Jurisprudentiedatabank
Urteil der Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt
vom 25. April 1997
360 B - 8/97
(auf Berufung gegen das Urteil des Rheinschiffahrtsgerichts Mainz vom 3. Juni 1996 - 302 Js 2873/96 - OWi -)
Tatbestand:
Am 01.09.1995 hat die Wasser- und Schiffahrtsdirektion Südwest in Mainz gegen den Betroffenen eine Geldbuße von 1.200 DM verhängt. In dem Bußgeldbescheid heißt es hierzu:
« Sie überholten das TMS Z (am 13.12.1994, 4.30 Uhr, bei Rhein-km 440,5) entgegen der allgemeinen Sorgfaltspflicht und der beruflichen Übung mit zu hoher Fahrtstufe und zu dichtem Seitenabstand, so daß dieses Fahrzeug über die grüne Fahrwassertonne geschoben wurde und deren Grundseil -Kette- in die Schiffsschraube bekam. Durch diese rücksichtslose Fahrweise wurde das Fahrzeug manövrierunfähig und das Fahrwasserzeichen unbrauchbar. Zuwiderhandlungen gegen §§ 6.09 Nr. 1, 1.04, 1.13 Nr. 1 RheinSchPV i.V.m. Art. 5 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 Nr. 15 b, Abs. 3 Ziff. 2 a RheinSchPVEV. »
Gegen den Bußgeldbescheid hat der Betroffene form- und fristgerecht Einspruch eingelegt. Er hält den Vorwurf in dem Bußgeldbescheid für unberechtigt.
Das Rheinschiffahrtsgericht Mainz hat gegen den Betroffenen eine Geldbuße von 600 DM festgesetzt. Dieser sei mit dem von ihm geführten TMS M zum Unfallzeitpunkt in der Ortslage Worms zu Berg gefahren. Dort sei er dem vor ihm am linksrheinischen Tonnenstrich entlangfahrenden TMS Z aufgelaufen und habe sodann dieses Fahrzeug in einem viel zu geringen Abstand von etwa 1-2 Schiffsbreiten überholt. Infolgedessen habe sich TMS M an TMS Z, das langsam gemacht hat, festgesaugt. Der Betroffene habe daraufhin den Kurs nach Backbord geändert. Dadurch sei das Achterschiff seines Fahrzeugs TMS Z noch näher gekommen und habe dieses über die Tonnenlinie gedrängt, so daß die grüne Tonne bei Rhein-km 440,5 unter das Achterschiff des TMS Z gedrückt worden und die Kette der Boje in die Schraube von Z geraten und dessen Antriebsmaschine stehen geblieben sei. - Verstoß gegen die bereits im Bußgeldbescheid aufgezählten Vorschriften.
Der Betroffene hat gegen das Urteil des Rheinschiffahrtsgerichts Mainz form- und fristgerecht Berufung eingelegt. Er beantragt, ihn freizusprechen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung führt zu einer Verringerung der Geldbuße von 600 DM auf 400 DM.
1. Von der Besatzung des TMS Z haben sich zum Unfallzeitpunkt Schiffsführer T und der Matrose S im Steuerhaus des Schiffes aufgehalten. Sie haben bekundet, TMS M habe ihr Schiff, das anfangs mit einem Seitenabstand von 10-20 m zu den grünen Tonnen gefahren sei, mit einem Seitenabstand von ca. 10 m (Zeuge T) bzw. ca. 10-20 m (Zeuge S) passiert ; ihr mehrfacher Versuch, den Betroffenen über Funk anzusprechen, sei erfolglos gewesen ; TMS M sei dann mit seinem Achterschiff so nahe an TMS Z herangekommen, daß es dieses Fahrzeug über den linken Fahrwasserrand hinausgedrückt habe ; dadurch sei die grüne Tonne unter das Achterschiff des TMS Z geraten und anschließend die Maschine stehen geblieben.
2. Der Betroffene hat sich Anfang Januar 1995 gegenüber der Wasserschutzpolizei geäußert, daß er zum Unfallzeitpunkt TMS Z überholt habe; zu Beginn des Überholmanövers sei er rechtsrheinisch zu Berg gefahren mit ca. 80 m Seitenabstand; dann sei Talfahrt gekommen und er habe auf die Seite des TMS Z wechseln müssen; der Passierabstand habe dann etwa 20 m betragen; er habe beim Überholen nicht langsam gemacht, was er hingegen von TMS Z erwartet habe; daß es aufgrund des Überholvorgangs zu einer Havarie gekommen sei, habe er erst am nächsten Tag erfahren.
Gegenüber dem Rheinschiffahrtsgericht hat sich der Betroffene dahin eingelassen, daß er TMS Z in einem ausreichenden Abstand von ca. 80 m überholt habe ; während dieses Vorgangs sei dann oberhalb ca. bei Rhein-km 439,5 rechtsrheinisch ein Talfahrer entgegengekommen ; um diesem ausreichend Raum zur Backbord-Passage zu geben, habe er den Kurs zur Fahrrinnenmitte verlegt und gleichzeitig TMS Z noch einmal über Kanal 10 angesprochen, langsamer zu machen ; plötzlich habe er bemerkt, daß TMS Z langsam mache ; von dem Anfahren einer Tonne habe er nichts bemerkt.
Nach den Ausführungen des Rheinschiffahrtsgerichts in dem angefochtenen Urteil hat sich neben dem Betroffenen ein weiteres Besatzungsmitglied (Schiffsführer C) kurzfristig im Steuerhaus des TMS M aufgehalten und bei seiner Vernehmung durch das Gericht « die Einlassungen des Betroffenen in etwa bestätigt, an genaue Abstände jedoch nicht hinreichend erinnern können ; wiederholt habe er aber die Einlassungen des Betroffenen insoweit wiederholt, daß dieser wegen der aufkommenden Talfahrt seinen Kurs nach Backbord (gemeint ist offensichtlich : nach Steuerbord) gerichtet habe. »
3. Nach dem Aktenvermerk der Wasserschutzpolizei vom 16.01.1995 war im Unfallbereich eine Fahrwasserbreite von 120 m vorhanden. Das Fahrwasser selbst verlief ausweislich der von dem Betroffenen vorgelegten Schiffahrts- und Industriekarte des Rheins rechtsrheinisch. Es bot für ein Überholen des TMS Z durch TMS M zweifellos hinreichend Raum, und zwar auch bei einer gleichzeitigen Begegnung mit einem Talfahrer, zumal insoweit « Geregelte Begegnung » vorgeschrieben war (§ 9.02 Nr. 1a RheinSchPV).
Insoweit hätte genügt, wenn der Betroffene den Kurs seines TMS M in die Mitte des Fahrwassers verlegt hätte. Stattdessen hat er zu dem an den linksrheinischen (grünen) Tonnen entlang fahrenden TMS Z einen Seitenabstand von nur 10-20 m eingehalten (auch der Betroffene selbst hat lediglich von etwa 20 m gesprochen), was ohne weiteres zu einer gegenseitigen Beeinflussung der Fahrzeuge durch Sog oder Wellenschlag führen mußte, zumal TMS M 105 m lang, 9,55 m breit und - bei einer Ladung von 2.084 t Benzin - auf 3,50 abgeladen war sowie das Überholmanöver mit unveränderter Fahrt vorgenommen hat. Die Folge davon war, wie die Zeugen T und S bestätigt haben, daß MS Z die bei Rhein-km 440,5 gelegene grüne Tonne überfuhr, worauf deren Grundseil in dessen Schraube geriet.
4. Danach ist die Berufungskammer mit dem Rheinschiffahrtsgericht der Ansicht, daß der Betroffene beim Überholen des TMS Z mit seinem TMS M fehlerhaft gehandelt und jedenfalls fahrlässig gegen seine allgemeine Sorgfaltspflicht (§ 1.04 RheinSchPV) verstoßen hat - Ordnungswidrigkeit im Sinne des Art. 5 Abs. 3 Nr. 2a RheinSchPVEV.
Was den von dem Rheinschiffahrtsgericht ebenfalls bejahten Verstoß des Betroffenen gegen § 6.09 Nr. 1 RheinSchPV angeht, ist folgendes zu bemerken:
Nach dieser Vorschrift ist das Überholen nur gestattet, nachdem sich der Überholende vergewissert hat, daß dieses Manöver ohne Gefahr ausgeführt werden kann. Hier liegt es nun so, daß es die Lage im Revier dem Betroffenen ohne weiteres erlaubte, das Überholmanöver gefahrlos durchzuführen, wenn er für sein Fahrzeug den richtigen Kurs (in Fahrwassermitte) wählte. Stattdessen ist er infolge der Wahl eines falschen Kurses zu weit nach linksrheinisch gekommen. Darin liegt aber nur ein Verstoß gegen die allgemeine Sorgfaltspflicht eines Schiffsführers, hingegen nicht gegen § 6.09 Nr. 1 RheinSchPV.
Entsprechend liegt es hinsichtlich der Annahme eines Verstoßes des Betroffenen gegen § 1.13 Nr. 1 RheinSchPV. Nach dieser Vorschrift ist es verboten, Schiffahrtszeichen (z.B. Tonnen, Schwimmstangen, Baken) zum Festmachen oder Verholen von Fahrzeugen zu benutzen, sie zu beschädigen oder unbrauchbar zu machen. Das alles ist vorliegend seitens des Betroffenen nicht geschehen. Zwar hat TMS Z, als es dem fehlerhaften Kurs des TMS M auszuweichen versuchte, die grüne Tonne bei Rhein-km 440,5 überfahren. Jedoch geht es insoweit um die Folge eines Verstoßes des Betroffenen gegen seine allgemeine Sorgfaltspflicht, hingegen nicht um eine Verletzung seinerseits der Vorschrift des § 1.13 Nr. 1 RheinSchPV.
5. Der Tatvorwurf der Bußgeldbehörde wie des Rheinschiffahrtsgerichts gegen den Betroffenen ist dahin gegangen, daß er bei der Überholung des TMS Z einen zu geringen Seitenabstand zu diesem Schiff eingehalten habe, so daß es nach linksrheinisch geraten sei und eine Tonne überfahren habe. Wegen dieses, zu Recht bestehenden, Vorwurfs ist ihm ein Bußgeld aufzuerlegen. Insoweit erscheint der Berufungskammer ein Betrag von 400 DM angemessen, nachdem eine Verletzung des § 1.13 Nr. 1 sowie des § 6.09 Nr. 1 RheinSchPV, wie sie das Rheinschiffahrtsgericht zusätzlich bejaht hat, nicht in Betracht kommt. Indes bedarf es zu diesen Punkten keines Teilfreispruchs des Betroffenen, da der gegen ihn allein gerichtete Tatvorwurf seine Bestätigung gefunden und zur Auferlegung eines Bußgelds von 400 DM geführt hat.
Aus den dargelegten Gründen wird für Recht erkannt:
1. Auf die Berufung des Betroffenen wird das Urteil des Rheinschiffahrtsgerichts Mainz vom 03.06.1996 geändert:
Der Betroffene wird wegen Zuwiderhandlung gegen die ihm nach § 1.04 RheinSchPV obliegende Allgemeine Sorgfaltspflicht beim Überholen eines vorausfahrenden Fahrzeugs zu einer Geldbuße von 400.—DM verurteilt.
2. Der Betroffene hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Deren Festsetzung gemäß Art. 39 der Revidierten Rheinschiffahrtsakte erfolgt durch das Rheinschiffahrtsgericht Mainz.
Ebenfalls abrufbar unter ZfB 1997 - Nr.18 (Sammlung Seite 1655 f.); ZfB 1997, 1655 f.