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Leitsätze:
1) Ein Schiffsführer haftet nach den §§ 823 ff. BGB für schuldhaft verursachte Schäden auch dann, wenn er das Fahrzeug bzw. den Schubverband nicht selbst gesteuert hat, sondern unter seiner Führung ein Steuermann.
2) Werden die Voraussetzungen für eine persönliche Haftung des Schiffseigners nach § 114 BinSchG nicht vorgetragen, haftet er gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 3 BinSchG beschränkt auf Schiff und Fracht. Bei schuldhafter Verursachung eines Schadens an einem stilliegenden Fahrzeug hat dessen ordnungsgemäße Befestigung nur für ein etwaiges Mitverschulden Bedeutung.
Urteil des Oberlandesgerichts (Moselschiffahrtsobergerichts) Köln
vom 31.10.1997
3 U 6/97 - BSchMo
(Moselschiffahrtsgericht St. Goar)
Zum Tatbestand:
Der Kläger ist Eigentümer der Motoryacht (MY) M (17m lang, 4,85 m breit), die er am 21.7.1995 an der Außenmole des Yachthafens Cochem-Cond festgemacht hatte. Gegen Mittag passierte der Schubverband R, bestehend aus dem dem Beklagten zu 3) gehörenden Boot und zwei in der „FlöchFormation" vorgekuppelten Leichtern, den Yachthafen in der Talfahrt. Der unter Anleitung des Beklagten zu 1) fahrende Steuermann Z hatte seit der Ausfahrt aus der Schleuse Fankel eine Fahrstufe von ca. 1.000 Umdrehungen pro Minute beibehalten. Der Kläger behauptet, durch den von dem Schubverband verursachten übermäßigen Sog und Wellenschlag sei die MY gegen die Mole geschleudert worden. Insgesamt sei ein Schaden von DM 9.654,00 entstanden.
Die Beklagten behaupten, man habe die Mole mit der gleichen Rücksicht wie unzählige Male zuvor passiert. Dabei habe man die Fahrstufe gewählt, die notwendig sei, um die Steuerungsfähigkeit des Verbandes aufrecht zu erhalten. Zu den Schäden könne es nur deshalb gekommen sein, weil die MY nicht ordnungsgemäß festgemacht gewesen sei.
Das Moselschiffahrtsgericht hat die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Die Berufung hatte keinen Erfolg.
Aus den Entscheidungsgründen:
.... Der Beklagte zu 1) haftet als Schiffsführer nach §§ 823 ff. BGB. Auch wenn er den Verband nicht selber gesteuert hat, haftet er unmittelbar nach § 823 BGB, weil der Steuermann „unter der Führung des Beklagten zu 1) gesteuert hat". Die Haftung der Beklagten zu 3) ergibt sich aus §§ 3 f. BinSchG, allerdings gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 3 BinSchG beschränkt auf Schiff und Fracht, weil der Kläger die Voraussetzungen für eine persönliche Haftung nach § 114 BinSchG nicht vorgetragen hat.
Die alleinige Haftung der Beklagten zu 1) und 3) ergibt sich daraus, daß der Schubverband „Robert David" die MY M durch Sog und Wellenschlag vorwerfbar derart in Bewegung versetzt hat, daß diese Schäden erlitt, und daß dem Kläger kein Mitverschulden wegen unzureichender Befestigung seiner Yacht gemacht werden kann....
Auch ist dem Beklagten zu 1) vorzuwerfen, daß er mit zu hoher Geschwindigkeit an dem Yachthafen Cochem vorbeigefahren ist und dadurch die übermäßige Wellen- und Sogwirkung für die an der Außenmole des Yachthafens liegenden Boote hervorgerufen hat. Dies ist eindrucksvoll von den Zeugen bekundet worden und wird belegt durch die Auswirkungen auf die Yacht des Klägers, aber auch auf die des Zeugen Z sowie zwei holländische Boote. Es kann davon ausgegangen werden, daß der Verband bei der Vorbeifahrt zumindest 14,66 km/h gefahren ist....
Wenn die Beklagten.... geltend gemacht haben, daß zur Beibehaltung der Steuerungsfähigkeit ihres Verbandes eine Mindestgeschwindigkeit von etwa 10 km/h einzuhalten sei, so ist dem Beklagten zu 1) vorzuwerfen, daß er diese Geschwindigkeit eben nicht eingehalten, sondern um fast 50 % überschritten hat.
Es unterliegt keinem Zweifel, daß bei Einhaltung dieser von den Beklagten angegebenen Minimalgeschwindigkeit eine problemlose Vorbeifahrt möglich gewesen wäre, wie sich bereits daraus ergibt, daß der Verband R den Yachthafen Cochem regelmäßig passiert, ohne in der Vergangenheit derartig gravierende Auswirkungen hervorgerufen zu haben. Gerade weil der Verband die Strecke regelmäßig befährt und der Besatzung die kritische Situation im Bereich des Cochemer Yachthafens bekannt ist, auf die zudem durch entsprechende Gebotszeichen hingewiesen wird, ist dem Beklagten zu 1) wegen der zu schnellen Vorbeifahrt ein Verschulden anzulasten.
Da die Verursachung und das schuldhafte Fehlverhalten des Beklagten zu 1) somit feststehen, hat die Frage der ordnungsgemäßen Befestigung der MY M Bedeutung nur für ein etwaiges Mitverschulden des Klägers an der Schadensverursachung. Das verkennt die Berufung, wenn sie zudem eine unlogische Reihenfolge der Gründe des angefochtenen Urteils rügt. Ob MY M ordnungsgemäß befestigt war, ist keineswegs die vorrangig zu klärende Frage, ganz abgesehen davon, daß es bei gleichwertigen Haftungselementen keinen logischen Vorrang in der Prüfung gäbe.
Logisch stellt sich aber als erste Frage die nach der Verursachung durch den Vorbeifahrer und ob dieser zu schnell gefahren ist. Wenn dies zu bejahen ist, kommt der Frage nach der Befestigung des Stilliegers nur noch eine Bedeutung für das Mitverschulden zu. diese Folge mag verdeutlicht werden durch den Beispielsfall, daß ein mit überhöhter Geschwindigkeit fahrendes Schiff drei Stillieger passiert, von denen nur zwei ordnungsgemäß festgemacht sind, und alle drei durch die von ihm ausgehende Sog- und Wellenwirkung losreißt. Natürlich haftet der Vorbeifahrer dann grundsätzlich auch für die Schäden an dem unzureichend befestigten Stillieger, mag diesen auch der Vorwurf eines Mitverschuldens treffen.
Soweit die Berufung sich in diesem Zusammenhang auf die Kommentierung in Bemm/RhSchPVO Rdn. 25 ff. zu § 7 7.01 beruft, wird die Bedeutung der zitierten Kommentierung verkannt, in der es um den Anscheinsbeweis geht, daß der Vorbeifahrer schuldhaft falsch gefahren ist, wenn der Stillieger ordnungsgemäß festgemacht war und trotzdem abgerissen wurde. Ergibt sich aber - wie vorliegend - aus der Beweisaufnahme, daß der Vorbeifahrer vorwerfbar mit unangemessener Geschwindigkeit übermäßige Wellen- und Sogbewegungen hervorgerufen hat, die zur Schädigung des Stilliegers geführt haben, kommt der Frage des Anscheinsbeweises keine Bedeutung zu.
Daß den Kläger ein Mitverschulden an der Schadensverursachung trifft wegen unzureichender Befestigung seiner Yacht, haben die insoweit beweispflichtigen Beklagten nicht nachgewiesen...."
Ebenfalls abrufbar unter ZfB 1998 - Nr.10 (Sammlung Seite 1689 f.); ZfB 1998, 1689 f.