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42 Z - 2/76 - Berufungskammer der Zentralkommission (Berufungsinstanz Rheinschiffahrt)
Datum uitspraak: 14.01.1976
Kenmerk: 42 Z - 2/76
Beslissing: Urteil
Language: Duits
Rechtbank: Berufungskammer der Zentralkommission Straßburg
Afdeling: Berufungsinstanz Rheinschiffahrt

Leitsätze:

1) Der von einem Bagger seitlich ausgelegte, durch Bojen (Döpper) gekennzeichnete Seitenanker braucht während einer vorübergehenden, durch Hochwasser bedingten Einstellung der Baggerarbeiten nicht eingeholt zu werden. Die Einholung und Wiederauslegung eines Ankers sind im Hinblick auf den Kostenaufwand nur in zumutbaren Grenzen, aber stets dann notwendig, wenn feststeht, daß die Unterbrechung der Baggerarbeit längere Zeit andauern wird.

2) Zu den Voraussetzungen einer ausreichenden Kennzeichnung von Ankern.

Urteil der Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt

vom 14. Januar 1976

42 Z - 2/76

(Rheinschiffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort)


Zum Tatbestand:

Die Beklagte führte unterhalb der Straßenbrücke Bonn-Beuel rechtsrheinisch von km 655,0 bis 655,6 mit ihrem Bagger „GM 17" Baggerarbeiten durch. Der Bagger war durch einen 2000 kg schweren, etwa 400 m vorausstehenden Buganker und zur linksrheinischen Seite hin durch einen 800 kg schweren, etwa 40 m vom linken Ufer entfernt stehenden Klippanker verankert und gesichert. Dieser Anker war mit dem Bagger durch eine mindestens 2 m unter der Wasseroberfläche liegende Kette verbunden. Beide Anker waren durch gelbe Döpper, der Vorausanker durch einen, der Seitenanker durch zwei Döpper, gekennzeichnet. Zwischen Vorausanker und Bagger lag ein Wahrschaufloß, das nach rechtsrheinisch rot, nach linksrheinisch rot-weiß ausgeflaggt war.

Das WSA Köln hatte der Verankerung und Sicherung zugestimmt.
Das dem Kläger gehörende MTS H fuhr, beladen und bei klarer Sicht, aber bei Hochwasser (Kölner Pegel 44 cm über Hochwassermarke 1), weswegen tags zuvor die Baggerarbeiten eingestellt worden waren, auf der Bergfahrt in Nähe des linksrheinischen Ufers. Plötzlich geriet seine Schraube gegen ein Drahtseil, das zu dem linksrheinischen Baggeranker gehörte und sich um Schraube und Schraubenwelle wickelte, so daß die Maschine ruckartig stillstand. Das Schiff trieb ab und erlitt erheblichen Schaden. Der Bagger blieb unbeschädigt.
Der Kläger verlangt Ersatz des erlittenen Schadens von ca. 136000,- DM, weil der Seitenanker nicht ordnungsgemäß gekennzeichnet gewesen sei. Die Döpper seien für die durchgehende Schiffahrt nicht erkennbar gewesen. Der seitliche Anker hätte auch eingeholt werden müssen, da der Bagger am Unfalltag wegen des Hochwassers nicht im Einsatz gewesen sei.
Die Beklagte bestreitet dies. Die Kennzeichnung des Ankers sei von der am Unfalltag zahlreich vorbeifahrenden Schiffahrt gut erkannt worden.
Das Rheinschiffahrtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufungskammer der Rheinzentralkommission hat auch die Berufung als unbegründet zurückgewiesen.

Aus den Entscheidungsgründen:

„...
Auch die Berufungskammer ist der Ansicht, daß der Beklagten nicht vorgeworfen werden kann, den ausgelegten Seitenanker während einer vorübergehenden, durch Hochwasser bedingten Einstellung der Baggerarbeiten nicht eingeholt zu haben. Die Begründung dieser Ansicht durch das Rheinschiffahrtsgericht reicht allerdings nicht aus. Selbst wenn die Auslegung des Seitenankers erlaubt war, so war diese Erlaubnis auf den notwendigen Zeitraum eingeschränkt. Dieser Zeitraum wurde durch die Dauer der Baggerarbeiten bestimmt, denn der Seitenanker wurde nur hierbei benötigt, um notwendige Bewegungen des Baggers gefahrlos durchführen zu können. Arbeitete also der Bagger nicht, so konnte der Seitenanker eingeholt werden, ohne daß die Sicherheit des schwimmenden Gerätes, das wie jedes stilliegende Schiff hinter seinem Buganker lag, beeinträchtigt wurde. Da der Anker und seine quer zum Strom liegende lange Kette auch bei ausreichender Kennzeichnung für die Schiffahrt nicht ungefährlich waren, gebot es die allgemeine nautische Sorgfaltspflicht, ihn einzuholen, wenn er nicht mehr benötigt wurde. Dieser Grundsatz gilt allerdings nur innerhalb vernünftiger Grenzen. Kurze Unterbrechungen der Baggerarbeit machen die Einholung des Seitenankers nicht notwendig; denn sie und das Wiederauslegen des Ankers erfordern einen Kostenaufwand, der nur in zumutbaren Grenzen erwartet werden kann. Zumutbar ist die Einholung des Ankers dann, wenn sicher feststeht, daß eine notwendig gewordene Unterbrechung der Baggerarbeit eine längere Zeit andauern wird. Es spricht nichts dafür, daß am Tage der Havarie sicher war, daß das eingetretene Hochwasser eine längere Zeit andauern werde. Im Vertrauen darauf, daß die ausreichende Kennzeichnung des Ankers und die herrschende gute Sicht dessen Gefahr für die durchgehende Schiffahrt auf ein Minimum reduzierte, wenn sie nicht sogar aufgehoben war, durfte die Beklagte abwarten. Das gilt um so mehr, als weder das Wasser- und Schiffahrtsamt Köln noch die Wasserschutzpolizei, Behörden, die für die Sicherheit des Verkehrs auf dem Rhein verantwortlich sind, die Einholung des Seitenankers verlangt hatten. Das Wasser- und Schiffahrtsamt hat lediglich gefordert, ihn durch eine zweite Boje noch besser zu kennzeichnen. Die Wasserschutzpolizei hielt diese Kennzeichnung für hinreichend. Die Beklagte durfte unter den dargelegten Umständen den Seitenanker, den sie erlaubterweise ausgelegt hatte, zumindest am Unfalltage liegen lassen. Wann er eventuell hätte eingeholt werden müssen, ist nicht zu erörtern, da es hierauf für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreites nicht ankommt.
Mit dem Rheinschiffahrtsgericht stellt auch die Berufungskammer fest, daß der ausgelegte Seitenanker ausreichend gekennzeichnet war. Davon haben sich die Beamten der Wasserschutzpolizei S. und R. auf einer Dienstfahrt auf dem Rhein am Unfalltage kurze Zeit vor der Havarie überzeugt. Beide haben im Verklarungsverfahren 5 II 30/72 des AG Duisburg-Ruhrort ausgesagt, sie hätten bewußt auf die Ankerbojen geachtet, da ihnen bekannt gewesen sei, wo sie hätten liegen müssen. Sie hätten an der erwarteten Stelle zwei gelbe Bojen gesehen, die etwa 3 m hintereinander gelegen hätten. Der Zeuge R. hat besonders betont, daß beide Bojen nicht nur von der Seite, sondern auch bei einem Blick zu Berg hin gut sichtbar gewesen seien.
Bei dieser Argumentation verkennt die Berufungskammer nicht, daß der ebenfalls im Verklarungsverfahren gehörte Zeuge D., der Führer des TMS W, erklärt hat, er habe die Bojen nicht gesehen. Für einen Irrtum des Zeugen sprechen aber die folgenden Umstände. Er war dabei, das TMS H zu überholen und mußte über dieses hinwegsehen, um die Bojen zu erkennen. Bedenkt man aber, daß dieses Schiff die Bojen, eine von ihnen oder zumindest die Drähte, durch die sie mit dem Seitenanker des Baggers verbunden waren, berührt haben muß, weil nur so die Havarie erklärt werden kann, so durften sie für den Zeugen zumindest vorübergehend in einem toten Blickwinkel gelegen haben. Außerdem kann er seine Aufmerksamkeit auf das Überholmanöver konzentriert und deshalb die Bojen übersehen haben. Es spricht nichts dafür, daß die Bojen vom Steuerhause eines normalen Frachtschiffes aus für einen Beobachter, der ihre Lage nicht kannte, nicht ausreichend erkennbar waren und nur von einem niedrigen Boot der Wasserschutzpolizei aus von Personen erkannt werden konnten, die wußten, wo sie lagen und nach ihnen besonders ausschauen. Dagegen spricht, daß es sich um normale Bojen handelt, deren Verwendung zur Markierung von Hindernissen der Schiffahrt üblich ist. Sie sind so gebaut, daß sie von allen Schiffen, nicht nur von besonders niedrigen, aus erkannt werden können. Ihr gelber Anstrich macht sie besonders leicht erkennbar. Es wurde bereits dargelegt, warum sie trotzdem von dem Zeugen D. nicht gesehen worden sein können. Das hing mit seiner Beobachterposition, nicht aber mit der generellen Erkennbarkeit der Bojen zusammen. Der Schiffsführer des Klägers hat die Boje aus Unaufmerksamkeit übersehen. Sein Matrose S., der bei ihm im Ruderhaus auf der Bank saß, hat nicht auf sie geachtet. Die Aussagen dieser Personen sprechen also nicht dafür, daß die Bojen von normalen Frachtschiffen aus nicht erkennbar waren.
..."