrale genügt. Dem ist der Betroffene nicht nachgekommen.
Ob der in Berlin wohnhafte Betroffene – wie er angibt – dabei seinerzeit als Lotse an Bord des Schiffes war (als solcher darf sich nach § 1 der für den dortigen Bereich gültigen Lotsenordnung nur der Inhaber eines Lotsenpatents bezeichnen), kann im Ergebnis dahinstehen, denn aus seinen eigenen Angaben ist zu entnehmen, dass ihm als Inhaber des Großen Patents zumindest seinerzeit die verantwortliche Schiffsführung oblag.
Der Betroffene hat somit – wie er auch selbst im Ergebnis zugesteht - fahrlässig als Schiffsführer einer Vorschrift über die Schifffahrt bei Hochwasser nach § 10.01 Nr. 2 RheinSchPV zuwidergehandelt, was nach Art. 4 Abs. 3 Nr. 17 Buchst. r RheinSchPEV als Ordnungswidrigkeit im Sinne des § 7 des Binnenschifffahrtsaufgabengesetzes mit einer Geldbuße zu ahnden war.
Unter Berücksichtigung aller Umstände des hier vorliegenden Einzelfalles erachtet die Berufungskammer eine Geldbuße in Höhe von 50 € für tat- und schuldangemessen. Hierbei wurden die von einem hauptberuflich tätigen Schiffsführer ganz erheblich abweichenden wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen berücksichtigt, wobei nicht unerwähnt bleiben soll, dass nach den Empfehlungen der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt für derartige Verstöße ein Bußgeld in Höhe von 400 € vorgesehen ist.
Aus den dargelegten Gründen wird für Recht erkannt:
1. Auf die Berufung des Betroffenen wird der Beschluss des Rheinschifffahrtsgerichts Mannheim vom 19.2.2007 unter Aufrechterhaltung im übrigen dahingehend abgeändert, dass die gegen den Betroffenen festgesetzte Geldbuße auf 50 € ermäßigt wird.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Betroffene.