Jurisprudentiedatabank
Urteil der Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt
vom 06. April 2007
433 Z - 1/07
Tatbestand:
Die Klägerin betreibt von T aus Schifffahrt mit mehreren Motorschleppern. Die Beklagte ist Eignerin, zumindest Ausrüsterin des TMS „C“.
Am 19.1.2004 befand sich das mit ca. 1.100 to Heizöl beladene Fahrzeug auf der Bergfahrt auf dem Rhein. Es wurde hierbei von dem Schiffsführer W verantwortlich geführt. Um die Mittagszeit bemerkte dieser in Höhe von Strom-km 545,3 (Ortslage Kaub) einen Ausfall der Ruderanlage. Mit Hilfe der Bugstrahlruderanlage brachte er das TMS zum linken Ufer, wo er mit gesetztem Backbord-Anker und einem zu den dort vorhandenen Festmacheeinrichtungen ausgebrachten Vorausdraht liegen blieb.
Anschließend verständigte er die nautische Informationszentrale in Oberwesel und bat die Klägerin, ihm beim Verbringen des Schiffs nach Bingen behilflich zu sein. Auf Antrag der Klägerin wurde vom Wasser- und Schifffahrtsamt ("WSA") Bingen die Genehmigung zum Verschleppen des TMS erteilt. Die Genehmigung enthielt die Auflage, hierbei neben einem Schlepper als Vorspann noch einen weiteren, achtern am Tanker festgemachten Schlepper einzusetzen.
Nachdem das von der Klägerin eingesetzte SB „R“ bei dem Tanker eingetroffen war und achtern auf Backbord-Seite festgemacht hatte, begab sich dessen Schiffsführer auf das TMS und legte dort dem Schiffsführer W zur Unterzeichnung ein Auftragsformular vor, das generell von der Klägerin verwendet wird. Dieser von W unterzeichnete „Hilfeleistungs-Auftrag“ enthält unter anderem folgende vorformulierte Bestimmungen:
„1. Hiermit beauftrage ich den Schiffsführer des …, auf meinem festliegenden/gefährdeten Fahrzeug zu turnen bzw. Hilfe zu leisten.
…
3. Ich verpflichte mich, für alle im Verlaufe der Turnarbeiten/Hilfeleistungen an dem turnenden/hilfeleistenden Fahrzeug und dessen Strängen und/oder dessen Besatzung entstehenden unmittelbaren und mittelbaren materiellen Schäden und Kosten – einschließlich Nutzungsverlust – aufzukommen.
4. Weiterhin verpflichte ich mich gegenüber dem Eigentümer/Besitzer des turnenden/hilfeleistenden Fahrzeugs und dessen Besatzung, für alle materiellen Schäden und Kosten – einschließlich Nutzungsverlust – aufzukommen, die im Verlaufe der Turnarbeit/Hilfeleistung entstehen und für welche von dritter Seite … berechtigte Ansprüche gestellt werden.
5. Jegliche Ansprüche gegenüber dem Eigentümer/Besitzer des turnenden/hilfeleistenden Fahrzeugs für Schäden, die während der Turnarbeit/Hilfeleistung an meinem Fahrzeug und oder dessen Ladung und/oder dessen Besatzung oder sonstigen Personen entstehen, sind ausgeschlossen, gleich welcher Art und Umfang diese Schäden auch sein mögen.
6. Die in den Ziffern 3, 4 und 5 bestimmte Haftungs-Freistellung gilt nur dann nicht, wenn die entstandenen Schäden und Kosten verursacht wurden durch eigene Handlung oder eigene Unterlassung des Eigentümers/Besitzers des turnenden/hilfeleistenden Fahrzeugs,
- die entweder in der Absicht, diese Schäden und Kosten herbeizuführen, oder
- die leichtfertig und in dem Bewusstsein begangen wurden, dass diese Schäden und Kosten mit Wahrscheinlichkeit eintreten werden.
Sollte diese Klausel nach einer zwingend vorgeschriebenen Rechtsregel teilweise nichtig sein, so ist sie nur hinsichtlich dieser Teile nichtig, sie behält jedoch hinsichtlich der übrigen Teile ihre volle Wirkung.
… .“
Noch bevor dann das weitere Schleppboot, welches das TMS ins Schlepp nehmen sollte, vor Ort war, veranlasste der Schiffsführer von SB "R" das TMS, die zum Land ausgebrachten Drähte einzuholen und den Anker zu lichten. Nachdem dies geschehen war, verfiel TMS "C" mit dem Kopf nach Backbord, was den Schiffsführer des Tankers zum erneuten Setzen des Backbord-Ankers veranlasste. Währenddessen näherte sich das zu Berg fahrende GMS "L", das mit dem Bug gegen die Backbordseite des SB "R" stieß, welches manövrierunfähig mit seiner Steuerbordseite gegen die Backbordseite des TMS verfiel. An SB "R" entstanden auf beiden Seiten des Schiffes Schäden. GMS "L" erlitt einen geringfügigen Schaden, der der Klägerin mit 1.000,00 EUR in Rechnung gestellt und nach ihren Angaben von ihr reguliert wurde, während das TMS ohne Schäden blieb. Zu einem späteren Zeitpunkt des gleichen Tages wurde das TMS von den ebenfalls der Klägerin gehörenden Schleppbooten "H" und "M" nach Bingen verschleppt.
Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin von der Beklagten die Zahlung der unter dem 26.1.2004 berechneten Vergütung in Höhe von 2.525,16 € sowie Ersatz der Schäden, die ihr infolge der Kollision zwischen SB „R“ und MS „L“ entstanden sind und die sie gemäß näherer Aufschlüsselung in der Klageschrift mit 22.233,84 € geltend macht.
Zur Begründung hat sie im Wesentlichen vorgebracht:
Die Klägerin habe dem TMS "C" Hilfe geleistet, was deren Schiffsführer auch mit der Unterzeichnung des ihm vorgelegten "Hilfeleistungs-Auftrags" anerkannt habe. Die Beklagte sei deshalb auch verpflichtet, die der Klägerin in Erfüllung des Vertrages entstandenen Schäden zu ersetzen. Ihr Schiffsführer A habe das TMS erst aufgefordert loszumachen, als SB "M" sich in unmittelbarer Nähe befunden habe. Dieses Schleppboot habe das TMS erst ins Schlepp nehmen können, nachdem das TMS losgemacht gehabt habe, weil sonst die Gefahr bestanden hätte, dass es über Festmacherdraht oder Ankerkette gefahren wäre. SB "R" hätte das TMS auch zu sichern vermocht, wenn nicht Treibholz in die Düse geraten und das SB dadurch manövrierunfähig geworden wäre.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 24.759,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit 6. Mai 2004 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat geltend gemacht, ihr Schiffsführer W habe die Klägerin lediglich beauftragt, das TMS "C" nach Bingen zu verschleppen, wo die notwendige Reparatur der Ruderanlage leichter habe durchgeführt werden können. Ein Notfall habe nicht vorgelegen, was ihr Schiffsführer bei Unterzeichnung des Vertrages auch deutlich gemacht habe. Darüber hinaus habe der Schiffsführer des Schleppbootes „R“ den Zusammenstoß mit MS "L" grob fahrlässig herbeigeführt: Er habe das TMS veranlasst, den an Land befestigten Draht zu lösen und den Anker zu lichten, obgleich der Kopfschlepper noch nicht vor Ort gewesen sei. Dabei habe das WSA die Verschleppung nur unter der Auflage genehmigt, dass das TMS "C" von zwei Schleppern gesichert werde. Selbst wenn – was bestritten werde - Treibholz in die Düse geraten sei und die Ruderanlage des SB „R“ blockiert habe, hätte die Führung des Schleppbootes mit einer solchen Möglichkeit rechnen müssen; dessen Führer habe nach dem Vorfall geäußert, dies sei schon des Öfteren vorgekommen.
Das Rheinschifffahrtsgericht hat nach Beweiserhebung der Klage, soweit auf Zahlung der für die Leistung der Klägerin berechneten Vergütung von 2.525.16 € gerichtet, stattgegeben. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.
Zur Begründung der Klageabweisung hat es im Wesentlichen ausgeführt:
Zwischen den Parteien sei auf der Grundlage des von dem Schiffsführer der Beklagten W unterzeichneten Hilfeleistungs-Auftrages vom 19. Januar 2004 ein Vertrag zustande gekommen, wonach die Klägerin nach den dort genannten Bedingungen habe Hilfe leisten sollen. Zwar habe die Beklagte der Klägerin bereits zuvor den Auftrag zum Verschleppen des Schiffes erteilt gehabt. Mit Vorlage des Auftrags-Formulars habe die Klägerin indes kenntlich gemacht, dass sie nur zu den dort genannten Bedingungen bereit sei, die Verschleppung durchzuführen. Schiffsführer W habe nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme diese Bedingungen als Vertragsbestandteil anerkannt. Anders könne seine Unterschrift unter das Schriftstück nicht verstanden werden, auch wenn das Formular nicht vollständig ausgefüllt gewesen sein sollte.
Gleichwohl könne die Klägerin nicht Erstattung des Schadens verlangen, der infolge der Hilfeleistung an dem Schubboot "R" entstanden sei und den sie durch Befriedigung (der Interessenten) des GMS "L" erlitten habe. Zwar habe die Beklagte sich nach dem Vertragsinhalt verpflichtet, für derartige Schäden aufzukommen. Im vorliegenden Fall sei indes zu beachten, dass die Bediensteten der Klägerin die Schäden grob fahrlässig herbeigeführt hätten. Insoweit gelte für den in Deutschland geschlossenen Vertrag § 309 Nr. 7 BGB, wonach durch Allgemeine Geschäftsbedingungen die Haftung des Verwenders für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit nicht ausgeschlossen werden könne. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei davon auszugehen, dass der Zusammenstoß von GMS "L" und SB "R" auf grob fahrlässiges Verhalten des Schiffsführers A zurückzuführen sei. Grobe Fahrlässigkeit liege vor, wenn die verkehrserforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt werde. Dies sei vor allem dann anzunehmen, wenn Bestimmungen und Auflagen missachtet würden, so insbesondere, wenn Vorschriften zur Verhütung von Unfällen nicht beachtet werden (vgl. OLG Köln, Versicherungsrecht 1999, Seite 1560).
Der Zeuge E habe bei seiner Einvernahme bestätigt, die Verschleppung des TMS "C" nur unter der Auflage genehmigt zu haben, dass dabei zwei Schlepper eingesetzt werden. Dies habe für die gesamte Zeit des Schleppvorganges gegolten, also schon vom Beginn an. Schiffsführer A habe als Zeuge zugestanden, das zweite SB "M" habe sich noch im Bereich Lorch befunden, als er zunächst das Heck des TMS freigefahren und anschließend die Anweisung gegeben habe, den Vorausdraht zu lösen und den Buganker einzuholen. Entgegen der Auflage der WSA Bingen habe der Schiffsführer A also bereits mit dem Verschleppen begonnen, obgleich SB "M" noch nicht zur Stelle gewesen sei. Nach dem Bericht des PK „K“ in den Ermittlungsakten sei der Zusammenstoß des SB "R" mit GMS "L" bereits um 17.16 Uhr der NIF Oberwesel gemeldet worden; SB "M" sei beim Eintreffen der WSP um 17.35 Uhr noch immer nicht vor Ort gewesen.
Es könne nicht davon ausgegangen werden, die Anwesenheit des SB "M" sei nicht vonnöten gewesen. Abgesehen davon, dass das Schleppboot jedenfalls vor Ort hätte sein müssen, sei nicht zu ersehen, dass SB "M" das TMS nicht schon hätte aufnehmen können, bevor dieses den Anker gelichtet und den Vorausdraht gelöst hatte.
Schiffsführer A hätte mit den tatsächlich eingetretenen Schwierigkeiten rechnen müssen. Am 19. Januar 2004 habe sich der Pegel Kaub im Bereich der Hochwassermarke l befunden, nachdem zuvor die Wasserstände extrem niedrig gewesen seien. Es sei deshalb mit vermehrtem Treibgut zu rechnen gewesen, weshalb auch aus diesem Grunde eine Sicherung des Verbandes mit einem zweiten Schleppboot angezeigt gewesen sei, zumal SB "R", wie die Beklagte unwidersprochen vorgetragen habe, bereits des Öfteren entsprechende Schwierigkeiten gehabt habe.
§ 746 HGB finde im vorliegenden Falle keine Anwendung. Auch wenn § 93 BinSchG neuer Fassung die Anwendung der §§ 740 ff. HGB nicht mehr davon abhängig mache, dass die Gefahr eines Unterganges bestehe, könnten im vorliegenden Fall die Voraussetzungen für eine Anwendung der Bestimmungen für eine "Bergung" nicht angenommen werden. TMS "C" habe an einem als solcher ausgewiesenen Schiffsliegeplatz gelegen, auch wenn dieser nur noch selten benutzt werde. Es habe keinerlei Gefahr bestanden, auch wenn der Zeuge W bekundet habe, die Lage sei etwas "ungemütlich" gewesen, was vor allem wohl auf das im Fallen begriffene Hochwasser zurückzuführen gewesen sei. TMS "C" habe lediglich an einen anderen Ort verschleppt werden müssen, um die notwendige Reparatur leichter durchführen zu können. Derartige Fälle könnten nicht als "Gefahr" im Sinne des § 93 BinSchG bezeichnet werden.
Gegen dieses Urteil hat die Klägerin, soweit ihre Klage abgewiesen worden ist, form- und fristgerecht Berufung mit dem Antrag auf Entscheidung durch die Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt eingelegt und ihr Rechtsmittel fristgerecht begründet.
Mit ihrer Berufung wendet sich die Klägerin dagegen, dass das Rheinschifffahrtsgericht einen Anspruch gegen die Beklagte auf Ersatz des ihr im Zusammenhang mit dem Einsatz des SB „R“ durch die Kollision entstandenen eigenen Schadens sowie auf Erstattung des von ihr zur Regulierung des Schadens an GMS „L“ aufgewendeten Betrages nicht für gegeben erachtet hat.
Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus:
§ 309 Nr. 7 BGB stehe dem vertraglich begründeten Ersatzanspruch schon deswegen nicht entgegen, weil es sich bei dem Hilfeleistungsauftrag vom 19.1.2004 nicht um Allgemeine Geschäftsbedingungen, sondern um eine Individualvereinbarung handele. Dies ergebe sich daraus, dass in der Überschrift des verwendeten Formulars das Wort „Turn-Auftrag“ gestrichen und dass das Formular in wesentlichen Vertragspunkten handschriftlich ausgefüllt worden sei. Eine Individualvereinbarung sei auch deshalb gegeben, weil die Parteien über den Abschluss dieser Vereinbarung verhandelt hätten. Beide Schiffsführer hätten bei ihrer Vernehmung bestätigt, dass der schriftliche Vertrag an Bord des TMS „C“ ausgefertigt worden sei. Nach der Aussage des Schiffsführers W habe Schiffsführer A die Notwendigkeit des schriftlichen Vertragsschlusses mit den Worten begründet, „es müsse sein, weil er uns ja helfen solle.“ Eine unter solchen Umständen ausgehandelte Vereinbarung sei keine Allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne der §§ 305 ff. BGB, sondern eine Individualabrede.
§ 309 Nr. 7 BGB stehe der Wirksamkeit der Haftungsklauseln auch deswegen nicht entgegen, weil einer Vertragspartei die Haftung auch für grobes Verschulden dann erlassen werden könne, wenn solche Haftungsbegrenzungen sich auf typischerweise bei Geschäften der fraglichen Art entstehende Schäden bezögen oder wenn es sich um allseits anerkannte branchentypische Freizeichnungen handele. Die in dem Hilfeleistungsvertrag „vorgenommenen Freizeichnungen bzw. Haftungen des Auftraggebers“ seien nicht nur für einen Hilfeleistenden branchentypisch, sondern entsprächen dem gesetzlichen Modell der §§ 740 ff. HGB. Nach § 746 Abs. 1 HGB könne der Bergelohn, zu dem gemäß § 743 Ziffer 6 HGB auch die dem Berger entstandenen Unkosten und Verluste zählten, nur dann herabgesetzt oder gänzlich versagt werden, wenn der Berger sich des Betruges oder eines anderen unredlichen Verhaltens schuldig gemacht habe. Damit sei auch die Haftung für eigenes grobes Verschulden ausgeschlossen.
Ungeachtet dessen habe die Klägerin auch nicht grob fahrlässig gehandelt. Der Einsatz des zweiten Schleppers sei vom WSA nur für den eigentlichen Verschleppvorgang, nicht für dessen Vorbereitung angeordnet gewesen. Um ein gefahrloses Vorspannen des Kopfschleppers zu ermöglichen, sei es erforderlich gewesen, den Landdraht des TMS zu lösen und den Buganker zu lichten. Der Schiffsführer des SB „R“ habe daher weder gegen eine behördliche Auflage verstoßen noch fahrlässig oder gar grob fahrlässig gehandelt.
Der Klageanspruch ergebe sich auch aus §§ 742 und 743 HGB. TMS „C“ habe sich entgegen der Auffassung des Rheinschifffahrtsgerichts in permanenter Gefahr befunden, weil es an einer heute nicht mehr als Liegeplatz benutzten Stelle mit unsicherem Ankergrund gelegen habe und bei fallendem Hochwasser mit dem Steuerbordschiff auf den Schüttsteinen der Uferbefestigung hin und her gerutscht sei.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Rheinschifffahrtsgerichts St. Goar vom 29.5.2006 dahin abzuändern, dass der Klage nach den in erster Instanz gestellten Schlussanträgen der Klägerin in vollem Umfang stattgegeben wird.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil im Ergebnis und trägt unter Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens im Wesentlichen vor:
Zwischen den Parteien sei nicht einmal ein Hilfeleistungs-, sondern nur ein fernmündlicher Verschleppungsauftrag zustande gekommen, woran das vom Schiffsführer der Klägerin nachträglich verwendete falsche Formular nichts ändern könne. Auf das Verschleppen bezögen sich die formularmäßigen Haftungsausschlüsse nicht. Soweit es auf den schriftlichen Auftrag ankommen sollte, sei § 309 Nr. 7 BGB einschlägig, weil es sich entgegen der Auffassung der Klägerin um nicht ausgehandelte Allgemeine Geschäftsbedingungen handele. Ebenso sei dem Rheinschifffahrtsgericht darin zu folgen, dass die Schiffsführung des SB „R“ den Unfall grob fahrlässig verursacht habe, weil sie sich pflichtwidrig über die Auflage des WSA hinweggesetzt habe und zudem aufgrund vorausgegangener gleichartiger Vorfälle mit einer Blockierung der Ruderanlage durch Treibholz habe rechnen müssen.
§§ 740 ff. HGB seien entgegen der Auffassung der Klägerin im vorliegenden Fall schon deswegen nicht einschlägig, weil TMS „C“ sich zu keiner Zeit in einer Gefahr befunden habe, sondern in Ufernähe ruhig vor Anker gelegen habe und an Land befestigt gewesen sei. Ein Fahrzeug in dieser Lage befinde sich begrifflich nicht in Gefahr.
Auch der Höhe nach sei die Forderung der Klägerin nicht gerechtfertigt.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist zulässig, bleibt in der Sache aber ohne Erfolg. Das Rheinschifffahrtsgericht hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass der Klägerin ein vertraglicher Anspruch auf Schadensersatz gegen die Beklagte nicht zusteht. Auch gesetzliche Ansprüche nach § 93 BinSchG i.V.m. §§ 740 ff. HGB kommen nach zutreffender Auffassung der Vorinstanz nicht in Betracht.
I.
Das Schadensersatzbegehren findet in dem vom Schiffsführer der Beklagten unterzeichneten „Hilfeleistungs-Auftrag“ keine Stütze.
Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Beklagte – wie diese geltend macht – der Klägerin lediglich einen gewöhnlichen Schleppauftrag erteilt hat oder ob sie – wie das Rheinschifffahrtsgericht angenommen hat – mit der Klägerin eine Hilfeleistung für das infolge Ausfalls der Ruderanlage manövrierunfähige TMS „C“ vereinbart hat. Ist Ersteres der Fall, sind die im Tatbestand wiedergegebenen Haftungsklauseln Nr. 3 und 4 des „Hilfeleistungs-Auftrags“ schon nicht einschlägig, weil sie sich ausnahmslos auf Turnarbeiten und Hilfeleistungen für ein festliegendes/gefährdetes Fahrzeug, nicht aber auf gewöhnliche Schleppleistungen beziehen. Aber auch wenn das von der Klägerin zu bewerkstelligende
Verbringen des manövrierunfähigen TMS „C“ nach Bingen in Übereinstimmung mit der Vorinstanz als Hilfeleistung einzustufen sein sollte, kann die Klägerin aus Nr. 3 und 4 der Bedingungen des „Hilfeleistungs-Auftrags“ – allein diese Klauseln kommen als Grundlage für die klagegegenständlichen Schadensersatzansprüche in Betracht – keine Ersatzansprüche gegen die Beklagte herleiten. Denn die Klauseln Nr. 3 und 4 sind gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB wegen unangemessener Benachteiligung der Vertragspartner der Klägerin unwirksam.
1. Die Klauseln unterliegen der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB, denn es handelt sich bei ihnen unzweifelhaft um Allgemeine Geschäftsbedingungen. Die Klauseln sind Bestandteil des vorgedruckten Textes des von der Klägerin für den Vertragsschluss verwendeten Formulars „Turn-Auftrag/Hilfeleistungs-Auftrag“. Dass dieses Formular für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen – so die Definition der Allgemeinen Geschäftsbedingungen in § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB – enthält, bedarf schon angesichts der äußeren Aufmachung – es handelt sich um einen Vordruck mit Leerräumen zum Einsetzen der im Einzelfall zu ergänzenden Angaben zu dem hilfsbedürftigen Fahrzeug, dessen Eigner, Versicherer, Schiffsführer, zu Ort und Zeit der Hilfeleistung etc. – keiner weiteren Begründung.
Der Charakter der Klauseln Nr. 3 und 4 als Allgemeine Geschäftsbedingungen steht entgegen der Auffassung der Klägerin nicht deswegen in Frage, weil das Formular – wie zu unterstellen ist, vor der Unterzeichnung durch den Schiffsführer W– in wesentlichen Punkten handschriftlich um unselbständige Angaben zur Konkretisierung des vorliegenden Vertrages ergänzt worden ist (ständige Rspr., z.B. BGHZ 99, 203, 205 f.; 118, 229, 238). Davon abgesehen sind jedenfalls die hier interessierenden Klauseln Nr. 3 und 4 vollständig vorgedruckt und nicht handschriftlich ergänzt worden.
2. Anders als die Klägerin meint, sind die Klauseln auch nicht deswegen der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB entzogen, weil ihr Inhalt zwischen den Vertragsparteien ausgehandelt worden wäre (§ 305 Abs. 1 Satz 3 BGB). Denn dass die Klauseln Nr. 3 und 4 – oder der vorformulierte Vertragstext insgesamt – im Rechtssinne ausgehandelt worden seien, ist dem Vorbringen der Klägerin nicht zu entnehmen.
"Aushandeln" in diesem Sinne bedeutet mehr als verhandeln. Es genügt nicht, dass das gestellte Formular dem Verhandlungspartner bekannt ist und nicht auf Bedenken stößt, dass der Inhalt lediglich erläutert oder erörtert wird und den Vorstellungen des Partners entspricht. Von einem Aushandeln in diesem Sinne kann vielmehr nur dann gesprochen werden, wenn der Verwender zunächst den in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltenen "gesetzesfremden Kerngehalt", also die den wesentlichen Inhalt der gesetzlichen Regelung ändernden oder ergänzenden Bestimmungen, inhaltlich ernsthaft zur Disposition stellt und dem Verhandlungspartner Gestaltungsfreiheit zur Wahrung eigener Interessen einräumt mit zumindest der realen Möglichkeit, die inhaltliche Ausgestaltung der Vertragsbedingungen zu beeinflussen. Er muss sich also deutlich und ernsthaft zur gewünschten Änderung einzelner Klauseln bereit erklären (st. Rspr., z.B. BGHZ 143, 104, 111 f. m.w.Nachw.). Der von der Klägerin vorgetragene Umstand, dass der Schiffsführer A des SB „R“ als Repräsentant der Klägerin die Unterzeichnung des Vertragsformulars durch den Schiffsführer Wals notwendig bezeichnete und letzterer daraufhin unterschrieb, reicht für ein Aushandeln des Vertragsinhalts im Sinne des § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB daher bei weitem nicht aus.
3. Die Klauseln Nr. 3 und 4 des „Hilfeleistungs-Auftrags“ benachteiligen die Vertragspartner der Klägerin entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen.
a) Sie verpflichten die Vertragspartner der Klägerin, dieser Schäden, die sie bei (Turnarbeiten oder) Hilfeleistungen erleidet oder Dritten zufügt, unabhängig davon zu ersetzen, wen an dem schädigenden Verhalten ein Verschulden trifft. Der insoweit völlig einschränkungslose Wortlaut der Klauseln schließt selbst den Fall ein, dass eigenes grobes Verschulden der Klägerin oder ihrer Erfüllungsgehilfen für den ihr oder einem Dritten entstandenen Schaden ursächlich ist.
b) Die Klausel Nr. 6 des „Hilfeleistungs-Auftrags“ schränkt diese Haftung nicht auf ein noch erträgliches Maß ein. Sofern sie überhaupt – abweichend von ihrem Wortlaut – nicht nur die „Haftungs-Freistellung“ der Klägerin gegenüber ihren Vertragspartnern in der Klausel Nr. 5, sondern auch die haftungsbegründenden Klauseln Nr. 3 und 4 betrifft, schließt sie die Ersatzpflicht der Vertragspartner der Klägerin nur für die Fälle aus, dass Schäden durch eigene Handlungen oder Unterlassungen der Klägerin entweder absichtlich oder leichtfertig und in dem Bewusstsein der Wahrscheinlichkeit ihres Eintritts herbeigeführt worden sind. Nicht berührt wird von diesem Ausschluss folglich der Fall, dass die Klägerin oder einer ihrer Erfüllungsgehilfen den Schaden grob fahrlässig verursacht hat, ohne den Schadenseintritt für wahrscheinlich gehalten zu haben. Die mit dem letzten Satz der Klausel Nr. 6 bezweckte „Heilung“ eines etwa verbotswidrigen Inhalts der Klausel vermag daran nichts zu ändern. Die Klausel ist nicht in dem Sinne trennbar, dass durch Herauslösung einer unangemessenen Teilregelung ein sonst nicht zu beanstandender sinnvoller und selbständiger Regelungsteil aufrechterhalten werden könnte (vgl. dazu BGHZ 93, 29, 37, 48 f.; 106, 19, 25 f.; 125, 343, 348). Vielmehr müsste die Klausel inhaltlich verändert werden, um die in den Klauseln Nr. 3 und 4 statuierte Haftung angemessen einzuschränken. Dem steht indessen das Verbot einer geltungserhaltenden Reduktion unangemessener Allgemeiner Geschäftsbedingungen (st. Rspr., z.B BGHZ 143, 104, 118 f.; 145, 203, 210) entgegen.
c) Mit diesem Inhalt benachteiligen die Klauseln Nr. 3 und 4 des „Hilfeleistungs-Auftrags“ die Vertragspartner der Klägerin entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen. Eine formularmäßige Vertragsbestimmung ist unangemessen im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen (st. Rspr., z.B. BGHZ 90, 280, 284; 120, 108, 118; 143, 104, 113, je m.w.Nachw.). So verhält es sich hier. Es mag noch angehen, im Hinblick auf die besondere Interessen- und Gefahrenlage bei Hilfeleistungen im Schiffsverkehr (vgl. zum Haftungsausschluss in einem Vertrag über Turnarbeiten und das anschließende Verschleppen des freigeturnten Fahrzeugs das Urteil der Berufungskammer vom 18.4.1985 – 176 Z 2/85, abgedruckt in Zeitschrift für Binnenschifffahrt 1985, S. 199 f.) eine verschuldensunabhängige Haftung des hilfebedürftigen Vertragspartners für Schäden zu statuieren, die der Hilfeleistende bei der Hilfeleistung erleidet oder Dritten zufügt. Eine Haftung des Vertragspartners für Schäden, die der Hilfeleistende selbst verschuldet hat, ist dagegen mit wesentlichen Grundgedanken des Schadensersatzrechts nicht zu vereinbaren und auch mit den Besonderheiten nautischer Hilfeleistungen nicht zu rechtfertigen. Das gilt erst recht für die hier in Rede stehende Klausel, nach der selbst durch grobes Eigenverschulden der Klägerin verursachte Schäden von deren Vertragspartnern zu ersetzen sein sollen. Dass eine haftungsbegründende Klausel dieses Inhalts keinen
Bestand haben kann, zeigt auch ein Vergleich mit dem korrespondierenden, wenn auch hier selbst nicht einschlägigen Klauselverbot des § 309 Nr. 7 Buchst. b BGB. Nach dieser Bestimmung ist es dem Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen verwehrt, seine Haftung für solche Schäden auszuschließen oder zu begrenzen, die auf einer grob fahrlässigen Pflichtverletzung des Verwenders oder eines seiner Erfüllungsgehilfen beruhen. Noch viel weniger kann es hingenommen werden, für diese Fälle in Allgemeinen Geschäftsbedingungen gar eine Haftung des Vertragspartners des Verwenders zu statuieren.
4. Da nach alledem die Klauseln Nr. 3 und 4 des „Hilfeleistungs-Auftrags“ gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam sind, scheiden sie als mögliche Anspruchsgrundlagen für den Ersatz der von der Klägerin geltend gemachten Schäden schlechthin aus. Auf die unter den Parteien streitige Frage, ob das Fehlverhalten der Schiffsführung des SB „R“ als fahrlässig/grob fahrlässig zu werten ist oder nicht, kommt es für die Entscheidung des Rechtsstreits somit nicht an.
II.
Auch einen Anspruch auf Bergelohn nach § 93 BinSchG i.V.m. § 742 HGB, der nach Auffassung der Klägerin gemäß § 743 Abs. 1 Nr. 6 HGB den Ersatz der hier in Rede stehenden Schäden einschließt, hat das Rheinschifffahrtsgericht der Klägerin zu Recht nicht zuerkannt. Bergelohn kann nach §§ 742 f. HGB nur beanspruchen, wer einem in Gefahr befindlichen Schiff Hilfe geleistet hat (§ 740 Abs. 1 HGB). Daran fehlt es im vorliegenden Fall. Das TMS „C“ war zwar zum Zeitpunkt der Schleppleistung der Klägerin wegen Ausfalls der Ruderanlage manövrierunfähig und infolgedessen – im untechnischen Sinne – hilfebedürftig. In Gefahr befand es sich dagegen unzweifelhaft nicht. Unstreitig war es dem Schiffsführer W trotz des Ausfalls der Ruderanlage noch gelungen, mit Hilfe des Bugstrahlruders einen Liegeplatz am linksrheinischen Ufer anzusteuern, wo er mit gesetztem Backbord-Anker und einem zu den dort an Land vorhandenen Festmacheeinrichtungen ausgebrachten Vorausdraht liegen blieb. In dieser Situation befand sich das TMS nicht in Gefahr, auch wenn es die Fahrt mangels Manövrierfähigkeit nicht aus eigener Kraft fortsetzen konnte (vgl. BGH, Urteil vom 12.10.1961 – II ZR 279/59, LM Nr. 3 zu § 93 BinnSchG; Trost, Schriftenreihe des Instituts für Binnenschifffahrtsrecht, Band 6, S. 15, 19 f.).
III.
Da sich das angefochtene Urteil damit im Ergebnis als zutreffend erweist, ist die Berufung der Klägerin zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
IV.
Aus den dargelegten Gründen wird deshalb für Recht erkannt:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Rheinschifffahrtsgerichts Sankt Goar vom 29.5.2006 – 4 C 5/05 BSchRh – wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.