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Leitsatz:
Abweichend vom allgemein anerkannten Grundsatz, daß bei der Bewertung des Schadensersatzes ein Abzug zur Berücksichtigung des Unterschiedes von alt und neu zu machen ist, muß im Einzelfall geprüft werden, ob voller Ersatz zu leisten ist, weil der zu ersetzende Gegenstand für den Geschädigten den gleichen Wert hat wie ein neues Stück.
Urteil des Oberlandesgerichts - Rheinschiffahrtsobergericht in Köln
vom 1. Juli 1983
3 U 7/83
(Rheinschiffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort)
Zum Tatbestand:
Die Parteien streiten lediglich noch über die Höhe des Schadensersatzes, den die Beklagte wegen der von ihr zu vertretenden Anfahrung eines Dalbens zu leisten hat. Während die Klägerin Ersatz des vollen Schadens verlangt, hält die Beklagte einen Abzug „neu für alt" für
gerechtfertigt.
Das Rheinschiffahrtsgericht hat die volle Schadenssumme zuerkannt. Die Berufung der Beklagten wurde zurückgewiesen.
Aus den Entscheidungsgründen:
„...
Bei der Bemessung des Schadensersatzes für die Beschädigung oder Zerstörung einer durch Gebrauch und Zeitdauer im Wert gesunkenen oder schon vorher schadhaften Sache ist grundsätzlich ein Abzug zwecks Berücksichtigung des Unterschiedes von alt und neu zu machen. Das gilt auch für langlebige Wirtschaftsgüter (BGHZ 30, 29 = NJW 1959, 1078).
In jedem einzelnen Falle ist jedoch zu prüfen, ob eine Anrechnung dem Sinn und Zweck der Schadensersatzpflicht entspricht. Dabei ist eine Gesamtschau über die Interessenlage vorzunehmen, wie sie durch das schädigende Ereignis zwischen dem Schädiger und dem Geschädigten besteht. Eine Anrechnung kann nur in den Grenzen des Zumutbaren erfolgen. Einerseits soll der Schadensersatz grundsätzlich nicht zu einer wirtschaftlichen Besserstellung des Geschädigten führen, andererseits soll der Schädiger nicht unbillig begünstigt werden. Grundsätzlich ist dem Geschädigten voller Ausgleich zu schaffen. Voller Ersatz ist daher geboten, wenn der zu ersetzende Gegenstand für den Geschädigten den gleichen Wert hatte wie ein neues Stück (Lange, Schadensersatz S. 173). Entscheidend ist hier, daß der durch ein Fahrzeug der Beklagten beschädigte Dalben Bestandteil einer Dalbengruppe war, die als wirtschaftliche Einheit anzusehen ist. Diese Dalbengruppe hat, wie der Sachverständige F. in seinem zu den Akten erstatteten Gutachten überzeugend ausgeführt hat, nur eine bestimmte Lebensdauer, nach deren Ablauf aus wirtschaftlichen Abwägungen heraus die ganze Dalbengruppe ausgewechselt werden muß ohne Rücksicht darauf, ob etwa ein einzelner Dalben noch nicht erneuerungsbedürftig ist. Wenn aber die Klägerin zur gegebenen Zeit die gesamte Dalbengruppe, ohne Rücksicht auf den Erhaltungszustand des erneuerten Dalbens ersetzen muß, ist mit der Ersatzleistung der Beklagten keine Besserstellung der Klägerin eingetreten.
Eine Besserstellung der Klägerin ist auch nicht deshalb eingetreten, weil sie nunmehr durch eigene zusätzliche Leistung über einen Dalben der Kategorie LV 24 verfügt, dessen Widerstandskraft wegen seines größeren Formats höher ist als die eines Dalbens der Kategorie LV 22. Denn einer.verstärkten Beanspruchung oder Gefährdung dieses Dalbens brauchte die Klägerin nach den weiteren Ausführungen des Sachverständigen, die in Übereinstimmung mit den Erfahrungen des Senats stehen, keine Rechnung zu tragen. Die meisten Schäden an Dalben werden durch Anfahrungen verursacht. Hingegen stellt die Beanspruchung eines Dalbens beim Anlegen und während der Dauer der Vertäuung eines Schiffs mit den dabei auftretenden Druck- und Zugkräften keine Besonderheit dar. Sie sind eben so konstruiert und beschaffen, daß sie einer solchen Beanspruchung gewachsen sind (vgl. auch Wassermeyer, Kollisionsprozeß, 4. Aufl., S. 109). Die Lebensdauer eines Dalbens wird auch nicht durch derartige Vorgänge beeinflußt, sondern durch die über Jahre hindurch einwirkenden Wasser- und Stromverhältnisse, wie die Klägerin zutreffend ausgeführt hat. Es bedurfte deshalb keines Dalbens mit stärkerem Profil, um einem erhöhten Verschleiß Rechnung zu tragen.
Im übrigen verkennt die Beklagte, wenn sie meint, die Klägerin müsse sich eine Besserstellung infolge der Anbringung eines stärkeren Dalbens anrechnen lassen, daß eine auf eigener Leistung. des Geschädigten zurückzuführende Besserstellung dem Schädiger nicht zugute kommt.
Soweit schließlich die Beklagte die Objektivität des vom Rheinschiffahrtsgericht gehörten Sachverständigen F. in Zweifel gezogen hat, vermochte dem der Senat nicht beizutreten.
...
Die Auffassung der Berufung, das Rheinschiffahrtsgericht habe pauschal und ohne kritische Auseinandersetzung die Ausführungen des Sachverständigen übernommen, ist unrichtig, wie die Gründe des angefochtenen Urteils zeigen. Insbesondere brauchte sich das Rheinschiffahrtsgericht nicht mit der allgemeinen Regulierungspraxis auseinanderzusetzen, da ein Vorteilsausgleich bei der Beschädigung von Dalben eine Frage des Einzelfalles ist.
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