Jurisprudentiedatabank
Leitsatz:
Muß nach widersprüchlichen Aussagen von Schiffsführern, Zeugen und Sachverständigen angenommen werden, daß keine zuverlässigen objektiven Anhaltspunkte für die Richtigkeit der Unfallschilderung der einen oder der anderen Seite sprechen, müssen die Ursachen eines Zusammenstoßes von Schiffen als ungeklärt angesehen werden, so daß nach § 92a BinSchG kein Anspruch auf Schadensersatz besteht.
Urteil der Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt
vom 10. Februar 1995
323 Z - 22/94
(auf Berufung gegen das Urteil des Rhemschiffahrtsgerichts Duisburg-Ruhrort vom 28. Oktober 1993 - 5 C 27/91 BSch -)
Tatbestand:
Die Parteien streiten um die Folgen eines Schiffsunfalls, der sich am 5. 4. 1990 gegen 8.30 Uhr bei unsichtigem Wetter auf dem Rheinstrom im Bereich von Rhein-strom-km 765,5 bis 768,6 ereignet hat.
Die Klägerin ist Eignerin des MTS "P" ( 2325 to groß, 104,75 m lang, 9,55 breit und 1200 PS stark ), dessen verantwortlicher Schiffsführer der Zeuge G. gewesen ist.
Der Beklagte ist der Eigner des MTS "M" ( 1127 to groß, 7 9,90 m lang, 8,20 m breit und 630 PS stark ), das er zur Zeit nachbeschriebener Ereignisse selbst verantwortlich geführt hat.
Zu der angegebenen Zeit fuhr das MTS "M" mit Hilfe von Radar zu Tal. Zu Berg näherte sich MTS "P". Beide Schiffe zeigten das Blinklicht und die blaue Flagge. Über Kanal 10 verlangte MTS "PB" von MTS "M" eine Begegnung Steuerbord an Steuerbord. Diese Kursweisung wurde von MTS "M" bestätigt. Nachdem MTS "P" rechtsrheinische Stillieger passiert hatte, kam es bei der Begegnung der Motortankschiffe zu einer Kollision, bei der beide Fahrzeuge erheblich beschädigt wurden.
Aus Anlaß des Unfalls ist das Verklarungsverfahren 5 II 3/ 90 Schiffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort durchgeführt worden. Ferner wurde das Bußgeldverfahren 5 OWi 136/91 Rheinschiffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort eingeleitet.
Die Klägerin hat behauptet, MTS "P" sei nach dem Übergang bei Huckingen mit normalen Bergkurs etwa 125 bis 130 rn aus dem rechtsrheinischen Ufer weitergefahren und habe die blaue Tafel gesetzt. Rechtsrheinisch hätten sich Stillieger etwa 100 m aus dem rechten Ufer befunden. Dann sei ein Talfahrer ins Radarbild gekommen, der ziemlich breit und damit mehr in der rechtsrheinischen Stromhälfte gefahren sei. Daraufhin habe sich MTS "PB" gemeldet und eine Kursweisung erteilt. Schiffsführer G. von MTS "P" sei davon ausgegangen, daß das entgegenkommende Schiff wieder zur Strommitte hin ausweichen werde. Als dies in einer Entfernung von 500 bis 700 m beider Schiffe zueinander noch nicht der Fall gewesen sei, habe er den Talfahrer erneut angesprochen , was dieser denn mache, es sei doch Steuerbord an Steuerbord vereinbart worden. Er habe bereits langsam gemacht. Da MTS "M" weiter auf Kollisionskurs geblieben sei, habe er seine Maschine gestoppt und das Ruder nach Backbord gedreht. Nun habe auch MTS "M" aus seiner Richtung nach Backbord behalten. Dies sei aber zu spät gewesen. Die Kollision habe nicht mehr verhindert werden können. Der Unfall habe sich bei Rheinstrom-km 765,5 bis 765,6 im rechtsrheinischen Fahrwasser ereignet. Erst nach der Kollision sei MTS "M" auf die andere Stromseite und in die linksrheinischen Kribben geraten. Bei dem Unfall habe MTS "P" einen Anker verloren.
Die Klägerin hat den Schaden näher auf 65.671,78 DM beziffert und Zahlungsverzug dargetan.
Die Klägerin hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an sie 65.671,78 DM nebst 5 % Zinsen seit dem 1. 9. 1990 zu zahlen, und zwar im Rahmen des Binnenschiffahrtsgesetzes sowohl persönlich haftend als auch bei Vermeidung der Zwangsvollstreckung in das Motortankschiff "M".
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat vorgetragen, MTS "M" sei etwa 40 bis 50 m aus den linksrheinischen Kribben gefahren. Nachdem MTS "P" die etwa 40 m aus dem rechten Ufer liegenden Stillieger mit einem relativ kurzen Abstand von 20 bis 30 m passiert gehabt habe, sei MTS "P" in Schräglage nach Steuerbord geraten. Er habe habe bei einem Längsabstand der Schiffe von 600 bis 700 m die zuvor 18 bis 19 km/h betragende Geschwindigkeit seines Schiffes auf etwa 15km/h reduziert und die Schiffsführung des MTS "P" darauf angesprochen, ob es bei der Begegnung Steuerbord an Steuerbord bleibe. Das sei bejaht worden. Da MTS "P" seinen Kurs mit Steuerbordschräglage beibehalten habe, habe er erneut gefragt, ob wirklich Steuerbord an Steuerbord gewollt sei. Daraufhin sei die Kursweisung Steuerbord an Steuerbord wiederholt worden, obwohl der Bergfahrer auch jetzt noch Steuerbordkurs beibehalten habe. Dieser Kurs habe sich dann noch in einem Abstand der Schiffe von rund 300 m verstärkt. Er, der Beklagte, habe daraufhin die Geschwindigkeit des MTS "M" noch weiter reduziert und sei ganz nahe an die linksrheinischen Kribben herangefahren. Über Kanal 10 habe er MTS "P" zugerufen, daß das mit Steuerbord/Steuerbord gar nicht klargehen könne, er fahre jetzt in die linksrheinischen Kribben. Dann sei MTS "Maria Stapf " weniger als 10 m von den linksrheinischen Kribben entfernt angefahren worden, über die Steine gerauscht und dann zwischen zwei Kribben ins Land gelaufen. Aus den Unfallspuren der Schiffe ergebe sich, daß im Zeitpunkte der Kollision MTS "M" eine Schräglage nach Backbord und MTS "P" dagegen eine Schräglage nach Steuerbord gehabt habe.
Das Rheinschiffahrtsgericht hat nach Beiziehung der genannten Verklarungs- und Bußgeldakten, nach Vernehmung von Zeugen und Einholung von Sachverständigengutachten durch das am 12. 10. 1993 verkündete Urteil die Klage abgewiesen. Das Rheinschiffahrtsgericht hat als erwiesen erachtet, daß der Beklagte den Unfall nicht verschuldet habe. MTS "P" habe vielmehr trotz einer Kursvereinbarung Steuerbord an Steuerbord von rechtsrheinisch kommend Kurs auf das linksrheinisch fahrende MTS "M" genommen und dadurch den Unfall verschuldet, für dessen Folgen der Beklagte nicht einzustehen habe.
Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Berufung eingelegt. Sie wendet sich gegen die Beweiswürdigung in dem angefochtenen Urteil. Die Auswertung der Schadensbilder ergebe, daß MTS "M" aus dem rechtsrheinischen Teil des Stromes herübergekommen sei, was der Aussage des Schiffsführers G. entspreche. MTS "M" hätte sonst nicht in die von dem Sachverständigen Prof. Dr. Ing. H. dargestellte Position kommen können. Hieraus ergebe sich das Verschulden des Beklagten an dem Unfall.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils der Klage in vollem Umfange stattzugeben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und tritt den Ausführungen der Klägerin entgegen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin konnte keinen Erfolg haben.
Nach § 92 a BinnSchG, der Art. 2 Abs. 2 des Internationalen Übereinkommens zur Vereinheitlichung einzelner Regeln über den Zusammenstoß von Binnenschiffen vom 15. März 1960 (BGBl. 1972 II S. 1005) entspricht, besteht im Falle des Zusammenstoßes von Schiffen kein Anspruch auf Ersatz des Schadens, der den Schiffen oder den an Bord befindlichen Personen oder Sachen durch Zufall oder höhere Gewalt zugefügt worden ist oder dessen Ursachen ungewiß sind. Zu dem Ergebnis, daß die Ursachen des Unfalls vom 5.4.1990 ungeklärt sind, ist die Berufungskammer bei Würdigung des Ergebnisses der erstinstanzlichen Beweisaufnahme, des wegen dieses Unfalls durchgeführten Verklarungsverfahrens und des Bußgeldverfahrens 5 Owi 136/91 Bsch Rheinschiffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort in Abweichung von den Feststellungen des Rheinschiffahrtsgerichts gelangt.
Unstreitig hat Schiffsführer G. von dem zu Berg fahrenden MTS «P» dem zu Tal fahrenden MTS «M» eine Kursweisung für die bevorstehende Begegnung Steuerbord an Steuerbord erteilt, die auch bestätigt worden ist. Insoweit sind auch von keiner Partei Vorwürfe erhoben worden.
Umstritten sind die im Zuge der Begegnung bis zur Kollision von den beteiligten Schiffsführern gesteuerten Kurse, die zum Unfall geführt haben. Die vernommenen Schiffsführer und Zeugen haben, soweit sie zu dem Unfallhergang Wahrnehmungen gemacht haben, diese Kurse und den Kollisionsort unterschiedlich geschildert, wie das Rheinschiffahrtsgericht im einzelnen zutreffend ausgeführt hat.
Die Richtigkeit der Angaben des Beklagten und seiner Besatzungsmitglieder werden nicht durch die des Zeugen E. von MS «Mü» bestätigt.
Dieser Zeuge hat zunächst bei seiner polizeilichen Vernehmung vom 18.6.1990 keine sachdienlichen Angaben gemacht.
Bei seiner Vernehmung im Verklarungsverfahren hat E. dann über akustische Wahrnehmungen berichtet, die das Rheinschiffahrtsgericht durch eine Versuchsanordnung und durch Einholung eines Gutachtens überprüft hat, die aber nach der Überzeugung der Berufungskammer weder eine Bestätigung der Angaben der Besatzung des MTS «M» zulassen, noch sichere Aufschlüsse über den Unfallhergang ermöglichen. Es mag sein, daß E. Geräusche gehört hat, die er dem Zusammenprall der Schiffe zugeordnet und dann auch Geräusche wahrgenommen hat, wie wenn ein Schiff über Steine geht, was der Zeuge von Ankergeräuschen nicht unterscheiden konnte. Das beweist aber nichts, über den Unfallhergang.
Den Zeitraum zwischen den beiden Geräuschen hat E. sehr unterschiedlich angegeben. Im Verklarungsverfahren hat E. angegeben, « dieses rauschende Geräusch », wie wenn ein Schiff über den Grund geht, sei praktisch unmittelbar nach dem Anstoß gewesen, es seien allenfalls Sekunden gewesen, es könnten 2/3 Sekunden gewesen sein. Bei seiner erneuten Vernehmung in 1. Instanz hat angegeben, er könne heute nicht mehr sagen, ob es 2 oder 20 Sekunden gewesen seien. Auch diesen Angaben kann kein entscheidender Beweiswert zukommen.
Berücksichtigt man, daß E. bei seiner Vernehmung im Verklarungsverfahren ausdrücklich sein gutes Gedächtnis besonders hervorgehoben und angegeben hat, er könne noch nach Jahren eine ihm angebene Telefonnummer wiederholen, bei seiner späteren Vernehmung aber den Zeitraum zwischen zwei Wahrnehmungen nicht mehr wiedergeben konnte, kann das Erinnerungsvermögen des Zeugen nicht als den Durchschnitt übersteigend angesehen werden. Zudem hat dieser Zeuge bei seiner Vernehmung in diesem Rechtsstreit auch nicht mehr sagen können, ob die beiden Kursweisungen der Bergfahrer mit Ortsangaben erfolgten.
Schon das Rheinschiffahrtsgericht hat an die Bekundungen des Zeugen E. keine ausdrücklichen Feststellungen geknüpft. Nach Auffassung der Berufungskammer müssen die Angaben des Zeugen E. auch bei einer zusammenfassenden Würdigung als zu unsicher außer Betracht bleiben. Denn wie das Rheinschiffahrtsgericht mit Recht ausgeführt hat, ist die Wechselsprechanlage auf MTS «M» nach den Aussagen des Zeugen Sch. erst einige Zeit nach dem Unfall eingeschaltet worden. Es sind deshalb Zweifel angezeigt, welche Ursachen die von E. wahrgenommenen Geräusche hatten. Es ist daher nicht auszuschließen, daß sich der Zeuge E. bei der Beurteilung der Zeit zwischen den von ihm wahrgenommen Unfallgeräuschen und den Geräuschen, die bei der Anfahrung des Ufers durch MTS «M» hervorgerufen worden sein sollen, geirrt hat, selbst wenn er überhaupt derartige Geräusche gehört haben sollte.
Soweit das Rheinschiffahrtsgericht die vernommenen Besatzungsmitglieder des MTS «PM» nicht als neutrale Zeugen angesehen hat, weil dieses Schiff demselben Eigner gehört wie das MTS «P », vermag dem die Berufungskammer nicht beizutreten; denn die Zugehörigkeit zu ein und derselben Firma begründet für sich gesehen ohne nähere konkrete Anhaltspunkte, die sich im Inhalt einer Zeugenaussage oder in dem Aussageverhalten eines Zeugen äußern können, keinen Grund, einem Zeugen zu mißtrauen. Wie das Rheinschiffahrtsgericht selbst ausgeführt hat, waren die Besatzimgsmitglieder des MTS « PM» im Aussageverhalten und vom persönlichen Eindruck her überzeugend und ihre Darstellung hat einen denkbaren Unfallhergang wiedergegeben. Hinzu kommt die Erwägung, daß diese noch am Unfalltage von dem Verklarungsrichter vernommen worden sind und nicht einmal die Interessenten des MTS «M» behauptet haben, die Aussagen dieser Zeugen seien von Dritten beeinflußt, insbesondere mit denen der Besatzimgsmitglieder des MTS «P» abgestimmt worden. Die Aussagen der Besatzimgsmitglieder des MTS «PM» lassen sich deshalb nicht mit dem allgemeinen Hinweis auf ihre Firmenzugehörigkeit entkräften. Vielmehr sprechen sie für die Richtigkeit der Angaben der Besatzungsmitglieder ihres Schwesterschiffes.
Das Rheinschiffahrtsgericht hat die Gutachten der Sachverständigen K. und Prof. Dr. Ing. H. als entscheidend dafür angesehen, den Aussagen des Besatzung des MTS «M» den Vorzug vor denen der Besatzungsmitglieder der MTS «P» / MTS «PM» zu geben. Dem vermochte sich die Berufungskammer nicht anzuschließen. Es kann sich so verhalten haben, wie es die Sachverständigen angenommen haben, denkbar sind aber auch andere Kurse der beteiligten Schiffe, die zu ihrem Zusammenstoß und zur Festfahrung des MTS «M» zwischen den Kribben des linken Ufers geführt haben.
Was zunächst das Gutachten des Sachverständigen K. anlangt, lassen sich seine Schlußfolgerungen teilweise nicht mit der erforderlichen Sicherheit nachvollziehen, teilweise stehen diese mit den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. Ing. H. in Widerspruch.
Wie MTS «M» zwischen die Kribben geraten ist, entnimmt der Sachverständige K. den Aussagen des Beklagten, ohne die beiderseitig behaupteten Kurse und die Geschwindigkeit des zu Tal fahrenden MTS «M» in die Erörterung einzubeziehen. Wieso ein Backbordkurs des MTS «M» schon dadurch vorgelegen haben soll, daß dieses Schiff einen Abstand von ca. 40 m zu den oberen Kribben eingehalten hat, hat der Sachverständige K. nicht erläutert. Wäre ein Backbordkurs durch die Strömungsverhältnisses des Rheins bedingt gewesen, hätten darauf die Sachverständigen mit Sicherheit hingewiesen, da von derartigen Strömungsverhältnissen auch das Festkommen dieses Schiffes zwischen den Kribben hätte beeinflußt sein können. Davon ist aber in den Gutachten beider Sachverständigen keine Rede.
Mit seinen Ausführungen zu dem Anfahrungswinkel der unfallbeteiligten Fahrzeuge steht der Sachverständige K. insofern in einem Widerspruch zu den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. Ing. H., als er ausgeführt hat, daß MTS «P» nach der Skizze von Schiffsführer Gibello einen Backbordkurs gehabt habe und «M» in einer gewissen Querfahrt gewesen sei. Hieraus will K. einen größeren Anfahrwinkel entnehmen, der nur dadurch entstanden sein könne, daß «P» keinen Backbord-, sondern einen Steuerbordkurs im Zeitpunkte der Anfahrung gehabt habe. Demgegenüber hat der Sachverständige Prof. Dr. Ing. H. ausgeführt, die Längsachsen der Unfallgegner hätten zum Zeitpunkt des ersten Aufpralls mit der Stromachse folgende Winkel gebildet:
MTS «M» ca. 40-50 Grad nach unterstrom BB, MTS «P» ca. 5 Grad BB ./. 5 Grad Stb nach oberstrom Unter diesen Umstände hält die Berufungskammer das Gutachten des Sachverständigen K. für wenig beweiskräftig, zumal K. keine sonstigen beweiskräftigen und überzeugenden gutachtlichen Feststellungen in seinem Gutachten getroffen hat.
Was das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. Ing. H. angeht, hat dieser Sachverständige angenommen, die Aussage des Beklagten komme dem von ihm rekonstruierten Verlauf des Unfallgeschehens «eindeutig und wesentlich» näher als die Aussage des Schiffsführers G. Auch dem vermag sich die Berafungskammer nicht anzuschließen. Dieser Sachverständige hat nicht berücksichtigt, daß der Beklagte angegeben hat, MTS «P» sei in Schrägfahrt mit Steuerbordkurs auf sein linksrheinisch etwa 40 m aus den Kribben fahrendes Schiff zugefahren. Mit dieser Aussage läßt sich der von dem Sachverständigen ermittelte Anfahrwinkel, der oben angegeben ist, nicht Einklang bringen. Hatte MTS «P», wie von dem Sachverständigen ermittelt, lediglich einen Winkel zur Stromachse in einem Umfang von 5 Grad nach Steuerbord oder Backbord, bestätigt diese Feststellung umgekehrt die Aussage von Schiffsführer G., der keine Schrägfahrt mit Steuerbordkurs nach linksrheinisch hin unternommen, wohl aber bei Feststellung des Kollisionskurses der Schiffe gestoppt und das Ruder voll Backbord gedreht haben will. An diesen sich aus dem Anfahrungswinkel der Schiffe ergebenden Zweifeln ändert auch nichts, daß möglich erweise unmittelbar vor dem Unfall noch Kurskorrekturen beider Schiffe erfolgt sind, zumal unbekannt ist, in welcher Weise sich diese Kursänderungen überhaupt noch ausgewirkt haben und ob durch sie der Anfahrrungswinkel überhaupt noch beeinflußt worden ist.
Soweit der Sachverständige Prof. Dr. Ing. H. den Unfallort linksrheinisch festgestellt hat, lassen sich weitere Zweifel nicht unterdrücken. Der Sachverständige will bei seiner Nachrechnung die Geschwindigkeit des MTS «M» mit 23 km/h errechnet haben, geht dann aber im Hinblick auf die Angaben des Beklagten von einer Geschwindigkeitsreduzierung kurz vor der Kollision auf 15 km/h oder weniger bei seinen weiteren Überlegungen aus, obwohl von einer solchen Geschwindigkeitsverringerung weder die Zeugin H., noch der Zeuge Sch. gesprochen haben. Sch. hat vielmehr ausdrücklich bemerkt, er habe im Rahmen der Annäherung der Schiffe « nichts davon mitbekommen », daß der Kurs oder die Geschwindigkeit auf MTS «M» verändert oder reduziert worden sei. Nimmt man an, MTS «M» habe seine Geschwindigkeit nicht herabgesetzt und sei bis zur Kollision mit 23 km/h weitergefahren und ist diese Geschwindigkeit erst durch den Anprall der Fahrzeuge vermindert worden, läßt sich unter Berücksichtigung des von dem Sachverständigen Prof Dr. H. angenommenen Anfahrungswinkels und dem nach Backbord gerichteten Ruder des MTS «M» nicht völlig ausschließen, daß dieses Schiff auch von einem Kollisionsort etwa 120 m aus dem rechten Ufer, den Schiffsführer G. genannt hat, mit seiner erheblichen Restgeschwindigkeit und mit der Gewalt des Stromes in Schrägfahrt nach linksrheinisch und dort zwischen die Kribben geraten ist. Diese Annahme ist auch deshalb nicht völlig von der Hand zu weisen, weil, wie oben ausgeführt worden ist, zwischen dem Zusammenprall der Schiffe und der Fahrt in das Ufer eine nicht näher feststellbare Zeit vergangen ist, die nach Angaben des Zeugen E. bis 20 Sekunden betragen haben soll.
Zusammenfassend muß angenommen werden, daß keine zuverlässigen objektiven Anhaltspunkte für die Richtigkeit der Unfallschilderung der einen oder anderen Schiffsbesatzung sprechen. Die Ursachen des Unfalls müssen deshalb als ungeklärt angesehen werden. Die Klage auf Ersatz des Unfallschadens ist deshalb unbegründet. Die Berufung der Klägerin mußte daher zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 97 Abs. 1 ZPO.
Aus den dargelegten Gründen wird für Recht erkannt:
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Rheinschiffahrtsgerichts Duisburg-Ruhrort vom 28.10.1993 - 5 C 27/91 wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten der Berufung trägt die Klägerin.
3. Die Festsetzung dieser Kosten gemäß Artikel 39 der Revidierten Rheinschiffahrtsakte erfolgt durch das Rheinschiffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort.
Ebenfalls abrufbar unter ZfB 1995 - Nr.6 (Sammlung Seite 1534 f.); ZfB 1995, 1534 f.