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Urteil des Amtsgerichts St. Goar (Moselschifffahrtsgericht)
vom 15.05.2006
4 C 16/04.BSchMo
Tenor:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Entscheidung ergeht gerichtskostenfrei. Die weiteren Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt. Diese hat auch die den Streithelfern entstandenen Kosten zu tragen.
3. Das Urteil ist wegen der Kosten sowohl für die Beklagten als auch für die Streithelfer gegen Sicherheitsleistung von je 3.000,00 EUR vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
Die Klägerin ist ein Transportunternehmen mit Sitz in Duisburg. Sie erhielt am 30. November 2001 von einer Firma C F T B.V. (abgekürzt: C) den Auftrag, Futtergerste von M (Frankreich) nach L (Niederlande) zu transportieren.
Die Klägerin bestätigte den Auftrag mit Konnossement unter Beifügung ihrer Übernahme- sowie Verlade- und Transportbedingungen und beauftragte ihrerseits die Firma NR, welche sich des der Streitverkündeten Firma V.O.F. Ka gehordenden Schiffes GMS "Co" bediente, mit dem Transport. GMS "Co" übernahm die Ladung. Während des Transportes kam es am 04. Dezember 2001 auf der Mosel bei Km 227 zu einem Zusammenstoß mit dem zu Berg fahrenden GMS "CA", das der aus den Beklagten zu 2. und 3. bestehenden Beklagten zu 1. gehörte und von dem Beklagten zu 2. geführt wurde. Beide Fahrzeuge wurden beschädigt, ein Teil der Gerste wurde durchnässt und unbrauchbar. Um das Schiff zu retten, wurde fast die gesamte Ladung über Bord geleichtert und ging verloren. Der Schiffsführer von GMS "Co" erklärte Havarie Grosse und beauftragte das Sachverständigenbüro Le & Bw, welches unter dem 12. August 2002 eine Dispache erstellte.
Zwischen GMS "Co" und GMS "CA" fanden nach Durchführung eines Verklarungsverfahrens Rechtsstreitigkeiten statt, wobei GMS "Co" den auf das Schiff entfallenden Anteil an dem Havarie Grosse Schaden geltend gemacht hat. Die Verantwortlichkeit zwischen den beteiligten Schiffen wurde mit 2/3 zu Lasten der Beklagten und zu 1/3 zu Lasten der Streitverkündeten rechtskräftig durch Urteil der Berufungskammer der Moselkommission vom 17. November 2003 festgestellt.
Zuvor hatten sich die Streitverkündeten und die Prozessbevollmächtigten der C (Ladungseigentümerin) mit Vereinbarung vom November 2004 verpflichtet, an die Fa. C 72.471,11 EUR zu zahlen, wobei sich dieser Betrag aus dem Wert der geopferten Ladung (104.421,07 EUR) abzüglich des Anteils der Ladung an der Dispache (31.949,96 EUR) errechnet hat. Da die Ladungsbeteiligte sich vorbehalten hatte, diesen Betrag zunächst auf die Kosten und Zinsen zu verrechnen, wurden von der Zahlung der Streitverkündeten seitens der Ladung 66.364,61 EUR gutgeschrieben. Nach dem weiteren Inhalt der Vereinbarung sollte die Zahlung der Streitverkündeten auf eventuelle vertragliche oder gesetzliche Ansprüche der Ladung gegen das Schiff wegen Verlustes der geopferten und beschädigten Gerste angerechnet werden. Die Ladungsbeteiligten verpflichteten sich weiter, darüber hinausgehende Ansprüche zunächst gegen die Klägerin geltend zu machen. Allerdings sollten die getroffenen Vereinbarungen nicht zum Nachteil eventueller Zessionare gelten.
Die Beklagten bzw. die hinter ihr stehende Versicherung hat in der Folgezeit an die Streitverkündeten Zahlung wegen der entstandenen Kaskoschäden sowie auf den von dieser geltend gemachten Schaden aus der Dispache geleistet. Hiervon entfielen 80.648,21 EUR auf den der GMS "Co" geltend gemachten Dispacheschaden. Darüber hinaus haben die Beklagten an die Ladungsbeteiligten 2/3 der auf diese entfallenden Kosten der Dispache, das sind 21.299,97 EUR, sowie auf den Teil der Ladung, der bei der Havarie Grosse keine Berücksichtigung gefunden hatte, 3 7.484,49 EUR gezahlt.
Die Ladung hat weitere Beträge gegen die Klägerin gerichtlich geltend gemacht. Die Klägerin hatte daraufhin aufgrund außergerichtlichen Vergleiches 46.947,54 EUR an die Versicherung der Ladung gezahlt und macht diesen Betrag nunmehr gegen die Beklagten als Ausgleichsanspruch aber auch aus abgetretenem Recht geltend.
Nachdem die Beklagten Zahlung an die Versicherer des unfallbeteiligten GMS "Co" behauptet hatten, hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 06. Juni 2005 den Streitverkündeten zu 4) bis 6) den Streit verkündet. Die Beklagten haben mit Schriftsatz vom 27. September 2005 der hinter den Streitverkündeten zu 4) bis 6) stehenden Versicherung der Streitverkündeten zu 7) den Streit verkündet. Die Beklagten haben ihrerseits den Streitverkündeten zu 4) bis 6) mit Schriftsatz vom 02. Februar 2006 den Streit verkündet.
Die Streitverkündeten zu 4) bis 6) sind im Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten als Nebenintervienten beigetreten.
Die Klägerin trägt vor:
Die Beklagte sei ihrer Schadensersatzverpflichtung gegenüber den Eigentümern der bei der Havarie unbrauchbar gewordenen Ladung nicht vollständig nachgekommen. Wenn sie Zahlung an die Interessenten von GMS "Co" geleistet hätten, so sei die Zahlung an einen Nichtberechtigten erfolgt. Diese seien nämlich nicht seitens der Ladung berechtigt gewesen, die Zahlung entgegenzunehmen, noch hätten sie die Zahlung an die Interessenten der Ladung weitergeleitet.
Die Klägerin beantragt:
Die Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin als Gesamtschuldner 46.947,54 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagten beantragen: Die Klage abzuweisen.
Sie behaupten, ihre Versicherung habe die bei der Havarie entstandenen Schäden in dem Umfang, zu dem sie nach dem Urteil der Berufungskammer der Moselkommission zum Schadenersatz verpflichtet gewesen seien, ausgeglichen. Darüber hinaus seien auf die Klägerin weder durch Abtretung noch kraft Gesetzes Ansprüche übergegangen, jedenfalls seien diese verjährt. Darüber hinaus sei das angerufene Gericht nicht zuständig, über die Schadensersatzverpflichtung der Klägerin für den außerhalb der Bundesrepublik Deutschland entstandenen Schaden zu entscheiden.
Die Streithelfer der Klägerin schließen sich dem Klageabweisungsantrag der Beklagten an und tragen ergänzend vor:
Unmittelbar nach dem Eintritt des Schadens hätten sie Havarie Grosse erklärt und einen Havariekommissar beauftragt. Auch die Ladungsbeteiligten hätten sich eines Sachverständigen zur Feststellung des Schadens bedient. Der Havariekommissar Le habe dann die Dispache aufgemacht und die Beteiligung für Schiff und Ladung verbindlich festgestellt. Die Ladung sei hiernach verpflichtet gewesen, Aufwendungen in Höhe von 31.949,96 EUR zu tragen, weshalb sie diesen Betrag von dem der Ladung für die geopferte Gerste, deren Wert mit 104.421,07 EUR festgestellt worden sei, geschuldeten Betrag verrechnet habe. Darüber hinausgehende Ansprüche hätten den Ladungseigentümern nicht zugestanden, zumal die Konnossementsbedingungen der Klägerin, die Gegenstand des Frachtvertrages geworden seien, Haftungsbeschränkungen beinhalteten und Verjährung eingetreten sei. Die Klägerin habe deshalb an die Eigentümer der Ladung ohne Rechtsgrund gezahlt, wodurch Ansprüche nicht auf sie übergegangen sein könnten.
Wegen des Sachvortrages der Parteien im Einzelnen wird auf den vorgetragenen Inhalt der zu den Akten gereichten Schriftsätze und Urkunden sowie auf den Inhalt der zum Gegenstand der Verhandlung gemachten Vorverfahren - 4 C 13/02 BSchMo - sowie 4 C 18/02 BSchMo -, jeweils Amtsgericht St. Goar, verwiesen.
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die Beklagten haben die gegen sie begründeten Schadenersatzansprüche erfüllt.
I. Das Moselschifffahrtsgericht ist zur Entscheidung des Rechtsstreits berufen. Die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche beruhen auf einem Ereignis, das sich auf der Mosel bei Strom-km 227 zugetragen hat. In diesem Bereich bildet das Großherzogtum Luxemburg das linke und die Bundesrepublik Deutschland das rechte Ufer. Die Rechtsverhältnisse der Wasserfläche der Mosel sind in diesem Bereich als Kondominium ausgebildet, sodass sie sowohl zum Großherzogtum als auch zur Bundesrepublik gehören. Dies bedeutet, dass sowohl das Moselschifffahrtsgericht des Großherzogtums Luxemburg als auch das angerufene Gericht als Moselschifffahrtsgericht zuständig sind, wobei sich die Zuständigkeit jeweils danach bemisst, welches Gericht als erstes mit der Sache befasst war. Dass das zuständige Moselschifffahrtsgericht des Großherzogtums Luxemburg vor dem für den deutschen Bereich der Mosel zuständigen Moselschifffahrtsgericht mit der vorliegenden Sache befasst gewesen wäre, ist nicht zu ersehen.
II. Zwischen den Parteien ist nicht in Frage gestellt, dass die Führung von GMS "CA" den hier in Frage stehenden Unfall zu 2/3 und die Führung von GMS "Co" zu 1/3 verschuldet haben. Gegen die von dem Moselschifffahrtsgericht in den Verfahren 4 C 13/02 BSchMo und 4 C 18/02 BSchMo dem Grunde nach vorgenommenen und von der Berufungskammer der Moselkommission bestätigten Haftungsverteilung haben weder die Klägerin noch die Beklagten etwas erinnert. Anhaltspunkte, die eine andere Bewertung rechtfertigen könnten, sind nicht zu ersehen. Obgleich die materielle Rechtskraft der vorgenannten Urteile sich nicht auf das Rechtsverhältnis der bei der Havarie ebenfalls geschädigten Interessenten der Ladung von GMS "Co" erstreckt, kann deshalb davon ausgegangen werden, dass gemäß § 92c Abs. 1 BinSchG die Beklagten zu 2/3 und die Verantwortlichen von GMS "Co" zu 1/3 verpflichtet sind, den Eigentümern der Ladung von GMS "Co" den bei der Havarie entstandenen Schaden zu ersetzen.
III. Der infolge der Havarie vom 04. Dezember 2001 entstandene Schaden stellt sich, abgesehen von den an den Schiffen entstandenen Kaskoschäden so dar, dass ein Teil des Ladegutes bei der Kollision selbst durchnässt und damit unbrauchbar geworden war, ein anderer Teil geopfert wurde, um das Schiff
(GMS "Co") vor dem Untergang zu retten. Während die Ansprüche wegen der bei der Kollision geschädigten Ladung bei der Eigentümerin der Ladung zur unmittelbaren Geltendmachung verblieb, wurden die zur Rettung des Schiffes gemachten Aufwendungen in Haravie Grosse erfasst und zunächst unter Schiff und Ladung aufgeteilt. In der Dispache Nr. 3 55/02 haben die Sachverständigen Le & Bw dabei auch den Wert der Ladung, soweit die Gerste zur Rettung aus
gemeinsamer Gefahr geopfert wurde, sowie die vollen Frachtkosten (Nr. 11 der Dispache) berücksichtigt.
Die Beklagten haben zum Ausgleich des zur Rettung von Schiff und Ladung entstandenen Schadens ihren Anteil erbracht. Sie haben nach ihrer, aber auch nach der Darstellung der Streithelfer an diese 2/3 des auf das Schiff entfallenden Kostenanteils gezahlt. Die Klägerin stellt diese Zahlung selbst auch nicht ernsthaft in Abrede, wie sie auch nicht bestreitet, dass die Beklagten an die Interessenten der Ladung 2/3 des auf die Ladung entfallenden Havarie Grosse Anteils bezahlt haben. Damit sind die Beklagten objektiv ihrer Verpflichtung zum Ausgleich der auf sie entfallenden Anteile an dem insoweit entstandenen Schaden nachgekommen, wobei auch nicht davon ausgegangen werden kann, die Beklagten hätten an einen "Nichtberechtigten" geleistet: Die Streitverkündeten haben unwidersprochen vorgetragen, den auf das Schiff entfallenden Anteil an der großen Havarei getragen zu haben, weshalb ihnen ein entsprechender Schadensersatzanspruch gegen die Beklagten zustand. Auch die Ladung hatte den auf sie entfallenden Anteil durch Verrechnung (vergleiche Vereinbarung von November 2004 - Bl. 278 - 280) erbracht, weshalb die Beklagten unstreitig an sie eine weitere Zahlung von 21.299,97 EUR erbracht hat. Der Umstand, dass die Streitverkündeten ihre Zahlung zum Ausgleich des der Ladung durch den Verlust der Gerste entstandenen Schadens als eigene Schadensersatzleistung bezeichnet haben, kann, wie in der Vereinbarung ausdrücklich hervorgehoben wird, nicht zum Nachteil Dritter, also auch nicht zum Nachteil der Beklagten geltend gemacht werden. Es ist Sache der Ladung bzw. der Klägerin als Rechtsnachfolgerin der Ladung, den ihr gegen die Verantwortlichen von GMS "Co" zustehenden Schadensersatzanspruch geltend zu machen. Dabei wäre gegebenenfalls auch zu prüfen, ob das Schiff den zur Errettung von Schiff und Ladung gemachten Aufwand zu Recht als große Havarei abgerechnet hat, oder ob sie wegen des auf sie entfallenden Verschuldensanteils verpflichtet ist, den der Ladung deshalb entstandenen Schaden zu ersetzen.
Auch den weiteren, den Eigentümern der Ladung entstandenen Schaden haben die Beklagten zu 2/3 ausgeglichen, weshalb Ansprüche der Ladung gegen die Beklagten nicht auf die Klägerin übergegangen sein können: Mit Schreiben vom 04. März 2 0 04 haben die Prozessbevollmächtigten der Beklagten die Zahlung von 37.484,49 EUR an die Vertretung der Ladung angekündigt und unstreitig auch erbracht. Dieser Betrag entspricht dem 2/3-Anteil des Wertes, der bei der Havarie unbrauchbar gewordenen Gerste, wobei die Beklagten zu Recht den FOB-Preis der Schadensberechnung zugrunde gelegt haben. Denn die Frachtkosten waren bereits in die Havarie Grosse-Kosten eingeflossen und bei der Dispache berücksichtigt. Soweit die Klägerin nunmehr noch eine Rechnung der Fa. FD geltend macht, ist ihr Sachvortrag unverständlich. Es erscheint nicht nachvollziehbar, dass Sachverständigenkosten in Höhe von 5.622,75 EUR angefallen sein könnten, um festzustellen, dass eine Verwertung des in dem Schiffsraum verbliebenen Ladungsgutes nicht mehr möglich war.
Die Kostenentscheidung folgt aus Art. 34 Abs. 3 des Moselvertrages in Verbindung mit Art. 3 6 Abs. 1 der revidierten Rheinschifffahrtsakte und §§ 91, 101 ZPO.
Gemäß § 709 ZPO war das Urteil gegen Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar zu erklären.