Jurisprudentiedatabank
Leitsatz:
Zur Erstattungsfähigkeit von Reisekosten von Beamten einer beklagten Wasser- und Schiffahrtsdirektion im Prozeß - Benutzung Öffentlicher Verkehrsmittel statt privateigener Personenkraftwagen.
Beschluß des Oberlandesgerichts - Schiffahrtsobergericht - in Karlsruhe
vom 5. Januar 1972
3 W 51/71
(Schiffahrtsgericht Mannheim)
Zum Tatbestand:
Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle/Rechtspfleger hatte die von der Beklagten (Bundesrepublik Deutschland) zur Festsetzung beantragten Kosten zum Teil nicht, zum Teil nicht in vollem Umfang als erstattungsfähig angesehen, wobei es sich um verschiedene Fahrten der Beamten einer Wasser- und Schiffahrtsdirektion zur Information des Anwalts der Beklagten sowie zur Teilnahme an Gerichtsterminen und Ortsbesichtigungen handelte. Das Schiffahrtsobergericht hat den Kostenfestsetzungsbeschluß zum Teil abgändert.
Aus den Entscheidungsgründen:
Es ist, wiewohl das Protokoll und die Akten hierüber nichts aussagen, zwischen den Parteien unstreitig, daß Oberregierungsrat S. an jenem Termin (Anm. d. Red.: Sondertermin des Schiffahrtsgerichts) auf Wunsch des Gerichts teilgenommen hat. Die der Beklagten hierdurch entstandenen Reisekosten sind daher entgegen der Meinung des Rechtspflegers dem Grunde nach als notwendig i. S. von § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO anzusehen. Sie können indessen der Höhe nach nicht in dem geltendgemachten Umfang als erstattungsfähig angesehen werden. Denn der Beklagten können hier nur die Kosten einer Reise mit öffentlichen Verkehrsmitteln, nicht jedoch diejenigen der Fahrt mit einem privateigenen Pkw vergütet werden. Aufgrund des Prozeßrechtsverhältnisses ist nämlich jede Partei grundsätzlich verpflichtet, ihren Kostenaufwand so niedrig wie möglich zu halten. Bei Reisen über größere Strecken, bei denen die Kosten einer Fahrt mit dem Pkw diejenigen mit der Bahn erfahrungsgemäß nicht unerheblich übersteigen, ist die Partei daher, soweit dies die Umstünde des Einzelfalles nicht als unzumutbar erscheinen lassen, gehalten, die öffentlichen Verkehrsmittel zu benutzen.
Nach dem glaubhaften Vorbringen der Beklagten ist diese Reise von Oberregierungsrat S. von Stuttgart nach Poppenweiler erfolgt, um einige bei der Besprechung der Berufungsbegründung noch offene Fragen durch eine Inaugenscheinnahme der örtlichen Gegebenheiten an der dortigen Schleuse in tatsächlicher, technischer und rechtlicher Hinsicht abzuklären. Im Hinblick auf Umfang und Bedeutung des Rechtstreits sowie die Schwierigkeit der diesem zugrundeliegenden technischen und nautischen Fragen war der Beklagten die betreffende Reise ihren Beamten zur Ortsbesichtigung im Interesse einer sachgemäßen Vorbereitung ihrer weiteren Prozessführung zuzubilligen. Da die Reise von Stuttgart nach Poppenweiler und zurück nur über eine verhältnismäßig kurze Strecke von lediglich 46km ging, dürfte dabei auch ein Pkw benutzt werden. Der von der Beklagten für diese Reise in Rechnung gestellte km-Satz von 0,40 DM ist nicht zu beanstanden. Der Senat hält im Hinblick auf den Wortlaut und die Interpunktion des Gesetzes daran fest, dass sich die § 91 Abs. 1 S. 2 Halbs. 2 ZPO vorgeschriebene entsprechende der für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften lediglich auf die Frage der Erstattungsfähigkeit der entstandenen Zeitversäumnis bezieht, und die Frage, in welcher Höhe die einer Partei entstandenen Reisekosten geltend gemacht werden können, unter den rechtlichen Gesichtspunkt des § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO zu beurteilen ist (so schon Beschluß vom 2. 12. 1968-3W92/68; ebenso Förster, ZPO 3. Aufl. 1913, § 91 Anm. 6 b) bb).
Bei diesem Termin (Anm. d. Red.: weitere Reise) ging es nach dem unbestritten gebliebenen Vortrag der Beklagten darum, gewisse Annahmen des Gutachtens St. durch praktische Versuche im Unterweser der Schleuse auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. Auch hier muß der Beklagten das Recht zugestanden werden, das zur Widerlegung des Gutachtens notwendige Material zu sammeln und die hierfür geeigneten praktischen Versuche an Ort und Stele durchzuführen, um deren Ergebnis in den Prozeß einführen zu können. Die Teilnahme eines sachkundigen Beamten der Wasser- und Schiffahrtsdirektion an diesen Versuchen und die hierzu unumgängliche Reise nach Poppenweiler waren daher ebenfalls notwendig i. S. von § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.
Die Notwendigkeit der Anwesenheit von Oberregierungsrat S. in diesem Termin (Anm. d. Red.: Teilnahme am Termin des Schifffahrtsobergerichts) kann entgegen der Meinung der Beklagten nicht anerkannt werden. In diesem Termin wurde über das von dem Sachverständigen W. erstattete Gutachten verhandelt. Die Beklagte hatte sich zu diesem bereits in einem umfangreichen Schriftsatz vom 11. März 1970 eingehend geäußert. Der Inhalt dieses Schriftsatzes läßt erkennen, daß der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten mit den einschlägigen technischen und nautischen Fragen ausreichend vertraut und für eine sachgemäße Erläuterung der sich aus dem Gutachten W. ergebenden Fragen im Termin hinreichend informiert war. Es kommt hinzu, daß überdies keine der Parteien die Ladung des Sachverständigen und die mündliche Erläuterung des Gutachtens im Senatstermin beantragt hatte. Eine solche Ladung war denn auch nicht erfolgt. Im Termin selbst hat der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten einen bereits im Schriftsatz vom 11. März 1970 angekündigten Beweisantrag gestellt und im übrigen um Vertagung gebeten. Im Hinblick auf die vorgenannten Umstände war die Anwesenheit von Oberregierungsrat S neben dem mit der Materie vertrauten Prozessbevollmächtigten nicht notwendig.
Die Anwesenheit des zuständigen technischen Dezernenten der Wasser- und Schiffahrtsdirektion Stuttgart bei diesen Querströmungs-Messungen war erforderlich, um den mit der Messung beauftragten Bediensteten der Bundesanstalt für Wasserbau an Ort und Stelle noch erforderlich werdende Auskünfte über verschiedene technische Einzelheiten geben zu können.
Die Benutzung eines Pkw war hier (Anm. d. Red.: Teilnahme am weiteren Terrain des Schiffahrtsobergerichts) gerechtfertigt, weil der Verhandlungstermin in Karlsruhe erst um 15.30 Uhr begann und sich noch ein Ortstermin bei der Bundesanstalt für Wasserbau mit Modellversuchen anschloß. Im Hinblick hierauf mußte die Beklagte reit der Möglichkeit einer längeren Dauer des Termins und dessen mit einer unzumutbaren späten Rückkehr ihres Beamten rechnen, falls Oberregierungsrat S. die Bahn benutzte.