Jurisprudentiedatabank
Leitsatz:
Eine zugewiesene Ladestelle muß für das Schiff geeignet sein. Vor Unterwasserhindernissen muß seitens eines Hafens gewarnt werden.
Urteil des Oberlandesgerichts (Rheinschiffahrtsobergerichts) Köln
vom 9.11. 1990
3 U 43/90
(Rheinschiffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort)
- rechtskräftig -
Zum Tatbestand:
Das bei der Klägerin versicherte Schiff hatte im Hafen der Beklagten eine ihm zugewiesene Ladestelle an der Kaimauer eingenommen. Dort befand sich unter Wasser eine Böschung, an der das Ruder abbrach. Die Klägerin hat Schadensersatzklage erhoben. Beide Parteien haben gegen das Grundurteil Berufung eingelegt. Die der Klägerin hatte Erfolg.
Aus den Entscheidungsgründen:
„ .. Der Klägerin stehen aus übergegangenem Recht Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte zu, weil diese als Hafenbetreiberin ihre Verkehrssicherungspflichten gegenüber dem Rechtsvorgänger der Klägerin, dem Schiffer, verletzt hat. Demgegenüber kann ein haftungsminderndes Mitverschulden des Schiffers nicht festgestellt werden...
Der Schiffer hatte im Hafen der Beklagten eine ihm zugewiesene Ladestelle an der Kaimauer eingenommen. Eine solche Ladestelle muß geeignet sein. Das ist nicht der Fall, wenn sich in der Nähe unter Wasser eine Böschung befindet, die zu einem Aufsetzen des Schiffes führen kann (vgl. Vortisch-Zschucke § 27 Anm. 4b). An der Unfallstelle, die aufgrund der Bekundung des Zeugen „Z" eindeutig ausgemacht werden konnte, befand sich gerade eine derartige Böschung. Der Fundort des abgebrochenen Ruders nämlich war jeweils 5 m von der Böschungslinie einerseits und der Kaimauer andererseits entfernt. Die sich aus dem Fundort des Ruders ergebende konkrete Liegestelle hätte die Beklagte dem Schiffer wegen der dort drohenden Gefahren keinesfalls zuweisen dürfen; sie hätte überdies durch ein entsprechendes Schild, wie es jetzt aufgestellt ist, vor der Gefahr warnen müssen.
Entgegen der Auffassung des Rheinschifffahrtsgerichts kann jedoch von einem Mitverschulden des Schiffers nicht ausgegangen werden. Als der Schiffer an der Kaimauer anlegte, um den zugewiesenen Ladeplatz einzunehmen, brauchte er grundsätzlich nicht mit Unterwasserhindernissen irgendwelcher Art und insbesondere nicht mit dem Vorhandensein einer Böschung zu rechnen. In diesem Zusammenhang kann deshalb auch offenbleiben, ob das MS eine Verholbewegung ausgeführt hat und dabei - und nicht erst durch die Absenkung beim Beladen - auf die dort vorhandene Böschung geraten ist.
Daß der Schiffer das konkrete Hindernis gekannt hätte, ist nicht bewiesen. Er besaß allenfalls allgemeine Kenntnis davon, daß es im Hafen Stellen mit Böschung gab. Die Annahme jedoch, daß ausgerechnet der ihm zugewiesene Ladeplatz eine solche Untiefe aufwies, lag völlig fern. Insofern bestand auch keinerlei Anlaß zu irgendwelchen Nachforschungen dahingehend, ob etwa an der Wasserlinie unterhalb der Kaimauer Steinaufschüttungen aus dem Wasser ragten, die auf Untiefen hätten hindeuten können.
Nicht bewiesen ist auch, daß die Steinaufschüttung beim Anlegen um 4.00 Uhr früh (21. Mai) - rund eine Stunde vor Sonnenaufgang - zu sehen war. Das natürliche Licht reichte hierzu sicher noch nicht aus. Die Lichtquellen der Verladeanlage dienen der Beleuchtung anderer Stellen, nicht aber der Wasserlinie unterhalb der Kaimauer. Die Unterstellung, daß die nur knapp über die Wasserlinie ragende und unmittelbar an die Kaimauer gelehnte Steinaufschüttung auf Anhieb zu erkennen gewesen wäre, widerspricht vielmehr aller Erfahrung. Dem Schiffer kann auch nicht zum Vorwurf gemacht werden, daß er die Gefahr nicht spätestens bei Tagesansbruch erkannt hat. Liegt das Schiff nämlich erst einmal an der Ladestelle und wird es von dem ortskundigen Personal des Umschlagunternehmens beladen, so liegt jetzt eine Ausschau nach möglichen Unterwasserhindernissen, die vielleicht in der Dunkelheit übersehen worden sind, erst recht fern.....“
Ebenfalls abrufbar unter ZfB 1991 - Nr.6 (Sammlung Seite 1314 f.); ZfB 1991, 1314 f.