Jurisprudentiedatabank
Leitsatz:
„In dubio pro reo", wenn die von der Anklage vorgeworfene verbotswidrige Überholung eines anderen Schiffes nicht einwandfrei nachgewiesen werden kann.
Urteil der Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt
vom 2. Juni 1976
41 P - 10/76
(Rheinschiffahrtsgericht Mainz)
Zum Sachverhalt:
Der Betroffene war vom Rheinschiffahrtsgericht zu einer Geldbuße von 50,- DM verurteilt worden, weil er innerhalb einer Oberholverbotsstrecke die Überholung eines anderen Schiffes begonnen haben sollte. Die Berufungskammer hielt den Beweis nicht für erbracht und sprach den Betroffenen frei.
Aus den Entscheidungsgründen:
Entgegen dem erstinstanzlichen Gericht sieht es die Berufungskammer nicht mit einer zu einer Verurteilung ausreichenden Sicherheit als erwiesen an, daß der Schiffsführer des talfahrenden Motortankschiffes E noch innerhalb der durch Anordnung der zuständigen Wasser- und Schiffahrtsdirektion Mainz festgelegten und entsprechend gekennzeichneten Oberhoiverbotsstrecke am Neckenheimer Werth das ihm vorausfahrende polnische Motorschiff B an dessen Steuerbordseite überholt hat.
Nicht nur die als Zeugen gehörte Ehefrau des betroffenen Schiffsführers V. und der Matrose B. des MTS E stellten in Abrede, daß die Überholung noch innerhalb der Verbotsstrecke begonnen worden sei, auch der als Lotse auf MS B fahrende Zeuge E., der ursprünglich eine Oberholung völlig verneinte, hat in der Verhandlung vor dem erstinstanzlichen Gericht auf nachhaltiges Befragen nur die Möglichkeit eingeräumt, daß wenige Meter (50-80 m) vor dem Schild, das das Ende der Oberholverbotsstrecke anzeigte, mit dem Oberholvorgang begonnen worden sein kann, ohne aber die Oberholung mit Bestimmtheit zu bestätigen. Berücksichtigt man andererseits noch die Tatsache, daß die in der Hauptverhandlung als Zeugen gehörten Beamten der Wasserschutzpolizei die herankommenden Schiffe nur aus größerer Entfernung in der Hauptrichtung beobachtet haben, wobei die Möglichkeit eines Beobachtungsfehlers nicht auszuschließen Ist, so bleiben der Berufungskammer in solchem Umfange Zweifel an Zeitpunkt und genauem Ort des Oberholungsbeginns, daß der Betroffene in Anwendung des Grundsatzes „in dubio pro reo" freizusprechen ist.