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30 C 5/06 - Amtsgericht (Schiffahrtsgericht)
Datum uitspraak: 09.01.2009
Kenmerk: 30 C 5/06
Beslissing: Beschluss
Language: Duits
Rechtbank: Amtsgericht Mannheim
Afdeling: Schiffahrtsgericht

Leitsätze:

1) Das Verklarungsverfahren ist ein FGG Verfahren, das unabhängig von einem folgenden Streitverfahren abzurechnen ist, regelmäßig fallen für den verfahrensbevollmächtigten Rechtsanwalt eine Verfahrensgebühr und eine Terminsgebühr aus dem Gegenstandswert des Verklarungsverfahrens an.

2) Die Gebühren des Verklarungsverfahrens nach FGG sind auf die Gebühr des Hauptsacheverfahrens nach ZPO nicht anzurechnen.

3) Die Kosten des Verklarungsverfahrens, dessen Akte Gegenstand mehrerer Hauptsacheverfahren war, sind im Verhältnis der Streitwerte der betroffenen Hauptsacheverfahren aufzuteilen.

Beschluss des Schiffahrtsgerichts Mannheim

vom 9. Januar 2009

Az.: 30 C 5/06

Aus dem Gründen:

Die Kosten des Verklarungsverfahrens, das Gegenstand verschiedener Hauptsacheverfahren war, sind im Verhältnis der Streitwerte der Hauptsacheverfahren aufzuteilen.

Ähnliches gilt für die Kosten der Teilnahme am Termin des Gutachters im Rahmen der Beweisaufnahme in den beiden Hauptsacheverfahren. Für Rechtsanwälte gilt gem. Vorbemerkung 7 Abs. 3 zum VV-RVG, dass die Auslagen einer Reise für mehrere Geschäfte im Verhältnis der Kosten aufzuteilen sind, die bei gesonderter Ausführung der einzelnen Geschäfte angefallen wären. Da die Fahrtkosten streitwertunabhängig sind und eventuelle Auslagen (Abwesenheitsgeld, etc.) in gleicher Höhe angefallen wären, wenn das Gutachten lediglich für eines der beiden Streitverfahren erhoben worden wäre, sind die Kosten insoweit zu halbieren.

Die Streitwerte der Verfahren 30 C 5/06 und 30 C 8/06 betragen 28.220,00 € (Ziffer 4 des Urteils vom 07.09.2007) bzw. 6.474,41 € (Klageforderung).

Dies entspricht einem Anteil von 81,34 %‚ der auf das Verfahren 30 C 5/06 entfällt und 18,66 % für das Verfahren 30 C 8/06. Im Verfahren 30 C 5106 liegen folgende Anträge vor:

Beklagtenvertreter:
Antrag vom 07.05.2008, eingegangen am 08.05.2008 ... I. Instanz ... II. Instanz ...

Antrag auf anteilige Festsetzung der Kosten des Verklarungsverfahrens:

VV 3100: 1,3 Verfahrensgebühr aus 38.554,48 €: 1.172,60 €

VV 3104: 1,2 Terminsgebühr aus 38.554,48 €: 1.082,40 €

VV 7002: Auslagenpauschale: 20,00 €

Fahrtkosten Augenscheinstermin am 17.05.2005: VV 7003: 64 km x 0,30 €/km: 19,20 €

Gesamt: 2.294,20 €

Diese Kosten sind im Verhältnis der Streitwerte der Hauptsacheverfahren auf die Hauptsacheverfahren aufzuteilen:

Auf das Verfahren 30 C 5/06 entfallen 81,34 %: 1.866,10 €

Auf das Verfahren 30 C 8/06 entfallen 18,66 %: 428,10 €

Auf die Verfahrensgebühr des Hauptsacheverfahrens ist die Verfahrensgebühr des Verklarungsverfahrens nicht anzurechnen (Vorbemerkung 3 Abs. 5 zum VV-RVG gilt nach dem eindeutigen Wortlaut für »selbstständige Beweisverfahren« nach der ZPO). Verklarungsverfahren sind jedoch Verfahren, die nach FGG zu behandeln sind. Eine analoge Anwendung scheidet daher aus. Zwar hat das OLG Karlsruhe – wie die Klägervertreter im Schriftsatz vom 10. 10.2008 ausführen – mehrfach entschieden, dass ein Verklarungsverfahren nach §§ 11 ff. BSchG hinsichtlich der Erstattung der dazu aufgewandten Kosten grundsätzlich wie ein Beweissicherungsverfahren nach §§ 485 if ZPO zu behandeln ist und diese Kosten daher wie Kosten eines Beweissicherungsverfahrens als solche des Hauptsacheprozesses erstattungsfähig sein können. Diese Entscheidungen betreffen jedoch lediglich die Frage, ob Kosten des Verklarungsverfahrens überhaupt im Festsetzungsverfahren des nachfolgenden Hauptsacheprozesses Berücksichtigung finden können, nicht aber die Frage, ob gebührenrechtliche Anrechnungsvorschriften nach den Vorschriften über die Vergütung der Rechtsanwälte analog für die Kosten des Verklarungsverfahrens gelten.

Hierbei ist zu beachten, dass das Beweis- sicherungsverfahren ein ZPO-Verfahren ist, während das Verklarungsverfahren ein FGG-Verfahren ist.

Nach den Vorschriften der BRAGO war dies von erheblicher Bedeutung, da sich die Gebühren für ZPO-Verfahren nach § 31 BRAGO (10/10 Prozess-, Verhandlungs- und Beweisgebühren) richteten, während sich die Gebühren für FGG-Verfahren nach § 118 BRA- GO (Rahmengebühren von 5/10 bis 10/10 Geschäfts-, Besprechungs- und Beweisaufnahmegebühr) richteten. Hätte man das Verklarungsverfahren gebührenrechtlich wie das selbstständige Beweisverfahren behandeln wollen, wären zwar gem. § 48 BRA- GO jeweils Gebühren nach § 31 BRA-GO anzusetzen gewesen. Wegen der Vorschrift des § 37 Nr. 3 BRAGO (das selbstständige Beweisverfahren gehört zum Rechtszug) wären die Gebühren jedoch in voller Höhe mit den Gebühren des nachfolgenden Hauptsacheprozesses zu verrechnen gewesen.

Eine solche Verrechnung ist jedoch in keiner zugänglichen obergerichtlichen Entscheidung auffindbar gewesen. Vielmehr wurde lediglich die Geschäftsgebühr für das Verklarungsverfahren gem. § 118 Abs. 2 BRAGO auf die Prozessgebühr des nachfolgenden Hauptsacheprozesses angerechnet.

Zur Anrechnung der Verfahrensgebühr des Verklarungsverfahrens, die sich nunmehr vergütungsrechtlich (wie auch beim selbstständigen Beweisverfahren und beim Hauptsacheverfahren) nach Nr. 3100 VV-RVG richtet, auf die Verfahrensgebühr des nachfolgenden Hauptsacheprozesses sind obergerichtliche Entscheidungen bisher nicht auffindbar gewesen.

Die Gesetzesbegründung zum Entwurf des RVG führt aus, dass die Anrechnungsvorschrift der Vorbemerkung 3 Abs. 5 VV-RVG erforderlich wurde, weil das selbstständige Beweisverfahren im Gegensatz zu § 37 Nr 3 BRAGO nicht mehr zum Rechtszug gehört, sondern ein eigenes selbstständiges Verfahren ist. Die Anrechnungsvorschrift betrifft somit – auch dem eindeutigen Gesetzes- wortlaut nach – lediglich Fälle des selbstständigen Beweisverfahrens (nach der ZPO), die früher in § 37 Nr. 3 BRAGO enthalten waren.

Das Verklarungsverfahren und die in diesem Verfahren entstehenden Gebühren sind weder nach dem Gesetzeswortlaut, noch nach der Begründung zum Gesetzentwurf von der Anrechnungsbestimmung der Vorbemerkung 3 Abs. 5 VV- RVG erfasst.

Die Anrechnungsvorschrift des § 118 Abs. 2 BRAGO wurde durch Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV-RVG ersetzt, in dem nunmehr lediglich noch die Anrechnung der nach Nr. 2400 bis 2403 VV-RVG entstandenen Geschäftsgebühr geregelt ist, nicht aber die Anrechnung einer Verfahrensgebühr für das – gerichtliche – Verklarungsverfahren. Zum Verklarungsverfahren sind in der o.g. Gesetzesbegründung keine Bemerkungen enthalten.

Da eine anwendbare Anrechnungsvorschrift somit nicht besteht, ist die Verfahrensgebühr des Verklarungsverfahrens nicht auf die Verfahrensgebühr für das anschließende Hauptsacheverfahren anzurechnen.

Mitgeteilt durch Rechtsanwalt Dr. Holland, Mannheim

Anmerkung der Redaktion:

Der vorstehend wiedergegebene Beschluss gibt eine jahrzehntealte Praxis der Schiffahrtsgerichte und Rheinschiffahrtsgerichte wieder.

Der Gegenstandswert des Verklarungsverfahrens kann sich im Einzelfall durchaus von der Summe der folgenden Streitverfahren (in Havariesachen in der Regel zwei Verfahren) unterscheiden. Das Verklarungsgericht setzt den Verklarungswert nach einer Schätzung fest. Grundlage der Schätzung sind in der Regel die Angaben der Verfahrensbeteiligten des Verklarungsverfahrens zur Höhe der ihnen entstandenen Schäden. Auch diese Angaben sind häufig Schätzungen, da beim Schluss des Verklarungsverfahrens noch nicht feststeht, wie hoch die Schadensbeträge tatsächlich sind.

Deshalb kann es sein, dass in zwei folgenden Streitverfahren die Summe der Streitwerte nicht dem Betrag des Verfahrenswertes im Verklarungsverfahren entspricht. Die Kosten des vorangegangenen Verklarungsverfahrens sind notwendige Kosten der Rechtsverfolgung und werden deshalb als Teil der Prozesskosten im folgenden Streitverfahren mit festgesetzt. Nach der zutreffenden Auffassung des Schiffahrtsgerichts Mannheim ist für die quotale Verteilung der Kosten des Verklarungsverfahrens auf die zwei folgenden Verfahren das Verhältnis der Streitwerte der Streitverfahren maßgeblich und nicht die Angaben des Verfahrensbeteiligten im Verklarungsverfahren.

Nach Inkrafttreten des RVG ist im Verklarungsverfahren nach FGG eine Verfahrensgebühr und eine Terminsgebühr abzurechnen. Ist der Rechtsanwalt außerhalb des Verklarungsverfahrens und vor Beginn der Streitverfahren auch außerprozessual tätig, kann zusätzlich eine Geschäftsgebühr anfallen. Während die Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr des folgenden Streitverfahrens anzurechnen ist, ist dies für die im Verklarungsverfahren entstandenen Verfahrens- und Terminsgebühren nicht der Fall.

Rechtsanwalt Dr. Martin Fischer, Frankfurt am Main

Ebenfalls abrufbar unter ZfB 2019 - Nr.12 (Sammlung Seite 2639 f.); ZfB 2019, 2639 f.