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3 U 36/08 BSchRh - Oberlandesgericht (Schiffahrtsobergericht)
Datum uitspraak: 17.03.2009
Kenmerk: 3 U 36/08 BSchRh
Beslissing: Urteil
Language: Duits
Rechtbank: Oberlandesgericht Köln
Afdeling: Schiffahrtsobergericht

OBERLANDESGERICHT KÖLN
RHEINSCHIFFFAHRTSOBERGERICHT
URTEIL
vom 17.03.2009

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Rheinschifffahrtsgerichts Duisburg-Ruhrort vom 21.01.2008, Az. 5 C 2/06 BSch, unter Zurückweisung der weiter gehenden Berufung wie folgt abgeändert:

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.232,17 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.03.2006 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen trägt der Kläger 55%, der Beklagte 45%.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

(Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gem. §§ 540 Abs.2, 313a Abs.1 S.1 ZPO abgesehen)

Die Berufung des Klägers ist zulässig und teilweise begründet.

1.
Die Berufung ist zulässig.

Dass ein konkreter Antrag nicht bereits in der Berufungsbegründung formuliert wurde, schadet nicht. Die gegen ein klagabweisendes Urteil gerichtete Berufung ist trotz Fehlens eines förmlichen Antrags in der Berufungsbegründung nicht nach § 520 Abs.3 Nr.1 ZPO unzulässig, wenn der Inhalt der in der Begründungsfrist eingegangenen Schriftsätze eindeutig ergibt, dass der Berufungskläger seinen erstinstanzlichen Klageanspruch in vollem Umfang weiterverfolgen will (BGH, Beschl. v. 13.11.1991, VIII ZB 33/91, NJW 1992, 698 f.). Das ist hier der Fall, denn die Berufungsbegründung nimmt nicht nur einleitend Bezug auf das Vorbringen erster Instanz, sondern auf S.5 = GA Bl.160 auch nochmals konkret auf die Geltendmachung von drei Tagen Nutzungsverlust. 

2.
Die Berufung hat auch in der Sache teilweise Erfolg.

Der Beklagte schuldet dem Kläger aus dem Schadensereignis vom 10.01.2004 Schadensersatz, der auch den Nutzungsausfallschaden des Klägers umfasst, jedoch nur in Höhe von 3.232,17 Euro zuzüglich Rechtshängigkeitszinsen.

a.
Der Beklagte haftet als Eigner des TSL „F.“ dem Kläger dem Grunde nach wegen der von TSL „F.“ am 10.01.2004 schuldhaft verursachten Kollision mit dem dem Kläger gehörenden MS „S.“ gem. §§ 92, 92b BinSchG auf Schadensersatz; dies steht zwischen den Parteien auch nicht in Streit.

b.
Der danach zu ersetzende Schaden umfasst gem. § 252 BGB auch den mutmaßlich entgangenen Gewinn, den ein derartiges Schiff wie das beschädigte nach seiner Art und Größe nach den zur Unfallzeit maßgeblichen Sätzen normalerweise gehabt haben würde (BGH, Urt. v. 21.01.1965, II ZR 123/63, VersR 1965, 351, 353; BGH, Urt. v. 08.02.1965, II ZR 161/63, VersR 1965, 373, 374; Senat, 3 U 144/01, TranspR 2002, 244 f. = OLGR 2002, 223 f. = BinSchiff 2002, Nr.9, 55, m.w.Nachw.). Nach allgemeinen Grundsätzen besteht ein solcher Anspruch nicht, wenn eine Reparatur bei Gelegenheit eines ohnehin anstehenden Werftaufenthaltes erfolgen kann oder tatsächlich erfolgt oder das Schiff ohnehin nicht hätte gewinnbringend eingesetzt werden können, etwa weil für den Reparaturzeitraum ohnehin keine Aufträge vorhanden waren (vgl. Senat, 3 U 177/97, BinSchiff 1998, Nr.24, S.43 f.).

Hiervon ausgehend ist im vorliegenden Fall ein Anspruch auf Nutzungsausfall dem Grunde nach zu bejahen.

(1)
Aus Rechtsgründen war der Kläger nicht gehalten, die Reparatur solange zurückzustellen, bis sie „bei Gelegenheit“ hätte erfolgen können. Nach dem unwiderlegten Vortrag des Klägers handelte es sich bei MS „S.“ um ein erst wenige Jahre altes Schiff, für das weder im Zeitpunkt der Kollision noch im Zeitpunkt der Reparatur ein Werftaufenthalt absehbar war. Bei dieser Sachlage musste der Kläger sich nicht darauf verweisen lassen, auf unbestimmte Zeit mit den vorhandenen Schäden weiter zu fahren (vgl. Senat, 3 U 177/97, BinSchiff 1998, Nr.24, S.43 f.). Nichts anderes ergibt sich aus der von beiden Parteien in Bezug genommenen Schadenstaxe; dieser lässt sich, wie bereits das Rheinschifffahrtsgericht zutreffend ausgeführt hat, entgegen der Ansicht des Beklagten ein Anerkenntnis des Klägers, dass die Reparatur „bei Gelegenheit“ ausgeführt werden könne, ersichtlich nicht entnehmen.

(2)
Anhaltspunkte für die tatsächliche Ausführung einer Reparatur bei Gelegenheit lassen sich nicht feststellen. Wie sich aus den glaubhaften Angaben des Zeugen I. ergibt, wurden im Rahmen des Werftaufenthalts vom 15.06.2004 bis zum 21.06.2004 keine anderen als die aus der Kollision mit TLS „F.“ stammenden Schäden beseitigt. Der Zeuge hat ausdrücklich bekundet, dass keine anderen Arbeiten als diese für den Zeitraum des seinerzeitigen Werftaufenthalts berechnet wurden; dass dennoch weitere, ohnehin den gleichen Zeitraum in Anspruch nehmende (dazu vgl. von Waldstein/Holland, Binnenschifffahrtsrecht, 5.Aufl. 2007, § 92b BinSchG Rn48) Arbeiten ausgeführt worden wären, ist nicht ersichtlich. 

(3)
Schließlich lässt sich auch nicht feststellen, dass keine Aufträge für MS „S.“ vorhanden waren und deshalb ein Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung ausgeschlossen wäre.

Dass keine Aufträge vorhanden waren, war, worauf der Senat bereits in der mündlichen Verhandlung vom 25.07.2008 hingewiesen hat, entgegen der Ansicht des Beklagten auch schon in erster Instanz nicht unstreitig, sondern streitig; auch das Rheinschifffahrtsgericht ist davon ausgegangen, dass nach dem Vortrag des Klägers „fraglich“ sei, ob er Aufträge gehabt hätte, wenn das Schiff nicht zum Zwecke der Reparatur aus der Fahrt genommen worden wäre. Nach Schifffahrtsbrauch kann aber grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass das Schiff ohne den Unfall gewinnbringend hätte eingesetzt werden können (vgl. BGH, aaO.). Soweit der Beklagte eine von den dargestellten Grundsätzen abweichende Entscheidung des OLG Bamberg zitiert (vgl. von Waldstein/Holland, Binnenschifffahrtsrecht, 5.Aufl. 2007, § 92b BinSchG Rn45), sieht der Senat keine Veranlassung, von seiner gefestigten, in Einklang mit der Rechtsprechung auch des Bundesgerichthofs stehenden Rechtsprechung abzuweichen (ablehnend auch von Waldstein/Holland, aaO.), denn es lässt sich nicht feststellen, dass der zitierte Schifffahrtsbrauch inzwischen aufgegeben worden wäre. Im Übrigen hat auch der Zeuge X. als Mitarbeiter des Befrachters T. Transport International N.V. ausdrücklich und glaubhaft bestätigt, dass der Kläger mit MS „S.“ für den fraglichen Zeitraum Frachtaufträge angeboten worden seien, die wegen des Werftaufenthalts nicht angenommen worden seien.

c.
Der Höhe nach beläuft sich der Anspruch auf Nutzungsausfall auf 3.232,17 Euro.

(1)
Wie der Senat mit Urteil vom 22.01.2008, 3 U 77/06 (OLGR 2008, 549 ff. = BinSchiff 2008, Nr.3, S.66 ff.), entschieden hat, kommt bei der Berechnung des Nutzungsausfalls eine unmittelbare Orientierung an den in § 4 BinSchLV 1999 festgelegten Sätzen nicht mehr in Betracht, sondern sind im Rahmen des richterlichen Schätzungsermessens gem. § 287 ZPO regelmäßig die früheren, seinerzeit allgemein als angemessen anerkannten Liegegeldsätze gem.  § 32 BinSchG a.F. heranzuziehen und ausgehend vom Inkrafttreten der Regelung des § 32 BinSchG a.F. auf den Zeitpunkt des jeweiligen Schadensereignisses bzw. des Eintritts des Nutzungsausfalls, zu indexieren, wobei der vom Statistischen Bundesamt festgestellte allgemeine Verbraucherpreisindex heranzuziehen ist. Diese Rechtsprechung hat der Bundesgerichtshof mittlerweile ausdrücklich gebilligt (BGH, Urt. v. 16.12.2008, VI ZR 48/08, BinSchiff 2009, Nr.1/2, S.75 ff.).

Danach ergibt sich folgende Berechnung:

Verbraucherpreisindex Mai 1994 (2005=100):                                                 85,6
Verbraucherpreisindex Januar 2004 (2005=100):                                            97,5
Nutzungsausfall auf der Basis § 32 BinSchG a.F., Stand 27.04.1994:
(entsprechend 1.400 DM + 450 DM = 1.850 DM)                                          945,89  Euro
indexiert:                                                                                                     1.077,39  Euro
pro Tag.

(2)
Soweit der – für eine Abweichung vom Regelfall darlegungs- und beweispflichtige (vgl. OLG Hamburg, VersR 1974, 1216; von Waldstein/Holland, Binnenschifffahrtsrecht, 5.Aufl. 2007, § 92b BinSchG Rn50) -  Beklagte behauptet und unter Beweis gestellt hat, dass der Kläger ohne die Reparatur tatsächlich geringeren Gewinn erzielt hätte, hat er seine Behauptung nicht beweisen können. Der auch zu dieser Frage vernommene Zeuge X. hat ausdrücklich bekundet, dass seinerzeit im Regelfall deutlich höhere Frachten gezahlt und höhere Gewinne eingefahren wurden. Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger in der Woche nach Durchführung der Reparatur einen Auftrag mit geringerer Fracht angenommen hat; dies lässt einen Rückschluss darauf, dass der Kläger auch ohne Ausführung der Reparatur für den Zeitraum der Reparaturdauer keinen höher dotierten Frachtauftrag erhalten hätte, nicht zu.

(3)
Unstreitig war zur Behebung der Schäden ein Werftaufenthalt von drei Tagen erforderlich, so dass sich insgesamt ein Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung in Höhe von 3.232,17 Euro ergibt.

d.
Ein Anspruch des Klägers auf Zahlung von Verzugszinsen besteht erst ab dem auf Eintritt der Rechtshängigkeit (hier: 29.03.2006) folgenden Tag, §§ 286, 288 BGB i.V.m. § 187 Abs.1 BGB analog (BGH, Urt. v. 14.01.1990, VIII ZR 296/88, NJW-RR 1990, 519). Eine frühere Zahlungsaufforderung ist weder vorgetragen noch ersichtlich; Fälligkeit mag, wie der Kläger geltend macht, mit Vorlage der Taxe eingetreten sein, ersetzt aber die gem. § 286 BGB grundsätzlich erforderliche Zahlungsaufforderung nicht. § 849 BGB, der gegebenenfalls eine Verzinsung von Schadensersatzansprüchen ab dem Schadensereignis ermöglichen könnte, ist auf die hier geltend gemachten Ansprüche auf Nutzungsausfallentschädigung nicht anwendbar (vgl. OLG Düsseldorf, Verkehrsrecht aktuell 2007, 98 f.).

3.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr.10, 711, 713 ZPO. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der  Revision gem. § 543 Abs.2 ZPO liegen nicht vor; die Frage, wann ein Anspruch auf Nutzungsausfallschaden bei Beschädigung eines Schiffes besteht, ist ebenso bereits höchstrichterlich geklärt wie die Frage seiner Bemessung (hierzu vgl. BGH, Urt. v. 16.12.2008, VI ZR 48/08, BinSchiff 2009, Nr.1/2, S.75 ff.).