Jurisprudentiedatabank
Urteil des Amtsgerichts – Moselschiffahrtsgericht St.Goar
vom 12. Mai 2003
4 C 16/02.BSchMo
Tatbestand:
Die Klägerin hat das der Schiffsgemeinschaft V.O.F. Kaptein-Jansen gehörende GMS A (95 m lang, 9,50 m breit und 1.708 t groß) gegen die Gefahren der Schifffahrt versichert. Sie hat den Eigentümern wegen eines Schadens, der bei einem Zusammenstoß mit GMS B (85 m lang, 9 m breit und 1.448 t groß) am 18. September 2001 auf der Mosel unterhalb der Straßenbrücke Lieser/Mühlheim entstanden ist, Deckungsschutz gewährt. GMS B, das von dem Geschäftsführer der Beklagten E. geführt wurde, fuhr mit 1.065 t Schredderschrott beladen zu Berg, während GMS A von dem Miteigentümer J. geführt wurde und voll abgeladen zu Tal fuhr.
GMS B hatte am Morgen des 18. September 2001 ab Engkirch in der Betriebsform Al fahrend die Fahrt aufgenommen. Es herrschte zunächst klare Sicht. Als das Schiff indes Bernkastel-Kues passiert hatte, wurde die Sicht schlechter. Der Zeuge S., der mit GMS C zu Tal fuhr, warnte GMS B bei der Begegnung der beiden Schiffe vor dem bergwärts zu erwartenden Nebel. Der Geschäftsführer der Beklagten, der ohnehin das Radargerät beigeschaltet hatte, erkannte kurze Zeit später auf dem Radarbild das ihm entgegenkommende GMS A. Er forderte eine Begegnung Steuerbord an Steuerbord. Die Schiffsführung von GMS A, die den Bergfahrer bereits in einer Entfernung von ca. 700 bis 800 m als solchen erkannt hatte, forderte kurz vor der Begegnung, dass diese Backbord an Backbord stattfinden sollte. GMS B beharrte indes auf der Begegnung Steuerbord an Steuerbord.
Schließlich kollidierten beide Schiffe am rechten Moselufer derart, dass GMS A mit seinem Bug die Steuerbordseite von GMS B im vorderen Drittel berührte, an dessen Bordwand entlang glitt und mit dem rechten Horn des als Schubbühne ausgebildeten Bugs Dennebaum und Lukendächer von GMS B beschädigte und mehrere Pollerbänke aus dessen Gangbord riss.
Die Klägerin trägt vor:
Schiffsführer K. habe den Bergfahrer erkannt, als dieser in sein Radarbild gekommen sei. Auf diesem habe er eine Voraussicht von 800 m gehabt. Zu diesem Zeitpunkt habe sich der Bergfahrer an seiner grünen Seite befunden, während er mit GMS A auf der rechten Moselseite zu Tal gefahren sei Die Begegnung Backbord an Backbord sei demnach, ohne dass es einer ausdrücklichen Absprache bedurft hätte, klar gewesen. Ein Funkdurchsage "Der talfahrende Schubverband Steuerbord an Steuerbord", die er kurz nach dem Durchfahren der Mülheimer Brücke bei Stromkilometer 135 vernommen habe, habe er nicht auf sich bezogen, da er keinen Schubverband geführt habe. Erst als beide Fahrzeuge nur wenige 100 m voneinander entfernt gewesen seien, habe GMS B sich auf das rechte Ufer hin zubewegt und gleichzeitig die Weisung zur Begegnung Steuerbord an Steuerbord erteilt. Hierzu sei es indessen zu spät gewesen, worauf er hingewiesen habe. Er habe dann seine Maschinen gestoppt und zurückgemacht, so dass GMS A alsbald zum Stillstand gekommen sei. Der Bergfahrer habe ihm somit keinen geeigneten Weg gewiesen, jedenfalls seien seine Funkdurchsagen unvollständig und ungenau gewesen, so dass der Zusammenstoß auf das Verhalten der Schiffsführung von GMS B zurückgeführt werden müsse. Er selbst habe alles getan, um den Unfall zu vermeiden, weshalb die Beklagte zum Ersatz des entstandenen Schadens verpflichtet sei.
Den Beklagten zur Zahlung von 10.718,75 Euro nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz gemäß § 1 des Diskontüberleitungsgesetzes seit dem 14. Oktober 2002 zu verurteilen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte trägt vor:
Nachdem der Nebel aufgekommen sei, habe Schiffsführer E. sich ordnungsgemäß unter Angabe seiner Position als Bergfahrer gemeldet, wobei er als Positionsangabe die Moselkilometer gewählt habe. Als GMS A am Rande seines auf 700 m-Voraussicht eingestellten Radargerätes sichtbar geworden sei, habe er für die Talfahrt die Begegnung Steuerbord an Steuerbord angeordnet. Der Talfahrer habe diese auch bestätigt. Da beide Fahrzeuge auf gerader Strecke etwa in der Mitte der Fahrrinne fahrend sich einander genähert hätten, sei er von einer problemlosen Begegnung ausgegangen. Als die Fahrzeuge nur noch. 100 bis 150 m voneinander entfernt gewesen seien, habe er jedoch bemerkt, dass GMS A zu rechten Moselseite hin gelenkt worden sei, obgleich er dort zu Berg gefahren sei. Aus diesem Grunde habe er nochmals auf die Begegnung Steuerbord an Steuerbord hingewiesen, worauf GMS A die Begegnung Backbord an Backbord gewünscht habe. Dem habe er erneut widersprochen, zumal er keinerlei Möglichkeit mehr gehabt habe, sein Schiff zur linken Moselseite hin zu steuern. Um einer Kollision Kopf auf Kopf zu entgehen, habe die Führung von GMS B das Schiff noch weiter zur rechten Moselseite hin gelenkt. GMS A sei jedoch in starker Schräglage im Strom liegend gegen die Steuerbordseitenwand ihres Schiffes gestoßen, wobei die Schubbühne des Talfahrers sich über ihr Schiff geschoben habe.
Zur Darstellung des Parteivortrages im einzelnen wird auf den vorgetragenen Inhalt der zu den Akten gereichten Schriftsätze und Urkunden verwiesen. Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des von der Klägerin gestellten Zeugen S. Wegen der Havarie war bei dem Schifffahrtsgericht St. Goar auf Antrag des Geschäftsführers der Beklagten ein Verklarungsverfahren anhängig, dessen Inhalt ebenso wie die polizeilichen Ermittlungsakten Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist nicht begründet.
I. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme, dem Verklarungsverfahren sowie dem Inhalt der polizeilichen Ermittlungsakten ist davon auszugehen, dass die Schiffsführung der Versicherungsnehmerin der Klägerin den Unfall verschuldet hat. Der Zusammenstoß zwischen dem zu Berg fahrenden GMS B und dem zu Tal fahrenden GMS B hat sich auf der rechten Moselseite zugetragen, nachdem der Bergfahrer zuvor die Begegnung Steuerbord an Steuerbord gefordert und der Talfahrer dem widersprochen hatte. Der Zusammenstoß erfolgte derart, dass der Kopf von GMS A auf der Steuerbordseite von GMS B Schäden verursachte. Auch wenn die Einzelheiten des Unfalls in der Beweisaufnahme nicht letztlich geklärt werden konnten, muss davon ausgegangen werden, die Führung von GMS A habe den Unfall verschuldet, da sie nicht der Kursweisung des Bergfahrers gefolgt ist. Nimmt der Talfahrer nicht den ihm gewiesenen Weg, muss er unabhängig von seiner Parteirolle beweisen, dass ihm kein geeigneter Weg für die Begegnung frei gelassen wurde. Dies gilt nach der Rechtsprechung des Oberlandesgerichtes Köln selbst dann, wenn die Kursweisung verspätet oder fehlerhaft erfolgt ist (vgl. Bemm/von Waldstein RNote 50 zu § 6.03 RSchPVO). Dem ist zuzustimmen: Insbesondere bei Nebel müssen, wie auch der Schiffsführer Firmbach bei seiner Vernehmung zum Ausdruck gebracht hat, klare Regeln gelten. Zudem kann insbesondere im vorliegenden Fall nicht ausgeschlossen werden, dass der Zusammenstoß bei sofortiger Beachtung der Kursweisung des Bergfahrers nicht doch hätte abgewendet werden können.
II. GMS A ist der Beweis dafür, der Bergfahrer habe ihm keinen geeigneten Weg freigelassen oder durch sonstiges Fehlverhalten den Zusammenstoß herbeigeführt, nicht gelungen:
1. Unstreitig hat sich die Havarie auf der rechten Moselseite zugetragen, weshalb davon auszugehen ist, dass die linke Hälfte der Fahrrinne für die Talfahrt frei war. GMS B hatte somit zu Recht die Begegnung Steuerbord an Steuerbord angeordnet.
2. Soweit die Klägerin behauptet, GMS B sei erst kurz vor der Begegnung zur rechten Moselseite hin gewechselt und habe somit seinen Kurs gekreuzt, kann ihre Behauptung nicht als erwiesen angesehen werden. Der Geschäftsführer der Beklagten hat im Verklarungsverfahren angegeben, beide Schiffe seien sich etwa in der Mitte der Fahrrinne fahrend entgegengekommen. Seine Ehefrau hat als Zeugin bestätigt, GMS B sei in dem Bereich, in dem noch kein Nebel die Sicht beeinträchtigt habe, in der Mitte der Mosel geführt worden. Dass GMS B noch kurz vor der Begegnung an den grünen Tonnen entlanggefahren sei, wie die Klägerin behauptet, hat keiner der Zeugen ausgesagt, auch nicht der Zeuge S. Dieser hat die Angaben der Klägerin nur insoweit bestätigt, als er bekundete, Schiffsführer K. habe auf der Begegnung Backbord an Backbord bestanden, weil es "anders nicht mehr gehe". Hiermit allein aber ist die Behauptung der Klägerin nicht bewiesen. Es ist auch möglich, dass Schiffsführer K. sein Radarbild falsch ausgewertet hat.
3. Es kann nicht einmal angenommen werden, die Schiffsführung von GMS B habe erst verspätet eine klare Kursweisung gegeben. Keiner der Zeugen hat die Behauptung der Klägerin bestätigt, über Funk sei für einen talfahrenden Koppelverband die Begegnung Steuerbord an Steuerbord gewünscht worden. Demgegenüber hat die Ehefrau des Geschäftsführers der Beklagten dessen Angaben insoweit bestätigt, als dieser rechtzeitig die Kursweisung erteilt habe und hat im Verklarungsverfahren entgegen ihren Angaben im polizeilichen Ermittlungsverfahren sogar ausgesagt, der Beklagte habe diese Kursweisung bestätigt. Auch wenn die unbeteiligten Zeugen Firmbach und S. nur die Kursweisung des Bergfahrers bestätigt und keine Angaben dazu gemacht haben, wie weit beide Schiffe zu diesem Zeitpunkt noch voneinander entfernt waren, kann die Darstellung der Klägerin nicht als bewiesen angesehen werden.
4. Es ist nicht zu ersehen, welches Verhalten von GMS B ansonsten für den Unfall ursächlich gewesen sein könnte: Nach den Darstellungen beider Parteien war die Begegnung bis zu dem Zeitpunkt, als beide Fahrzeuge nur noch wenig voneinander entfernt waren, als problemlos anzusehen. Es bestand Funkverkehr, so dass es des Gebrauchs von Warnsignalen nicht bedurfte. Das GMS B keine Maschinenmanöver fuhr, kann ebenfalls nicht als unfallursächlich angesehen werden, da beide Fahrzeuge zu dem Zeitpunkt, als eine Gefährdung zu erkennen war, nur noch wenige Meter voneinander entfernt waren.
III. Der Erhebung weiterer Beweise bedurfte es nicht. Der Zeuge V. ist nach Angaben der Klägerin nicht erreichbar. Er hat im Ermittlungsverfahren ausgesagt, GMS A sei im rechten Stromdrittel zu Tal gefahren, während GMS B etwa in der Mitte des Stromes gefahren sei. Auch er hat somit die Behauptung der Klägerin, GMS B sei entlang den grünen Tonnen zu Berg gefahren, nicht bestätigt. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass der Zeuge GMS B wegen des Nebels allenfalls kurz vor dem Zusammenstoß gesehen haben kann. Da er sich nicht im Steuerhaus befand, hat er auch weder das Radarbild beachtet, noch den Funkverkehr mitverfolgt, so dass seine Aussage im Ermittlungsverfahren kein umfassendes Bild des Geschehensablaufes vermittelt.
Auch soweit die Klägerin die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu seiner Behauptung. beantragt, eine Begegnung Steuerbord an Steuerbord sei nicht mehr möglich gewesen, bedurfte es der Beweisaufnahme nicht: Da der Kurs beider Schiffe vor dem Zusammenstoß nicht eindeutig festgestellt werden kann und auch streitig ist, zu welchem Zeitpunkt die Kursweisung des Bergfahrers erfolgte, könnte der Sachverständige allenfalls seiner Bewertung hypothetische Sachverhalte unterstellen. Dass eine Begegnung Steuerbord an Steuerbord nicht mehr möglich war, wenn GMS A am rechten Ufer zu Tal fuhr und GMS B auf der linken Moselseite fahrend erst 200 m vor der Begegnung eine entsprechende Kursweisung erteilt hat und erst zu diesem Zeitpunkt nach Backbord gesteuert hat, bedarf im übrigen auch nicht der Bestätigung eines Sachverständigen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Gemäß § 709 ZPO war das Urteil gegen Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar zu erklären.