Jurisprudentiedatabank
Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt
Urteil
vom 19. Juni 2003
418 B - 2/03
(auf Berufung gegen den Beschluss des Rheinschiffahrtsgerichts St. Goar vom 15. Oktober 2002 - 2040 Js 26995/02.4 OWi BSchRh -)
Zum Tatbestand:
Der Betroffene fuhr am 30. März 2001 mit dem von ihm verantwortlich geführten MS V gegen 9.28 - 9.53 Uhr auf der Talfahrt von Bingen nach Niederheimbach. Der Pegel Bingen stand um 9.00 Uhr bei 4,79 m, sodass die Hochwassermarke 1 überschritten war.
Der Betroffene befuhr die Strecke zwischen Rheinkilometer 528,200 und Rheinkilometer 538,700, auf der die Beamten der Wasser- und Schifffahrtspolizei Bingen eine Messstrecke eingerichtet hatten, in einer Zeit von 26 Minuten, sodass seine Durchschnittsgeschwindigkeit 23,077 km/h betrug.
Die Wasser- und Schifffahrtsdirektion hat wegen dieser Ordnungswidrigkeit, eines Verstoßes gegen § 10.01 Nr. RheinSchPVO i.Vbg. mit Art. 4 Abs. 3 Nr. 17 RheinSchPEV, am 15.1.2002 gegen den Betroffenen ein Bußgeld festgesetzt.
Gegen diesen Bußgeldbescheid hat der Betroffene form- und fristgerecht Einspruch eingelegt. Zur Begründung hat er geltend gemacht, es sei auf dieser Strecke nicht möglich, die festgesetzte Höchstgeschwindigkeit ohne Gefährdung des Schiffsverkehrs einzuhalten, Er habe sein Schiff steuerfähig halten müssen.
Durch das angefochtene Urteil hat das Rheinschifffahrtsgericht St. Goar wegen der beschriebenen Ordnungswidrigkeit ein Bußgeld von 35. - Euro festgesetzt. Zur Begründung hat das Rheinschifffahrtsgericht ausgeführt, die Ordnungswidrigkeit des Betroffenen sei schuldhaft erfolgt. Es sei unzutreffend, dass die Strömung auf der hier vom Betroffenen befahrenen Strecke 10 km/h über den Grund überschreite. Dem Betroffenen seien daher bis zur erlaubten Geschwindigkeit von 20 km/h 10 km/h verblieben. Eine Eigengeschwindigkeit von 10 km/h sei ausreichend gewesen, um die Steuerfähigkeit des Schiffes zu erhalten. Gegen dieses Urteil hat der Betroffene form- und fristgerecht Berufung mit dem Antrag auf Entscheidung durch die Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt eingelegt. Mit seiner Berufung bezweckt er seinen Freispruch. Er meint, bei geringerer Geschwindigkeit hätte er sein Schiff auf der genannten Strecke nicht sicher steuern können.
Die Berufung konnte keinen Erfolg haben.
Aus den Entscheidungsgründen:
I.
1) Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden.
Nach Artikel 14 der Verfahrensordnung der Berufungskammer ist eine schriftliche Vollmacht des Vertreters vorzulegen. Eine solche Vollmacht sieht die Berufungskammer in der zu den Akten gereichten Machtiging vom 15.03.2003. Denn es ist davon auszugehen, dass der Christelijke Bond van Ondernemers in de Binnenvaart für das gesamte Ordnungswidrigkeitsverfahren einschließlich der Einlegung von Rechtsmitteln bevollmächtigt sein sollte.
2) Im übrigen ist die Berufung in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden.
II.
1) § 10.01 RheinSchPVO regelt die Beschränkung der Schifffahrt bei Hochwasser oberhalb der Spyck'schen Fähre. Nach Nr. 1 der Vorschrift ist die Schifffahrt in dem hier maßgebenden Revier bei Hochwasserständen zwischen den Marken I und II bestimmten Beschränkungen unterworfen: nach Nr. 1d) darf die Höchstgeschwindigkeit der Fahrzeuge gegenüber dem Ufer 20 km/h nicht überschreiten.
2) Der Betroffene stellt den objektiven Tatbestand einer Verletzung des § 10.01 Nr. l d) RheinSchPVO nicht in Abrede, meint aber, dass ihm das Durchfahren der Messstrecke mit einer Geschwindigkeit von 23,077 km/h nicht vorgeworfen werden können, weil die von der Wasserschutzpolizei festgestellte Geschwindigkeit erforderlich gewesen sei, um sein Schiff steuerfähig zu halten. Diese Umstände entlasten ihn jedoch nicht.
3) Es ist zwar richtig, dass ein Talfahrer in dem hier gegebenen Streckenabschnitt eine gewisse Eigengeschwindigkeit benötigt, um das Schiff steuerfähig zu halten, überschreitet aber die Fließgeschwindigkeit des Rheinstroms, wovon hier nach den eigenen Ausführungen der Berufung auszugehen ist, 10 km/h nicht, so verbleiben für die Eigengeschwindigkeit eines Talfahrers gegen das Ufer noch 10 km/h bis zur erlaubten Höchstgeschwindigkeit. Eine solche Eigengeschwindigkeit reicht zu Erhaltung der Steuerfähigkeit nach den Erfahrungen der Berufungskammer aus. Eine höhere Geschwindigkeit bei Hochwasser kann, außer bei besonderen nautischen Umständen, von denen hier aber keine Rede ist, zur Vermeidung schädlichen Sogs und Wellenschlags nicht hingenommen werden. Im etwa gleichen Sinne hat die Berufungskammer bereits in den Urteilen vom 10.6.1998 - 385 B - 10/98 - und 386 B - 11/98 - abgedruckt in ZfB, Sammlungsseite 1706, entschieden, woran festzuhalten ist. Ergänzend ist hier anzumerken, dass Schiffe, die die höchstzulässige Geschwindigkeit bei Erreichen der Hochwassermarken nicht einhalten können, gezwungen sind, die Weiterfahrt einzustellen. Denn die Sicherheit auf dem Strom und die Erhaltung der Uferböschungen und Uferbauwerke kann bei höheren als den zulässigen Geschwindigkeiten nicht mehr gewährleistet werden.
Die Berufung des Betroffenen musste daher zurückgewiesen werden.
Das Verfahren ist nach Art. 39 der Revidierten Mannheimer Akte gerichtsgebührenfrei.