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Leitsätze:
1) Schadensersatzansprüche aus einem Schiffszusammenstoß und aus einer Fernschädigung werden verjährungsrechtlich gleichbehandelt. Der Ersatzanspruch gegen den Schiffseigner aus einer von der Besatzung seines Schiffs verschuldeten Fernschädigung eines anderen Schiffs verjährt nach § 118 Abs. 1 BinSchG mit dem Ablauf von zwei Jahren nach dem Ereignis.
2) Im Rahmen einer Schadensersatzpflicht sind auch die Kosten eines Rechtsanwalts zu tragen, und zwar erst recht dann, wenn ein Teil der Schadensersatzforderung bestritten und die Schadensabwicklung nur zögerlich behandelt worden sind.
Urteil des Berufungsausschusses der Moselkommission
vom 28.09.1994
Zum Tatbestand:
Am 23.07.1991 lag die Motoryacht „E" des Klägers im Moselhafen Cochem Condt. Dort wurde sie durch Sog und Wellenschlag eines auf der Mosel zu Tal fahrenden Koppelverbandes der Beklagten beschädigt. Den Schaden des Klägers hat die Beklagte durch Zahlung von 3.098,15 DM ausgeglichen. Sie weigert sich jedoch, diesem die Kosten des von ihm in die Schadenabwicklung eingeschalteten Rechtsanwalts zu ersetzen. Mit der am 04.05.1993 bei Gericht eingegangenen und am 09.07.1993 der Beklagten durch die zuständige niederländische Behörde zugestellten Klage hat der Kläger beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 224,01 DM nebst 4 % Zinsen seit 08.12.1992 zu verurteilen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hält den Klageanspruch für verjährt. Vorsorglich hat sie vorgetragen, dass die Zuziehung eines Rechtsanwalts durch den Kläger überflüssig gewesen sei, da kein Streit der Parteien zum Unfallhergang selbst bestanden habe. Im Übrigen sei „die Einschaltung von Rechtsanwälten im unstreitigen vorprozessualen Bereich in Schifffahrtssachen nicht üblich und daher auch nicht liquidationsfähig".
Das Moselschifffahrtsgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung hatte keinen Erfolg.
Aus den Entscheidungsgründen:
„1. Der Ansicht des Moselschifffahrtsgerichts, die Klageforderung sei nicht verjährt, ist zuzustimmen.
Nach § 117 Abs. 1 Nr. 7 BinSchG „verjähren mit dem Ablauf eines Jahres die Forderungen aus dem Verschulden einer Person der Schiffsbesatzung (hier: des Führers des Koppelverbands der Beklagten) soweit ihre Verjährung sich nicht nach § 118 bestimmt"; dabei beginnt die Verjährung mit dem Schlusse des Jahres, in welchem die Forderung fällig geworden ist. Nach § 118 Abs. 1 BinSchG „verjähren Ersatzansprüche aus dem Zusammenstoß von Schiffen (§§ 92 bis 92 f) mit dem Ablauf von zwei Jahren nach dem Ereignis". Danach wäre vorliegend Verjährungsende im ersten Fall am 31.12.1992 gewesen, wogegen dieses im zweiten Fall am 23.07.1993 eingetreten wäre. Da die Zustellung der Klage, die nach deutschem Recht die Verjährung unterbricht (§ 209 Abs. 1 BGB), im Streitfall nach dem 31.12.1992 - wie übrigens auch schon die Einreichung der Klage bei Gericht - , aber vor dem 23.07.1993 erfolgt ist, kommt es für die Begründetheit der von der Beklagten erhobenen Verjährungseinrede darauf an, ob sie nach § 117 Abs. 1 Nr. 7 oder nach § 118 Abs. 1 BinSchG zu beurteilen ist.
Nach Ansicht des Berufungsausschusses ist letzteres der Fall. Allerdings ist in § 118 Abs. 1 BinSchG nur von „Ersatzansprüchen aus dem Zusammenstoß von Schiffen" die Rede, wogegen die Vorschrift „Ersatzansprüche aus einer Fernschädigung" - um einen solchen Anspruch geht es hier - jedenfalls ausdrücklich nicht nennt. Jedoch legt der in der Vorschrift enthaltene Klammersatz „(§ § 92 bis 92 f)" durch die Miterwähnung des § 92 Abs. 2 BinSchG („Fügt ein Schiff durch Ausführung oder Unterlassung eines Manövers.... einem anderen Schiff.... einen Schaden zu, ohne dass ein Zusammenstoß stattfindet, so finden die Vorschriften der §§ 92 a bis 92 f entsprechende Anwendung") es nahe, dass § 118 Abs. 1 BinSchG auch Ersatzansprüche aus einer Fernschädigung umfasst.
Überdies ist insoweit folgendes zu berücksichtigen:
Die Fassung der §§ 92 bis 92 f, 117 Abs.1 Nr. 7, § 118 Abs. 1 BinSchG geht auf das am 15. März 1960 im Rahmen der ECE abgeschlossene Genfer „Übereinkommen zur Vereinheitlichung einzelner Regeln über den Zusammenstoß von Binnenschiffen" zurück, dem der deutsche Bundestag am 30.08.1972 unter teilweiser Änderung des Binnenschifffahrtsgesetzes zugestimmt hat (BGBI.II 1005) und das für die Bundesrepublik Deutschland am 27.08.1973 in Kraft getreten ist (BGBI.II 1495). Das Übereinkommen gilt nach Art. 1 Nr. 1 für den Ersatz des Schadens aus dem Zusammenstoß von Binnenschiffen und nach Art. 1 Nr. 2 für den Ersatz des Schadens aus einer Fernschädigung. Für beide Fälle bestimmt es in Art. 7 Nr. 1, dass „die Schadensersatzansprüche mit Ablauf von zwei Jahren seit dem Ereignis verjähren". Dafür, dass der deutsche Gesetzgeber diese Regelung bei der Einarbeitung des Übereinkommens vom 15.03.1960 in das Binnenschifffahrtsgesetz nur unvollständig (also ohne Einbeziehung der Ersatzansprüche aus einer Fernschädigung in die zweijährige Verjährungsfrist) übernehmen hat wollen, womit er übrigens gegen das ihn bindende Übereinkommen verstoßen hätte, gibt es keinen Anhalt, zumal die verjährungsrechtliche Gleichbehandlung von Ersatzansprüchen aus einem Schiffszusammenstoß oder aus einer Fernschädigung schon vor der Neufassung des § 117 Abs. 1 Nr. 7 und des § 118 BinSchG sowohl nach dem deutschen Binnenschifffahrtsrecht (vgl. §§ 92, 117 Nr. 7 BinSchG a.F.; § 738 HGB a.F.) als auch nach dem deutschen Seerecht (Brüsseler Übereinkommen zur einheitlichen Feststellung von Regeln über den Zusammenstoß von Schiffen vom 23.09.1910 - RGBI. 1913,49 - Art. 7 und 13; §§ 738 c, 902 Nr. 2 HGB) bestanden hat. Demgemäß ist der deutsche Bundesgerichtshof in dem Urteil vom 28.09.1981 - 11 ZR 65/81, BGHZ 81, 370 auch ohne weiteres davon ausgegangen, dass der Ersatzanspruch gegen den Schiffseigner aus einer von der Besatzung verschuldeten Fernschädigung erst mit dem Ablauf von zwei Jahren seit dem Ereignis nach § 118 Abs. 1 BinSchG verjährt.
2. Dem Moselschifffahrtsgericht ist auch insoweit zuzustimmen, als es die Berechtigung des Klägers, einen Rechtsanwalt mit der Verfolgung seiner Interessen gegenüber der Beklagten zu beauftragen, sowie deren Pflicht, dessen Kosten im Rahmen ihrer Schadensersatzpflicht zu tragen, bejaht hat. Hiergegen hat die Beklagte auch im Berufungsverfahren nichts Wesentliches vorbringen können. Zudem muss sie sich entgegenhalten lassen, dass sie nach dem vom Kläger vorgelegten Schriftwechsel einen Teil der Schadensersatzforderung des Klägers bestritten und außerdem die Schadensabwicklung zunächst nur zögerlich behandelt hat.
3. Danach ist mit der Kostenfolge aus § 97 der deutschen Zivilprozessordnung für Recht zu erkennen:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Moselschifffahrtsgerichts St. Goar vom 27.10.1993 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Diese sind unter Beachtung des Artikels 39 der Revidierten Rheinschifffahrtsakte (vgl. Art. 34 Abs. 3 des Moselvertrags vom 27.10.1956) vom Mo-selschifffahrtsgericht St. Goar festzusetzen."