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Leitsätze:
Aktivlegitimiert für Ansprüche aus Beschädigung eines Schiffes sind der Eigentümer und möglicherweise der berechtigte, mittelbare oder unmittelbare Besitzer. Die §§ 3 und 92b BinSchG sind keine selbständigen Deliktsnormen, sie gewähren dem Schiffseigner oder Ausrüster keine Rechte, sondern begründen nur die adjektizische Haftung des Schiffseigners bzw. Ausrüsters für Besatzungsverschulden gegenüber dem Geschädigten.
Die Begriffe »Schiffseigner« und »Schiffseigentümer« sind voneinander zu unterscheiden und dürfen nicht gleichgesetzt werden. Nur wo das Gesetz den Begriff Schiffseigner verwendet, tritt an dessen Stelle gegebenenfalls der Ausrüster. In § 823 I BGB ist keine Rede von einem Schiffseigner, Anknüpfungspunkt sind hier das Eigentum als absolutes Recht und möglicherweise der Besitz als sonstiges Recht. Entgegen Stimmen in der Literatur werden Schiffseigner und Ausrüster in binnenschifffahrtsrechtlichen Normen dem Eigentümer auf der Anspruchsseite nicht gleichgestellt, Ansprüche, die kraft Gesetz nur dem Eigentümer zustehen, können nicht automatisch auch vom Schiffseigner oder Ausrüster gelten gemacht werden.
Schiffseigner ist der Eigentümer eines Schiffes, der dieses selbst zur Binnenschifffahrt im Sinne des § 1 BinSchG verwendet, Ausrüster ist nach § 2 BinSchG derjenige, der ein fremdes Schiff zur Binnenschifffahrt verwendet. Indizien für die Verwendung zur Binnenschifffahrt sind ein Bareboat-Chartervertrag, die Erledigung von Reparaturen, die Bezahlung von Bunkerrechnungen, der Abschluss von Ver sicherungsverträgen sowie das Direktionsrecht gegenüber dem angestellten Schiffsführer.
Urteil des Rheinschiffahrtsgerichtes Mannheim
vom 27. Oktober 2022
Az.: 31 C 4/21 RhSch
(nicht rechtskräftig)
Aus dem Tatbestand:
Die Klägerinnen verlangen von der Beklagten Schadensersatz wegen eines Schiffsunfalles, der sich am 19.12.2019 gegen 22:11 Uhr auf dem Rhein bei Speyer, Rhein-Kilometer 402,02 ereignet hat. Die Klägerin Ziffer 1 ist Ausrüsterin des Tankmotorschiffes (TMS) »Alukard«. Die Klägerin 2 ist Eigentümerin des TMS »Alukard«. Die Klägerin Ziffer 3 ist das führende Versicherungsunternehmen der Kaskopolice des TMS »Alukard«.
Schiffsführer auf dem FGKS »Thurgau Prestige« war der Kapitän L. Schiffsführer auf dem TSM »Alukard« war der Lotse H …
Beide Schiffe befanden sich auf der geografisch linksrheinischen Seite auf Kollisionskurs … Durch den Zusammenstoß beider Schiffe gab es erhebliche Sachschäden …
Die Klägerin Ziffer 1 hat als Ausrüsterin das TMS »Alukard« von der Klägerin Ziffer 2, der Schiffseigentümerin, im Wege der Schiffsmiete ohne Besatzung (Bareboat Charter) gemietet. Die Klägerin Ziffer 1 hat das TMS »Alukard« an die Firma G im Rahmen eines Zeitchartervertrags verchartert. Gemäß Ziffer 2.2 der Time-Charter- Vereinbarung gehen schiffsbedingte Ausfalltage zu Lasten des Ausrüsters. Wegen der Reparatur des TMS »Alukard« kam es … zu einem Nutzungsausfallschaden in Höhe von 48.576,14 € kam. Die G hat das TMS »Alukard« ihrerseits im Rahmen eines Zeitchartervertrags verchartert. Der Nutzungsausfallschaden betrug insoweit 1.922,86 €. Die Klägerin Ziffer 1 hat außerdem hälftig die Kosten eines privat in Auftrag gegebenen nautischen Gutachtens in Höhe von 4.300 € getragen.
Die Klägerin Ziffer 2, die Schiffseigentümerin des TMS Alukard, hat einen von den Kasko-Versicherinnen nicht gedeckten Selbstbehalt in Höhe von 10.000 € zu tragen. Die Klägerin Ziffer 3 macht als führende Versicherin den Kaskoschaden in Höhe von 30.110,32 €, die Kosten für die kontradiktorische Schadenstaxe in Höhe von 17.853,85 €, die Kosten für die Tresco-Video-Auswertung in Höhe von 550 € und die hälftigen Kosten des nautischen Gutachtens in Höhe von 4.300 € geltend. Die Mitversicherer haben die Ansprüche an die Klägerin Ziffer 3 abgetreten …
Aus den Gründen:
Die Klage ist unbegründet, weil es jedenfalls an einer pflichtwidrigen schuldhaften Rechtsgutverletzung seitens der Beklagten mangelt. Deswegen kann die Aktivlegitimation der Klägerin Ziffer 1 sowie die Passivlegitimation der Beklagten letztlich dahingestellt sein.
1. Die Aktivlegitimation der Klägerin Ziffer 1 als Ausrüsterin zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen nach §§ 2, 3, 92, 92 b, BinSchG, 823 BGB ist zweifelhaft. Die Klägerin Ziffer 1 ist der Ansicht, dass bei einem Schiffszusammenstoß nicht der Eigentümer, sondern ausschließlich der Ausrüster Schadensersatz geltend machen kann und beruft sich dazu auf Rechtsprechung, bei der diese Frage allerdings nicht streitentscheidend war (Amtsgericht Hamburg, Beschluss vom 15.03.2010, Az.: 304 T 50/09; Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt, Urteil vom 18.03.2013, Az.: 473 Z – 1/13; ZfB 2013, Sammlung Seite 2227 ff) sowie Literatur insbesondere zum Seehandelsrecht (u.a. Rabe/Bahnsen, Seehandelsrecht, 5. Aufl., § 477 Rn. 21; Ramming, Hamburger Handbuch zum Binnenschifffahrtsrecht, 2009, Kapitel 1, Rn. 70, Seite 23). Dazu ist auszuführen, dass §§ 3, 92 b BinSchG keine selbständigen Deliktsnormen sind, sondern zusätzliche haftungsrechtliche Zurechnungsnormen sui generis, wobei bei Schiffszusammenstößen § 92 b BinSchG lex specialis ist (von Waldstein/ Holland, Binnenschiffahrtsrecht, 5. Aufl., § 3 Rn. 1, 12, § 92 b Rn. 2). Neben die Haftung des schuldhaften handelnden Besatzungsmitglieds oder des Lotsen tritt die Haftung des Schiffseigners bzw. des Ausrüsters. Der Schiffseigner bzw. Ausrüster haftet adjektizisch für fremdes Verschulden eines Besatzungsmitglieds oder des Lotsen. Grund dieser adjektizischen Haftung ist, dass dem außervertraglich Geschädigten ein zusätzlicher Anspruchsgegner zur Verfügung gestellt wird, der als Schiffseigner bzw. Ausrüster solventer als das Besatzungsmitglied ist (von Waldstein/Holland aaO § 3 Rn. 3). Das bedeutet, dass bei deliktischen Schadensersatzansprüchen die Voraussetzungen des § 823 Abs. 1 BGB vorliegen müssen. Verletzt worden sein muss ein absolutes Recht im Sinne des § 823 BGB. Das Eigentum ist ein absolutes Recht. Eigentümerin des »TMS Alukard« ist aber die Klägerin Ziffer 2 und nicht die Klägerin Ziffer 1. Diese ist vielmehr unstreitig Ausrüsterin. Ausrüster ist gemäß § 2 BinSchG, wer ein ihm nicht gehöriges Schiff zur Binnenschifffahrt verwendet und es entweder selbst führt oder die Führung einem Schiffer anvertraut. Der Ausrüster wird Dritten gegenüber als Schiffseigner im Sinne des Binnenschifffahrtsgesetzes angesehen. Die Klägerin Ziffer 1 setzt nun die Begriffe »Schiffseigner« und »Eigentümer « in § 2 BinSchG gleich, so dass sie zu dem Ergebnis gelangt, dass dem Ausrüster dieselben Anspruchsgrundlagen wie dem Eigentümer zur Verfügung stehen, d.h. der Ausrüster gilt als Eigentümer. Ausschließlich dieser könne Schadensersatzansprüche bei einem Schiffszusammenstoß machen. Nach dieser Argumentation dürfte allerdings der Klägerin Ziffer 2 als Eigentümerin wohl die Aktivlegitimation für die Geltendmachung eines Teils des Kaskoschadens fehlen. Die Begriffe Schiffseigner und Schiffseigentümer sind voneinander zu unterscheiden. Schiffseigner im Sinne des § 1 BinSchG ist derjenige Eigentümer eines Schiffes, der das zur Binnenschifffahrt bestimmte Fahrzeug zu Schifffahrtszwecken verwendet. Dort, wo der Begriff Schiffseigner im BinSchG verwendet wird, tritt an dessen Stelle der Ausrüster. In § 823 Abs. 1 BGB ist jedoch keine Rede von einem Schiffseigner. Anknüpfungspunkt für die Haftung ist vielmehr das Eigentum als absolutes Recht. Dieses aber hat der Ausrüster, der ein ihm nicht gehöriges Schiff zur Binnenschifffahrt verwendet, bereits von der Begrifflichkeit her nicht inne, sondern der Schiffseigentümer.
Ob der berechtigte mittelbare Besitz als sonstiges, absolutes Recht im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB zu betrachten ist (vgl. Wagner in Münchener Kommentar, BGB, 8. Aufl., § 823 Rn. 324 mwN, der zumindest auf den berechtigten unmittelbaren Besitz abstellt), jedenfalls mit Blick auf den Ersatz von Nutzungsschaden, der durch den zeitweisen Ausfall der Sache infolge deren Beschädigung entsteht, braucht letztlich auch nicht entschieden zu werden.
2. Ob die Beklagte passivlegitimiert ist, mag ebenfalls dahingestellt sein.
Passivlegitimiert ist der Ausrüster. Der Ausrüster wird, wie oben ausgeführt, Dritten gegenüber als Schiffseigner im Sinne des Binnenschifffahrtsgesetzes angesehen. Das bedeutet, dass alle gesetzlichen Ansprüche aus dem Bereich des Schiffes, für die an sich der Schiffseigner einzustehen hätte, sich gegen den Ausrüster richten, während dessen Einstandspflicht entfällt (vgl. von Waldstein/ Holland, Binnenschifffahrtsrecht, 5. Aufl., § 2 Rn. 15). Maßgeblich sind allein die tatsächlichen Verhältnisse. Als Indiz für die Schiffsverwendung gilt dabei der Inhalt der internen Abmachung (von Waldstein/Holland aaO § 2 Rn. 5). So ist ein Bareboat- Chartervertrag, bei dem nur das Schiff ohne Besatzung vermietet wird und der Mieter dann seine eigene Besatzung verpflichtet, ein Indiz; daneben die Veranlassung weiterer Schritte zur Schiffsverwendung wie die Erledigung von Reparaturen, die Bezahlung von Bunkerrechnungen sowie der Abschluss von Versicherungsverträgen für das Schiff (von Waldstein/Holland aaO Rn. 5 f.). Der Ausrüster muss im eigenen Namen das Schiff als selbständiger Unternehmer nutzen. Wird das Schiff einem Schiffsführer anvertraut,
ist der Schiffsverwender nur dann Ausrüster, wenn der Schiffsführer in seinen Diensten steht, also von ihm abhängig ist und seinem Direktionsrecht unterliegt. Dies kann in der Weise erfolgen, dass ein Dienstvertrag zwischen dem Schiffsmieter und dem Schiffsführer abgeschlossen wird oder auch ohne Dienstvertrag, wenn dem Verwender die Überwachung und Erhaltung des Schiffes obliegt und er die Entlassung des Schiffsführers bestimmen kann (vgl. Vortisch/Bemm, Binnenschifffahrtsrecht, 4. Auflage, § 2 Rn. 6; von Waldstein/Holland aaO § 2 Rn. 12 f.).
Die Klägerinnen haben zwar vorgetragen, dass sich die Beklagte das nautische Personal, insbesondere den Schiffsführer, selbst im Wege eines gesonderten Vertragsverhältnisses nicht von der Eigentümerin, sondern von der rechtlich und wirtschaftlich eigenständigen zyprischen Y beschafft hat in der Weise, dass der Schiffsführer des FGKS »Thurgau Prestige « in Diensten der Beklagten stand und ihrem Direktionsrecht unterlag. Dies hat aber die Beklagte bestritten. Die Beklagte habe nur einen einzigen Vertrag abgeschlossen, nämlich das Bare-Boat Charter Agreement vom 12.10.2017 mit dem Schiffseigentümer, der R. Eine vertragliche Vereinbarung mit Y und Z für die Gestellung von gastronomischem Personal und Verpflegung gebe es nicht. Bei diesem Vortrag bleibt unklar, aus welchem Grunde es unstreitig Gutschriften von der Y sowie auch der Z an die Beklagte nach dem Schiffsausfall gegeben hat. Gutgeschrieben werden kann nur etwas, was zuvor gezahlt worden ist. Angesichts der Gutschriften von Y und Z an die Beklagte erscheint es naheliegend, dass diese umgekehrt zuvor an die Y die Schiffmanagement- Gebühren einschließlich B-Fahrt Zuschlägen sowie die Kosten an Z gezahlt hat. Dass diese Zahlung ohne rechtliche, gegebenenfalls auch mündliche Vereinbarung erfolgt ist, ist schwer vorstellbar.
Wenn die Beklagte allerdings ausführt, dass Y und Z auf Weisung der R handelt, ist dies wohl so verstehen, dass die Beklagte zwar nicht rechtlich, aber wirtschaftlich »alles aus einer Hand« erhält und dementsprechend ausschließlich die Schiffseigentümerin R auch über den Einsatz des Schiffsführers, gegebenenfalls auch seine Entlassung entscheiden kann. Dementsprechend führt die Beklagte weiter aus, dass die Bemannung des Schiffes vollständig in eigener Verantwortung durch den Eigentümer durchgeführt und zu diesem Zweck das Schwesterunternehmen Y eingeschaltet werde. Die Beklagte sei auch nur deshalb als Mitversicherte im Schiffsversicherungsvertrag genannt, weil dadurch der Regress gegen sie als Charterer ausgeschlossen sein soll. Danach wäre die Beklagte keine Ausrüsterin und somit nicht passivlegitimiert. Eines entsprechenden weiteren richterlichen Hinweises und gegebenenfalls Erhebung von Beweisen bedarf es jedoch nicht, weil die Klage ohnehin aus einem anderen Grund abzuweisen ist …
3. Schadensersatzansprüche der Klägerinnen scheitern mangels pflichtwidriger schuldhafter Rechtsgutsverletzung der Beklagten. Nach §§ 2, 3, 92, 92 b, BinSchG, 823 BGB ist der Ausrüster für den Schaden verantwortlich, den eine Person der Schiffsbesatzung oder ein an Bord tätiger Lotse einem Dritten in Ausführungen von Dienstverrichtungen schuldhaft zufügt. Vorliegend lässt sich jedoch ein schuldhaftes Verhalten des Schiffsführers L des FGKS »Thurgau Prestige« nicht feststellen. Vielmehr ist umgekehrt von einem pflichtwidrigen schuldhaften Handeln des Lotsen H vom TMS »Alukard« auszugehen. Dementsprechend wurden im Verfahren 31 C 1/21 BSch Schadensersatzansprüche der Schiffseignerin des FGKS »Thurgau Prestige«, der R, gegen die dortige Beklagte, die hiesige Klägerin als Ausrüsterin zuerkannt …
Ebenfalls abrufbar unter ZfB 2022 - Nr. 12 (Sammlung Seite 2792 f.); ZfB 2022, 2792 f.