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Leitsätze:
1) Eine als sofortige Beschwerde gegen die Ablehnung eines Antrags auf Ausdehnung der Beweisaufnahme in einem Verklarungsverfahren nach § 13 Abs. 3 S. 2 BSchG bezeichnete Beschwerde ist (nur) als einfache Beschwerde statthaft. Die sofortige Beschwerde ist nur gegen die Ablehnung eines Antrages gemäß § 11 BSchG gegeben, der allein zu den in § 148 Abs. 2 S. 1 FGG ausdrücklich genannten Fällen zählt (Rn.3).
2. Bei der Entscheidung über einen Antrag nach § 13 Abs. 3 S. 2 BSchG sind Zweck und Bedeutung des Verklarungsverfahrens zu berücksichtigen. Es dient einer alsbaldigen Sicherung der Beweismittel nach einem Unfall, den das Schiff betroffen hat (Rn.6).
3. Sofern nicht die Geltendmachung eines unmittelbar Schiff oder Ladung betreffenden Schadens oder auch eines anderweitig durch Fernwirkung entstandenen Sachschadens in Rede steht, ist für die Anwendung des das Verklarungsverfahren beherrschenden Untersuchungsgrundsatzes ein besonderer rechtfertigender Grund erforderlich (hier: verneint bei begehrter Aufklärung eines Betriebsunterbrechungsschadens).
Beschluss
des Rheinschiffahrtsobergericht Köln
vom 23.04.2007
Tenor:
Die sofortige Beschwerde der weiteren Beteiligten zu 1. gegen den Beschluss
des Schifffahrtsgerichts Duisburg-Ruhrort vom 15. September 2006 (25 II 3/06)
wird zurückgewiesen.
Die weitere Beteiligte zu 1. trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe:
I.
Mit Beschluss vom 25.04.2006 hat das Schifffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort im vorliegenden Verklarungsverfahren eine Beweisaufnahme zur Aufklärung des Schiffsunfalls, der sich am 22.03.2006 auf dem Rhein bei T zugetragen hat und bei dem das M.S. "B" mitsamt seiner Ladung gesunken ist, angeordnet. Das Schifffahrtsgericht hat in der Folge den Antragsteller als Zeugen vernommen sowie die weiteren Zeugen Q C, D N, G M, E v.C. und Q H; den mit Schriftsatz vom 31.07.2006 gestellten Antrag der weiteren Beteiligten zu 1., "einen Gerichtssachverständigen zu beauftragen, der Umfang und Höhe des Betriebsunterbrechungsschadens ermitteln soll, den die Beteiligte zu 1. dadurch erlitten hat, dass ihre Umschlagsanlage (Kran 1, Rohrbrücke) wegen des am 22.03.2006 gesunkenen MS "B" vorübergehend nicht benutzt werden konnte und zwar in der Zeit vom 22.03.2006 (Sinken des Schiffes) bis zum Nachmittag des 10.05.2006 (Verschleppen des Schiffes von der Umschlagsanlage)", hat das Schifffahrtsgericht hingegen mit dem angefochtenen Beschluss vom 15.09.2006 zurückgewiesen. Der hiergegen mit Schriftsatz vom 10.10.2006, eingegangen am 12.10.2006, eingelegten "sofortigen Beschwerde" hat das Schifffahrtsgericht nicht abgeholfen.
II.
Die gem. § 19 FGG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde der weiteren Beteiligten zu 1. hat in der Sache keinen Erfolg, denn das Schifffahrtsgericht hat ihren im Rahmen des vorliegenden Verklarungsverfahrens gestellten Antrag auf Ausdehnung der Beweisaufnahme zur Klärung des Umfangs und der Höhe eines ihr entstandenen Betriebsunterbrechungsschadens zu Recht abgelehnt.
1. Gegen den Beschluss des Schifffahrtsgerichts, mit dem eine Ausdehnung der Beweisaufnahme im Verklarungsverfahren abgelehnt wurde, ist die einfache Beschwerde gem. § 19 FGG statthaft (so schon Senat, Beschluss v. 15.09.1998, 3 W 42/98, TranspR 2000, 36; OLG Karlsruhe, Schifffahrtsobergericht, Beschluss v. 18.05.1993, W 2/93, VRS 85, 417 ff.; Thor v. Waldstein, Das Verklarungsverfahren im Binnenschifffahrtsrecht, Diss. Mannheim 1992, S.98; Winkler, in: Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 14.Aufl., § 148 FGG Rn25; a.A., aber ohne Begründung, Vortisch/Bemm, Binnenschifffahrtsrecht, 4.Aufl. 1991, § 13 BSchG Rn3: sofortige Beschwerde). Dies ergibt sich aus dem allgemein anerkannten Grundsatz, dass die sofortige Beschwerde in FGG-Verfahren nur in den ausdrücklich im Gesetz genannten Fällen gegeben ist (vgl. BayObLG NJW-RR 1990, 1446 ff.; Sternal, in: Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 15.Aufl. 2003, § 22 FGG Rn2). In § 148 Abs.2 S.1 FGG nennt das Gesetz insoweit zwar die Ablehnung eines Antrags gem. § 11 BSchG, nicht aber die Ablehnung eines Antrags gem. § 13 Abs.3 S.2 BSchG. Zur Entscheidung über die Beschwerde ist gem. § 11 BinSchVerfG der Senat als Schifffahrtsobergericht berufen.
2. In der Sache hat die Beschwerde keinen Erfolg, denn jedenfalls im vorliegenden Fall erweist sich die Ablehnung der begehrten Ausdehnung der Beweisaufnahme als zulässig.
Gem. § 13 Abs.3 S.2 BSchG können die Beteiligten, zu denen hier auch die weitere Beteiligte zu 1. gehört, im Verklarungsverfahren eine Ausdehnung der Beweisaufnahme auf weitere Beweismittel beantragen. Dies bezieht sich nach dem Wortlaut der den Anwendungsbereich des Verklarungsverfahrens bestimmenden Vorschrift des § 11 Abs.1 S.1 BSchG ausdrücklich auch auf die Schadenshöhe (vgl. Thor v. Waldstein, Das Verklarungsverfahren im Binnenschifffahrtsrecht, Diss. Mannheim 1992, S.96) und schließt - anders als das selbständige Beweisverfahren gem. §§ 485 ff. ZPO (dazu vgl. OLG Hamm, Beschluss v. 06.01.1993, VRS 84, 429 f.) - auch reine Vermögensschäden nicht von vornherein als möglichen Gegenstand der Beweisaufnahme aus.
Bei der Entscheidung über einen solchen Antrag sind indes, wie das Schifffahrtsgericht zutreffend ausgeführt hat, Zweck und Bedeutung des Verklarungsverfahrens zu berücksichtigen: Es dient einer alsbaldigen Sicherung der Beweismittel nach einem Unfall, den das Schiff betroffen hat. Schäden an den beteiligten Schiffen müssen alsbald ausgebessert werden, um eine Ausweitung des Schadens durch Nutzungsausfall zu vermeiden. Die Erinnerung von Zeugen verblasst mit der Zeit und ihre Aussagen werden immer unzuverlässiger. Diese Umstände nötigen einen Geschädigten, nach einem Unfall die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Durchsetzung seiner Ansprüche zu schaffen und zu vermeiden, dass Beweismittel zerstreut werden (so OLG Karlsruhe, Schifffahrtsobergericht, Beschluss v. 18.05.1993, W 2/93, VRS 85, 417 ff.; Vortisch/Bemm, Binnenschifffahrtsrecht, 4.Aufl. 1991, § 11 BSchG Rn2). All diese Zwecke stehen hinsichtlich der vorliegend von der weiteren Beteiligten zu 1. begehrten Beweiserhebung aber nicht in Rede. Die Grundlagen der Berechnung des behaupteten Betriebsunterbrechungsschadens sind mit der hie unstreitigen Feststellung der unfallbedingten Dauer der Betriebsunterbrechung vom 22.03. bis zum 10.05.2006 geklärt. Die Frage, welcher Schaden der weiteren Beteiligten zu 1. aufgrund dieser Betriebsunterbrechung konkret entstanden ist, bedarf angesichts des gem. § 249 BGB anzustellenden Gesamtvermögensvergleichs vor Einschaltung eines Sachverständigen einer ins Einzelne gehenden Darlegung, welche Arbeiten in diesem Zeitraum aufgrund des Schiffsunfalls anders abgewickelt wurden als ursprünglich vorgesehen, mit welchen zusätzlichen Kosten diese Abwicklung verbunden war, welche
Einnahmeausfälle wegen Ablehnung weiterer Aufträge eingetreten sind und welche Aufwendungen hierdurch gegebenenfalls erspart wurden. Hierzu muss sodann zunächst die Gegenseite Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten. Erst im Anschluss hieran lässt sich beurteilen, ob und gegebenenfalls über
welche streitigen Tatsachenfragen vor Einschaltung eines Sachverständigen noch Beweis durch Vernehmung von Zeugen zu erheben ist. Die Frage, welche Vorgaben einem Sachverständigen danach gem. §§ 15 Abs.1 S.1 FGG, 404a Abs.3 ZPO (zur Anwendbarkeit dieser Regelung im Rahmen von FGG-Verfahren vgl. Schmidt, in: Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 15.Aufl. 2003, § 15 FGG Rn43, Rn48) für seine Tätigkeit zu machen sind, hängt entscheidend davon ab, welche Fragen hinsichtlich der tatsächlichen Grundlage des Betriebsunterbrechungsschadens unstreitig und welche bewiesen sind sowie davon, wer gegebenenfalls die Beweislast im Falle eines "non liquet" trägt. Diese gesamte Sachverhaltsermittlung unmittelbar dem Sachverständigen zu überlassen widerspräche ersichtlich wesentlichen Grundsätzen des Verfahrensrechts, die sowohl für den Zivilprozess als auch im Rahmen der freiwilligen Gerichtsbarkeit Geltung beanspruchen (zum Zivilprozess vgl. etwa Zöller-Greger § 402 ZPO Rn5, BGH, Urt. v. 15.03.1988, VI ZR 81/87, NJW 1988, 3016 ff.; zur freiwilligen Gerichtsbarkeit vgl. Schmidt, in: Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 15.Aufl. 2003, § 15 FGG Rn43, Rn48, Rn65).
Nach Einschätzung des Senats ist es aber auch nicht angängig, die oben beschriebene Sachverhaltsaufklärung in der Form in das Verklarungsverfahren zu verlagern, dass das zuständige Gericht die für die Höhe eines Betriebsunterbrechungsschadens maßgeblichen Tatsachen von Amts wegen ermittelt. Anders als im Falle der Geltendmachung eines unmittelbar Schiff oder Ladung betreffenden Schadens oder auch eines anderweitig durch Fernwirkung entstandenen Sachschadens gibt es entsprechend dem oben Ausgeführten in diesem Fall keinen die Anwendung des das Verklarungsverfahren beherrschenden Untersuchungsgrundsatzes rechtfertigenden Grund. Sachgerecht erscheint insoweit allein die Geltendmachung und Beweiserhebung im streitigen Zivilprozess (kritisch zur
Anwendung des Untersuchungsgrundsatzes für das Verklarungsverfahren im Seerecht insoweit auch Rabe, Seehandelsrecht, 4.Aufl. 2000, § 524 HGB Rn7).
Dieser Beurteilung steht der von der weiteren Beteiligten zu 1. angeführte Gesichtspunkt nicht entgegen, dass Geschädigte durch das Ergebnis eines Verklarungsverfahrens einen Überblick darüber gewinnen können sollen, ob sie vom Gegner Schadensersatz verlangen können. Die Grundlagen eines Schadensersatzanspruchs der weiteren Beteiligten zu 1. stehen hier überhaupt nicht mehr in Rede; es geht ihr vielmehr allein noch um eine genaue Bezifferung des der weiteren Beteiligten zu 1. entstandenen Schadens. Diese kann die weitere Beteiligte zu 1. indes auf der Grundlage ihr (allein) zugänglicher
Erkenntnisse anhand von Daten zu den geplanten und den tatsächlich ausgeführten Betriebsvorgängen ohne weiteres selbst vornehmen und darlegen, wie nicht zuletzt auch die mittlerweile in vorliegender Sache am 21.03.2007 bei dem Schifffahrtsgericht eingereichte Klageschrift zeigt. Die Richtigkeit einer von ihr vorgenommenen Schadensberechnung lässt sich sodann, wie oben ausgeführt, sinnvoll allein in einem nach den Regeln der ZPO geführten Verfahren überprüfen.
Auf die zwischen den Parteien zuletzt streitig gewordene Frage, ob die Erhebung einer auf Erstattung des Betriebsunterbrechungsschadens gerichteten Klage das Rechtsschutzbedürfnis für einen entsprechenden Antrag im Verklarungsverfahren beseitigen kann (für den Verklarungsantrag gem. § 11 BSchG verneinend OLG Karlsruhe, VersR 1957, 148 f.; ebenso Wassermeyer, Der Kollisionsprozess in der Binnenschifffahrt, 4.Aufl., S.382), kommt es daher nicht mehr an.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 13a Abs.1 S.2 FGG.
Der Beschwerdewert wird gem. §§ 131 Abs.2, 30 KostO auf 3.000 Euro festgesetzt; ein vom Regelwert des § 30 Abs.2 S.1 KostO abweichendes Interesse des Antragstellers an der Durchführung der begehrten Beweisaufnahme gerade im Verklarungsverfahren ist nicht ersichtlich.
Ebenfalls abrufbar unter ZfB 2008 - Nr.05 (Sammlung Seite 1980 ff.); ZfB 2008, 1980 ff.