Jurisprudentiedatabank
Leitsatz:
Wird ein regelmäßig von seinem Wohnsitz abwesender Schiffsführer wegen einer Straftat beschuldigt, so hat er besondere Vorkehrungen zu treffen, damit ihn gerichtliche, möglicherweise fristgebundene Schreiben rechtzeitig erreichen. Leitet er ein solches Schriftstück an einen Vertreter mit der Bitte um weitere Veranlassung weiter, so hat er sich zu vergewissern, dass der Vertreter die gesetzten Fristen einhält.
Beschluss des Schiffahrtsobergerichtes Karlsruhe
vom 14. März 2008
Aktenzeichen 4 WS 1/08
(Schiffahrtsgericht Kehl)
Gründe:
Mit Strafbefehl vom 18.5.2007 setzte das Amtsgericht-Schifffahrtsgericht-Kehl gegen den Beschuldigten wegen fahrlässiger Gefährdung des Schiffsverkehrs eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 40 € fest. Der Strafbefehl wurde am 25.5.2008 unter der Adresse des in Frankreich lebenden Beschuldigten durch Einschreiben mit Rückschein zugestellt. Mit am 14.6.2007 eingekommenem und am 12.7.2007 und 14.8.2007 ergänzend begründetem Schriftsatz seines Verteidigers beantragte der Beschuldigte Wiedereinsetzung in die Einspruchsfrist und legte gleichzeitig Einspruch gegen den Strafbefehl ein. Diesen hat das Amtsgericht mit dem angegriffenen Beschluss als unzulässig, den Wiedereinsetzungsantrag als unbegründet verworfen.
Der rechtzeitig eingelegten sofortigen Beschwerde gegen die Versagung der Wiedereinsetzung bleibt der Erfolg in der Sache versagt.
Entgegen der in der Beschwerdebegründung vertretenen Auffassung hat das Amtsgericht Kehl die angegriffene Entscheidung als zuständiges Schifffahrtsgericht getroffen. Dass dem amtsgerichtlichen Beschluss die Zusatzbezeichnung Schifffahrtsgericht fehlt, stellt offensichtlich eine versehentliche Auslassung dar, da der Beschluss über die Versagung der Wiedereinsetzung vom selben Richter unter dem identischen Aktenzeichen wie der Strafbefehl und der Nichtabhilfebeschluss vom 7.1.2008 erlassen wurde.
Die Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrags als unbegründet unterliegt keiner Beanstandung. Auch der Senat vermag dem Vortrag des Beschuldigten keine Umstände zu entnehmen, die eine schuldhafte Versäumung der Einspruchsfrist ausschließen. Zwar hat der infolge seiner Tätigkeit als Schiffsführer regelmäßig über längere Zeit abwesende Beschuldigte besondere Vorkehrungen getroffen, dass gerichtliche Schreiben, die möglicherweise fristgebundene Rechtsmittel veranlassen, ihn erreichen (vgl. OLG Hamm JMBLNW 1977, 92; LR-Wendisch zu § 44 Rn 31). Denn seine Frau hat das Einschreiben entgegengenommen und ihn noch am selben Tag über den Strafbefehl in Kenntnis gesetzt. Doch hat der Beschuldigte sich in der Folge nicht um die Einhaltung der Einspruchsfrist gekümmert, sondern - ebenfalls noch am Tag der Zustellung - den Disponenten der Reederei benachrichtigt, dem der Strafbefehl dann auch zugeleitet wurde. Dass dieser infolge einer Erkrankung, die ihn an den Folgetagen am Aufsuchen seines Büros hinderte, von dem Strafbefehl erst nach Ablauf der Einspruchsfrist am 11.6.2007 Kenntnis erlangt und an den Verteidiger des Beschuldigten weitergeleitet hat, vermag die Fristversäumnis nicht zu entschuldigen. Denn es stellt ein eigenes Verschulden des Beschuldigten dar, wenn er die Einlegung eines Rechtsmittels einem Dritten überlässt und in der Folge nicht - wenigstens durch Nachfrage - kontrolliert, ob sein Auftrag erledigt wird (BGH NStZ 1996, 50; OLG Hamm JMBLNW 1982, 59; OLG Zweibrücken StV 1992, 360; vgl. auch OLG Stuttgart Justiz 1980, 56). Hierzu hätte aber umso mehr Anlass bestanden, als der Beschuldigte am 25.5.2007, einem Werktag, den damals schon erkrankten Disponenten zu Hause angerufen hatte, so dass er nicht verlässlich annehmen durfte, dass dieser rechtzeitig ins Büro zurückkehren und sich um die Einlegung des Einspruchs kümmern würde.
Den Vorwurf verschuldeter Versäumnis vermag auch der Vortrag des Wiedereinsetzungsantrags, dass Binnenschiffer regelmäßig im Zusammenhang mit dem Schiffsverkehr anfallende Schreibarbeiten einem Disponenten überließen und insbesondere die nach einer Havarie wie der verfahrensgegenständlichen eingehenden Schreiben nicht von der Schiffsbesatzung selbst beantwortet würden, nicht zu entkräften. Denn der Strafbefehl betraf nicht die schadensrechtliche Abwicklung der Havarie, sondern einen den Beschuldigten persönlich betreffenden strafrechtlichen Vorwurf, um den er seit seiner Beschuldigtenvernehmung vom 12.9.2006 wusste, bei der er nach Belehrung die Aussage zur Sache verweigert, als Anschrift aber die Zustelladresse genannt hatte. Wenn der Beschuldigte auch die Erledigung solcher ihn persönlich betreffenden Schreiben dem Disponenten überlassen hat, hätte er nach oben genannten Grundsätzen unter den gegebenen Umständen sich versichern müssen, dass dieser seinen Pflichten auch nachkommt. Ebenso wenig lässt sich die Fristversäumnis auf mögliche Sprachschwierigkeiten des Beschuldigten als französischem Staatsbürger zurückführen, denn in der Beschuldigtenvernehmung ist der Beschuldigte als deutschsprachig bezeichnet. In dieser Sprache wurde auch der vom Beschuldigten unterzeichnete Havariebericht vom 12.9.2006 verfasst. Dass der Beschuldigte, der um das laufende Strafverfahren wusste, dem am 25.9.2007 zugestellten Strafbefehl keine grundlegende Bedeutung zugemessen und sich deshalb auch möglicherweise mit seinem Inhalt nicht weiter befasst hat, vermag die Fristversäumnis ebenfalls nicht zu entschuldigen.
Das Schifffahrtsgericht hat damit zu Recht den Antrag auf Wiedereinsetzung in die Einspruchsfrist zurückgewiesen.
Ebenfalls abrufbar unter ZfB 2008 - Nr.9 (Sammlung Seite 1992); ZfB 2009, 1992