Jurisprudentiedatabank
Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt
Urteil
vom 3. Oktober 2003
423 Z - 6/03
(auf Berufung und Anschlussberufung gegen das Zwischen- und Teilurteil des Rheinschifffahrtsgerichts Mannheim vom 20.02.2003 - 31 C 1/02 -)
Tatbestand:
Die Klägerin ist Ausrüsterin des aus TMS I3 und TSL I13 bestehenden 180 m langen und 11,40 m breiten Schubverbandes.
Sie nimmt die Beklagten als Schiffseigner des vom Beklagten zu 1) verantwortlich geführten 67 m langen und 7,50 m breiten MS R auf Ersatz der Schäden in Anspruch, die ihr durch einen Frontalzusammenstoß zwischen dem auf der Bergfahrt befindlichen beladenen MS R und ihrem auf der Talfahrt befindlichen unbeladenen Schubverband im Nebel bei Rhein-km 424,5 im Bereich der rechtsrheinisch gelegenen Brückenöffnungen der drei nebeneinander liegenden Brücken (eine Straßenbrücke - „Konrad-Adenauer-Brücke" - und zwei Eisenbahnbrücken) in Mannheim am 13.01.2002 gegen 10.00 Uhr entstanden sind.
Sie hat behauptet, der Schiffsführer des Schubverbandes, der Zeuge W., sei bei dem seinerzeit herrschenden Nebel in der Radarfahrt unter Einsatz beider Radargeräte mit etwa 20 - 21 km/h zu Tal gekommen. Vor Erreichen der Unfallstelle habe er sich unterhalb des Kaiser-Wörth-Hafens unter Standortangabe gemeldet und habe nach Begegnungsabsprache mit einem Bergfahrer diesen Steuerbord/Steuerbord etwa bei km 423 passiert. Nachfolgend seien Funkabsprachen mit dem zu Berg kommenden Schubverband P und MS L erfolgt, wonach der Verband den rechtsrheinischen Landbogen der Konrad-Adenauer-Brücke zur Durchfahrt benutzen, der Schubverband „Plochingen" unterhalb warten und MS L den Mittelbogen bergwärts nehmen sollte. Anschließend habe sich Schiffsführer W. noch etwa 800 - 900 m oberhalb der Brücke über Funk (Kanal 10) mit „Schubverband Innovation 3 zu Tal durch den Landbogen" gemeldet und habe diese Durchsage etwa 500 - 600 m oberhalb der Brücke wiederholt, nachdem er zuvor im Brückenbereich ein Fehlecho, was im dortigen Brückenbereich verstärkt vorkomme, wahrgenommen habe. Zusätzlich habe er zwei- bis dreimal angefragt: „Ist da Bergfahrt im Landbogen? Bitte melden!" Eine Antwort habe er nicht erhalten. Nachfolgend sei er dann mit verminderter Fahrtstufe in die Brücke eingefahren und habe, nachdem er wiederum ein Echo im Brückenbereich gesehen habe, die Maschine ausgekuppelt und nochmals über Funk gefragt: „Ist da Bergfahrt?" Unmittelbar danach sei es unter der Brücke zum Zusammenstoß Kopf-auf-Kopf mit dem plötzlich aus dem Nebel auftauchenden MS R gekommen.
Die Havarie sei auf ein alleiniges Verschulden des Beklagten zu 1) als Schiffsführer des MS R zurückzuführen. Dieser habe - unstreitig - am Block 1 am Mannheimer Ufer auf den Lotsen gewartet und habe nach dessen an Bordkommen die Bergfahrt aufgenommen, ohne dies über Funk anzukündigen und ohne sich überhaupt per Funk zu melden.
Die Klägerin hat beantragt,
1. die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an die Klägerin zu zahlen;
2. festzustellen, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, der Klägerin die Kosten des Verklarungsverfahrens auf Antrag des Schiffsführers W. vor dem Amtsgerichts - Schifffahrtsgericht - Mannheim (Az. 30 H 1/02) zu ersetzen, die nicht zu den festsetzungsfähigen Kosten des vorliegenden Rechtsstreits zählen;
3. den Beklagten gesamtschuldnerisch die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der im vorliegenden Verfahren festsetzungsfähigen Kosten des Verklarungsverfahrens aufzuerlegen.
Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie haben eingeräumt, dass der Beklagte zu 1) das große Echo des 180 m langen Schubverbandes sofort auf dem Radarschirm hätte erkennen müssen, als er das Ruder von seiner Ehefrau nach dem Ablegen übernommen habe. Aber auch die Schiffsführung des Talfahrers hätte auf dem Radarschirm das MS R nach dem Ablegen erkennen müssen, weil es sich noch außerhalb des Echobereiches unterhalb der Brücke befunden habe, in dem durch die von der Brückenkonstruktion entstehenden Fehlechos das Erkennen anderer Fahrzeuge auf dem Radarschirm beeinträchtigt sei. Darüber hinaus habe der Talfahrer - unstreitig - das vorgeschriebene 3-Ton-Signal nicht abgegeben. Die mit der Klage geltend gemachten Schäden haben die Beklagten mit Ausnahme des Nutzungsverlustes anerkannt.
Das Rheinschifffahrtsgericht hat durch das am 20.2.2003 verkündete Zwischen- und Teilurteil die Beklagten unter Abweisung eines Teilbetrages und der weitergehenden Zinsforderung als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 69.789,82 € nebst 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz liegenden Zinsen zu zahlen. Hinsichtlich des Anspruchs auf Nutzungsverlust hat es die Klage dem Grunde nach zu 4/5 für gerechtfertigt erklärt.
Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klage sei zu 4/5 gerechtfertigt, da der Zusammenstoß auf ein Verschulden beider Schiffsführungen zurückzuführen sei, wobei dasjenige der Schiffsführung des Bergfahrers ganz deutlich überwiege. Diese habe sich weder beim Ablegen ca. 500 m talwärts von der Konrad-Adenauer-Brücke noch während der Bergfahrt bis zur Kollision über Funk gemeldet. Ferner habe der Beklagte zu 1) das Radarbild nicht gehörig beobachtet, sonst hätte er den Schubverband erkennen müssen, als dieser noch mehr als 600 m oberhalb der Brücke fuhr, sich also außerhalb des ca. 100 m breiten Fehlechostreifens der Brücke befand. Darüber hinaus stehe nach der Beweisaufnahme fest, dass sich der Schubverband noch nach den mit MS L und SV P getroffenen Funkabsprachen gemeldet habe. Wenn das Funkgerät von MS R auf Kanal 10 eingeschaltet und laut gestellt gewesen sei, hätte die Besatzung die - nach dem Ablegen von MS R erfolgten - Durchsagen des Talfahrers hören müssen.
Die Schiffsführung von MS R habe daher die sie treffende gesteigerte Sorgfaltspflicht im Zusammenhang mit der Fahrtaufnahme und der nachfolgenden Bergfahrt im Nebel verletzt, was die entscheidende Ursache für die Kollision sei.
Aber auch den Schiffsführer W. treffe ein Mitverschulden, da er, nachdem er ein Echo im Brückenbereich ausgemacht hatte und seine Funkdurchsage unbeantwortet geblieben war, nicht das vorgeschriebene 3-Ton-Signal gegeben habe. Bei dem von dem Schiffsführer W. wahrgenommenen Echo müsse es sich um das des Bergfahrers gehandelt haben, der sich zu diesem Zeitpunkt noch deutlich unterhalb des Fehlechostreifens der Brücke befunden haben müsse. Schiffsführer W. hätte daher auf jeden Fall das 3-Ton-Signal abgeben müssen, wodurch der Beklagte zu 1) aufmerksam geworden wäre und noch Maßnahmen zur Vermeidung der Kollision hätte treffen können. Im übrigen sei Schiffsführer W. nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme seitens des MS P vor einem weiteren Fahrzeug im Revier unterhalb der Brücke gewarnt worden.
Berücksichtige man jedoch, dass Schiffsführer W. von der vor allem auf das Fehlverhalten des Beklagten zu 1) zurückzuführenden Situation überrascht worden sei, sei sein Mitverschulden an der Kollision im Vergleich zu jenem des Beklagten zu 1) deutlich geringer zu bewerten, so dass eine Mitverschuldensquote von nur 1/5 gerechtfertigt sei.
Die Summe der unstreitigen Schadensposten mache 87.237,27 € aus. Die Klage sei daher in Höhe von 4/5 dieses Betrages, also 69.789,82 € nebst Verzugszinsen in gesetzlicher Höhe begründet. Bezüglich des streitigen Nutzungsverlust sei der Rechtsstreit noch nicht entscheidungsreif, so dass insoweit nur eine Entscheidung über den Grund durch Zwischenurteil ergehen könne.
Gegen dieses ihr am 25.2.2003 zugestellte Urteil hat die Klägerin durch einen am 25.3.2003 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz Berufung mit dem Antrag auf Entscheidung des Rechtsstreits durch die Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt in Strasbourg eingelegt und diese am 22.4.2003 begründet. Sie macht geltend, ein Mitverschulden des Schiffsführers von SV I3/13 komme nicht in Betracht. Schiffsführer W. habe zu keinem Zeitpunkt MS R auf dem Radarschirm erkannt, da der Streuechobereich der Konrad-Adenauer-Brücke ober- und unterhalb der Brücke mehrere 100 m breit sei. Die Nichtabgabe des 3-Ton-Signals sei für die Kollision nicht ursächlich geworden.
Die Klägerin beantragt,
das angefochtene Urteil abzuändern und nach ihren erstinstanzlichen Schlussanträgen zu erkennen.
Die Beklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen und
- im Wege der Anschlussberufung -
unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
Sie meinen, nach der Rechtssprechung der Berufungskammer sei dem Talfahrer das Alleinverschulden an der Kollision wegen Nichtabgabe des 3-Ton-Zeichens anzulasten. Jedenfalls könnten die Fehler des Schiffsführers W. nicht milder beurteilt werden als diejenigen des Beklagten zu 1). Beide hätte einige Minuten lang Zeit gehabt, das entgegenkommende Fahrzeug zu erkennen, bevor es in den Fehlechobereich der Brücke eingefahren sei. Schiffsführer W. habe sich nach der Funkabsprache mit SV P und MS L nicht mehr gemeldet. Sofern ankommende Bergfahrt trotz sorgfältiger Beobachtung des Radarbilds nicht habe erkannt werden können, hätte auf jeden Fall das 3Ton-Signal abgegeben werden müssen. Danach hätte zu einer Funkabsprache und entsprechenden Ausweichmanövern noch genügend Zeit bestanden. Beide Schiffe hätten jeweils nur um wenige Meter nach Backbord zu halten brauchen. Der rechtsrheinische Landbogen gestatte mit einer Breite von ca. 90 m eine problemlose Begegnung.
Die Klägerin beantragt Zurückweisung der Anschlussberufung. Sie tritt den Ausführungen der Beklagten entgegen.
Entscheidungsgründe:
Die in formeller Hinsicht nicht zu beanstandende Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Auch die Anschlussberufung der Beklagten ist zulässig (Berufungskammer, ZfB 84, Sa.S. 1030 f.). Sie hat jedoch ebenfalls in der Sache keinen Erfolg.
Das Rheinschifffahrtsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass beide Schiffsführungen die Kollision schuldhaft verursacht haben, so dass gem. § 92 c BinSchG eine Schadensquotierung vorzunehmen war.
Die Beklagten müssen sich zunächst vorwerfen lassen, dass sie vor und nach dem Ablegemanöver den Funkdurchsagen der anderen im Revier befindlichen Schiffe keine Beachtung geschenkt haben. Entgegen ihrer Auffassung waren sie schon vor Aufnahme der Fahrt - insbesondere im Hinblick auf den herrschenden Nebel - gehalten, sich auf diese Weise über die Verkehrslage auf dem Strom Gewissheit zu verschaffen. (vgl. Bemm/v. Waldstein, Rheinschifffahrtspolizeiverordnung, 3. Aufl., § 1.04 Rn. 4). Erst recht gilt dies für die nachfolgende Bergfahrt in Richtung Konrad-Adenauer-Brücke. Aus der Zeit-Wege-Berechnung lässt sich ableiten, dass die Funkabsprachen zwischen SV I und SV P sowie MS L - jedenfalls ganz überwiegend - stattgefunden haben, nachdem MS R die Fahrt bereits aufgenommen hatte. Ausgehend von einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 6 km/h hat MS R für die Strecke von rund 500 m bis zur Unfallstelle ca. 5 Minuten gebraucht. SV I ist mit einer Geschwindigkeit von ca. 20 km/h zu Tal gefahren, was rund 330 m in der Minute entspricht. Nach Aussage des Zeugen W. haben die Gespräche mit MS L und SV P stattgefunden, als er sich noch ungefähr 1500 m oberhalb der Brücke befand. Diese Strecke legte er bei Einhaltung der angegebenen Geschwindigkeit in ca. 4 %2 Minuten zurück. Zum Zeitpunkt der Funkabsprachen muss MS R also schon etwa 1/2 Minute zu Berg gefahren sein.
Des Weiteren ist die Berufungskammer übereinstimmend mit dem Rheinschifffahrtsgericht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass sich Schiffsführer W. nach den Funkabsprachen in einem höhenmäßigen Abstand von ca. 600 m zur KonradAdenauer-Brücke noch einmal dahin gemeldet hat, dass er zu Tal durch den landseitigen Bogen komme. Dies hat der unbeteiligte Zeuge Siegmund glaubhaft bestätigt. Zu diesem Zeitpunkt muss MS R ungefähr 200 m von der Brücke entfernt gewesen sein.
Dass die Beklagten die Funkdurchsagen nicht gehört haben, kann nur darauf zurückzuführen sein, dass sie entweder - entgegen ihren Angaben - das eine Funkgerät nicht auf Kanal 10 eingeschaltet bzw. nicht auf die erforderliche Lautstärke eingestellt hatten oder auf die Funkansagen nicht geachtet haben, etwa weil sie durch die Gespräche mit dem an Bord gekommenen Lotsen abgelenkt waren. Auf die erstgenannte Ursache deutet der Umstand hin, dass die Durchsage nach dem Zusammenstoß von MS R nach Aussage des Zeugen Delitzscher nicht auf Kanal 10, sondern auf Kanal 68 erfolgte. Nach den eigenen Angaben des Beklagten zu 1) sowie denjenigen des Zeugen Balzer war das zweite Funkgerät auf Kanal 73 eingestellt. Auch dieser Zeuge hat seinen Bekundungen zufolge keine Durchsagen anderer Fahrzeuge vernommen. Dies spricht für einen Verstoß der Beklagten gegen § 6.30 Nr. 2 S. 1 RhSchPV. Im übrigen trifft sie in gleicher Weise ein Verschulden, wenn sie die Funkdurchsagen infolge von Unaufmerksamkeit nicht wahrgenommen haben. Dass die Meldungen von SV I gut zu hören waren, ist nämlich von den Zeugen D., S., B. und Ba., die sich mit ihrer Schiffen im selben Revier befanden, zweifelsfrei bestätigt worden.
Ferner ist den Beklagten anzulasten, dass sie sich entgegen §§ 6.30 Nr. 2 S. 2, 6.32 Nr. 4 RhSchPV weder bei der Aufnahme der Fahrt noch während der Bergfahrt über Kanal 10 gemeldet haben. Im Hinblick darauf, dass seinerzeit dichter Nebel herrschte, und entgegenkommende Fahrzeuge im Fehlechobereich der Konrad-Adenauer-Brücke nur schwer auszumachen waren, waren entsprechende Funkdurchsagen zwingend geboten. Dies verkennen die Beklagten auch selbst nicht.
Des Weiteren räumen sie ein, dass der Beklagte zu 1) auf seinem mit einer Voraussicht von ca. 1300 m eingestellten Radargerät den sich von Oberstrom nähernden 180 m langen Schubverband jenseits des Fehlechostreifens der Brücke hätte bemerken müssen. Dass er ihn tatsächlich nicht gesehen hat, beruht auf einer groben Verletzung der ihm bei der Radarfahrt im Nebel obliegenden gesteigerten Sorgfaltspflichten. Die Berufungskammer pflichtet dem Rheinschifffahrtsgericht darin bei, dass in den aufgezeigten Versäumnissen der Schiffsführung von MS R die entscheidende Ursache für die Kollision liegt. Die Klägerin muss sich aber ein Mitverschulden ihres Schiffsführers W. an dem Zusammenstoß anrechnen lassen. Ihm ist anzulasten, dass er bei sorgfältiger Auswertung des Radarbildes den Bergfahrer eindeutig hätte erkennen können, bevor dieser in den Fehlechostreifen der Brücke einfuhr. Schiffsführer W. ist nach seinen Angaben im Verklarungsverfahren hauptsächlich mit dem einen Radargerät gefahren, mit dem er eine Voraussicht von ungefähr 1200 m hatte. Im Zuge der Annäherung an die Konrad-AdenauerBrücke wäre er aber gehalten gewesen, auch das zweite auf eine Voraussicht von ca. 1400 - 1500 eingestellte Radargerät sorgfältig zu beobachten, um entgegenkommende Bergfahrt rechtzeitig vor deren Eintritt in den Fehlechostreifen der Brücke ausmachen zu können.
Als der Abstand von SV I zur Brücke unter 1000 m sank - also rund 3 Minuten vor dem Zusammenstoß - musste MS R, das zu diesem Zeitpunkt noch über 300 m von der Brücke entfernt war, auf dem Radarschirm des zweiten Geräts erscheinen. Die Berufungskammer geht davon aus, dass sein Echo mindestens eine Minute lang auf dem Radarbild zu erkennen war, ehe es von den Fehlechos der Brücke überlagert wurde. Tatsächlich hat Schiffsführer W., als er sich noch ca. 600 m oberhalb der Brücke befand, ein Echo gesehen. Zutreffend hat das Rheinschifffahrtsgericht angenommen, dass es sich hierbei nur um das Echo von MS R gehandelt haben kann. Wenn man davon ausgeht, dass dieses seine Endgeschwindigkeit von ca. 10 km/h entsprechend 167 m pro Minute erst in der letzten Minute vor der Kollision erreicht hat, muss es sich zu dem genannten Zeitpunkt der Brücke in einem Bereich von ca. 300 - 200 m genähert haben. Der Klägerin ist zwar zuzugeben, dass Fahrzeuge kurz unterhalb des Streuechostreifens der Brücke nur schwer auszumachen sind. MS R befand sich hier aber noch außerhalb dieses Bereichs und sein Echo wurde auch tatsächlich von Schiffsführer W. bemerkt.
Soweit die Klägerin rügt, das Rheinschifffahrtsgericht sei verfahrensfehlerhaft davon ausgegangen, die Brücke werde durch die Fehlechos als heller Streifen mit einer Breite von ca. 100 m auf dem Radarschirm abgebildet, während das Streufeld tatsächlich mehrere 100 m ober- und unterhalb der Brücke umfasse, kann ihr nicht gefolgt werden. Der besonders erfahrene Rheinschifffahrtsrichter durfte die von ihm erworbenen technisch-physikalischen Fachkenntnisse als gerichtsbekannt verwerten, so dass es zu der Frage, mit welcher Breite die Brücke infolge von Fehlechos auf einem Radarschirm abgebildet wird, keiner weiteren Beweiserhebung bedurfte (vgl. Zöller-Greger, ZPO 23. Aufl. § 291 Rn. 1). Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs liegt nicht vor, da das Problem der Fehlechos im Bereich der KonradAdenauer-Brücke ausweislich des Sitzungsprotokolls vom 21.11.2002 eingehend mit den Parteien erörtert worden ist. Auch die Mitglieder der Berufungskammer sind diesbezüglich fachkundig und haben daher keine Bedenken, den überzeugenden Ausführungen des Rheinschifffahrtsgerichts zu folgen. Dass entgegen den Behauptungen der Beklagten der Fehlechostreifen der Konrad-Adenauer-Brücke nicht mehrere 100 m weit ober- und unterhalb des Brückenbauwerks reicht, ergibt sich im übrigen zweifelsfrei aus den im Radaratlas wiedergegebenen Radarbildern.
Des Weiteren ist die Berufungskammer mit dem Rheinschifffahrtsgericht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass Schiffsführer W. seitens des SV P auf das Ablegen eines unbekannten Fahrzeugs aufmerksam gemacht worden war. Der unbeteiligte und am Ausgang des Rechtsstreits vollkommen uninteressierte Zeuge S. hat nämlich sowohl bei seiner Einvernahme bei der Polizei als auch im Verklarungsverfahren glaubhaft bekundet, er habe gehört, dass der SV P dem SV I gesagt habe, ein Fahrzeug sei vom Mannheimer Kai losgefahren; SV I solle versuchen, den vor ihm Fahrenden anzusprechen. Dass er das Ablegen eines anderen Fahrzeugs beobachtet hatte, hat auch der Zeuge Delitzscher bei seiner Aussage vor der Wasserschutzpolizei am Unfalltag bestätigt. Demnach war Schiffsführer W. gewarnt, dass ihm noch ein unbekannter Bergfahrer entgegen kam, und hat seinen eigenen Angaben zufolge entsprechende Maßnahmen getroffen, indem er sich mehrfach über Funk gemeldet und die Maschinen auf langsam gesetzt hat. Insofern erscheint wenig nachvollziehbar, dass er das von ihm wahrgenommene Echo als ein Fehlecho der Brücke interpretiert haben will. Im Hinblick auf die unklare Verkehrslage musste er vielmehr von der ungünstigeren Alternative ausgehen, dass ihm tatsächlich ein Bergfahrer entgegen kam.
Die Berufungskammer hat keinen Zweifel daran, dass Schiffsführer W. die Anfahrung noch hätte verhindern können, wenn er sofort Maßnahmen ergriffen hätte, als der Bergfahrer auf dem mit 1400 - 1500 m Voraussicht eingestellten Radargerät erkennbar wurde. Hätte er - nach vergeblicher Funkansprache - sogleich derart langsam gemacht, dass die Manövrierfähigkeit des Schubverbands gerade noch gewährleistet war, so hätte die Begegnung mit MS L, die nach Angaben des Zeugen S. ca. 200 - 300 m oberhalb der Brücke erfolgte, weiter stromauf stattgefunden und es hätte SV I noch gelingen können, wie zunächst vorgesehen den mittleren Bogen der Brücke zu nehmen. Wenn dies nicht mehr möglich gewesen sein sollte, hätte Schiffsführer W. jedenfalls den Kurs des Bergfahrers bis zur Überlagerung von dessen Echo durch die Fehlechos der Brücke genau verfolgen und beim Durchfahren des Landbogen soweit als möglich nach Backbord halten müssen. Keinesfalls durfte er den Landbogen in der Mitte durchfahren, wo die Gefahr einer Kollision am größten war.
Die Berufungskammer tritt dem Rheinschifffahrtsgericht auch darin bei, dass Schiffsführer W. vorzuwerden ist, dass er das 3-Ton-Signal nicht abgegeben hat, und diese Unterlassung für den Unfall ursächlich geworden ist.
Wie die Klägerin selbst nicht verkennt, war die Abgabe des 3-Ton-Signals gem. § 6.32 Nr. 3 RhSchPV seinerzeit für den Radarfahrer zu Tal zwingend vorgeschrieben, wenn er auf dem Radarschirm ein Fahrzeug bemerkte, dessen Standort oder Kurs eine Gefahrenlage verursachen konnte, oder wenn er sich einer Strecke näherte, in der sich auf dem Radarschirm noch nicht wahrzunehmende Fahrzeuge befinden konnten. Diese Voraussetzungen waren hier erfüllt. Wie bereits ausgeführt, musste Schiffsführer W. im Hinblick auf das von ihm wahrgenommene Echo und die Information durch SV P mit einem ihm entgegenkommenden Bergfahrer rechnen. Soweit dieser im Zuge der Annäherung im Hinblick auf die Fehlechos der Brücke nicht mehr eindeutig auszumachen war, lag ein typischer Fall der zweiten Alternative der Vorschrift vor. Der Gebrauch des 3Ton-Zeichens mag zwar unüblich geworden sein, gerade bei der im vorliegenden Fall gegebenen besonderen Gefahrenlage war er aber das gebotene Mittel, um eine mögliche Kollision noch zu vermeiden. Denn es ist anzunehmen, dass der Beklagte und der an Bord gekommene Lotse, der Zeuge Ba., hierdurch aufmerksam geworden wären und sodann mit Schiffsführer W. die erforderlichen Ausweichmanöver per Funk noch hätten abstimmen können. Wie die Beklagten unwidersprochen vorgetragen haben, hätte es ausgereicht, mit jedem Schiff nur um wenige Meter jeweils nach Backbord zu halten. Dann hätte selbst eine streifende Berührung der Schiffe vermieden werden können. Es wäre vielmehr innerhalb des ca. 90 m breiten Landbogens zu einer problemlos möglichen Steuerbord/Steuerbord-Begegnung gekommen.
Nach alledem trifft beide Schiffsführer ein Verschulden an der Kollision.
Die Berufungskammer hält die vom Rheinschifffahrtsgericht vorgenommene Schadensquotierung von 1/5 zu 4/5 zu Lasten der Beklagten für angemessen. Wie bereits ausgeführt, ist die Kollision im Wesentlichen auf die schwerwiegenden Sorgfaltspflichtverletzungen der Schiffsführung von MS R zurückzuführen, die weder auf den Funkverkehr gehört noch sich selbst beim Ablegen und während der nachfolgenden Bergfahrt gemeldet und auch das Radarbild nicht gehörig beobachtet hat, also gewissermaßen taub, stumm und blind im dichten Nebel die Radarfahrt zu Berg aufgenommen hat. Demgegenüber ist das Verschulden von Schiffsführer W. als weit geringer einzuschätzen, da er in der von MS R heraufbeschworenen Gefahrenlage lediglich nicht bzw. nicht rechtzeitig die erforderlichen Maßnahmen zur Unfallvermeidung ergriffen hat.
Soweit die Beklagten mit ihrer Anschlussberufung unter Bezugnahme auf zwei Urteile der Berufungskammer vom 15.12.1998 (ZfB 99, Sa. S. 1722 und 1732) Abweisung der Klage insgesamt begehren, weil den SV I als Talfahrer wegen unterlassener Abgabe des 3-Ton-Zeichens das Alleinverschulden an der Kollision treffe, können sie damit keinen Erfolg haben. Der der damaligen Entscheidung zugrundeliegende Fall war anders gelagert; abgesehen davon, dass nicht feststellbar war, mit welchen Kursen sich Berg- und Talfahrer einander genähert hatten, war dem Bergfahrer nicht zu widerlegen, dass er das Achtungssignal gegeben hatte. Demgegenüber müssen sich die Beklagten - wie sie im Grunde selbst nicht verkennen - vorwerfen lassen, dass sie in gröblichem Maße gegen die ihnen obliegenden nautischen Sorgfaltspflichten verstoßen haben. Sie haben der Klägerin daher 4/5 ihres Schadens zu ersetzen.
Über die Höhe der durch das angefochtene Teilurteil ausgeurteilte Schadensposten besteht zwischen den Parteien kein Streit.
Aus den dargelegten Gründen wird für Recht erkannt:
Die Berufung der Klägerin und die Anschlussberufung der Beklagten gegen das am 20.2.2003 verkündete Zwischen- und Teilurteil des Rheinschifffahrtsgerichts Mannheim - 31 C 1/02 -werden zurückgewiesen.
Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens bleibt dem Schlussurteil des Rheinschifffahrtsgerichts Mannheim vorbehalten.