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Leitsatz:
Wird ein Schiff bei steigendem Hochwasser und wegen Einstellung der Schiffahrt entgegen § 7.04 Nr. 3 MoselSchPV zusätzlich an einer Ufermauer festgemacht, obwohl hierauf verzichtet werden mußte, um die naheliegende Gefahr einer Mauerbeschädigung zu vermeiden, ist ggf. eine Schadensersatzpflicht die Folge. Im Falle einer Notstandssituation wäre nach § 904 BGB eine verschuldensunabhängige Haftung gegeben.
Urteil des Oberlandesgerichts (Moselschiffahrtsobergerichts) Köln
vom 31.10.1997
- 3 U 35/97 BSchMO -
(Moselschiffahrtsgericht St. Goar)
Zum Tatbestand:
Die Klägerin ist Eigentümerin einer am linken Moselufer in der Ortslage Piesport in Höhe des dortigen Schiffsliegeplatzes stehenden Ufermauer aus Bruchstein. Der Beklagte ist Eigentümer und Schiffsführer von GMS „R", das am 22.1.1995 beladen zu Berg fuhr und wegen des steigenden Hochwassers in der Stauhaltung Wintrich festmachen mußte, weil die Schiffahrt eingestellt wurde. Dafür stand nur noch der unmittelbar unterhalb der Straßenbrücke befindliche Liegeplatz zur Verfügung, weil die anderen belegt waren.
GMS „R" wurde am Bug mit drei Drähten an einem an der Uferböschung stehenden Poller sowie mit einem weiteren Draht an einem in Brückennähe stehenden Baum festgemacht. Zum Strom hin wurden zwei Pohlanker gesetzt. Auch achtern wurde ein Draht zu einem am Ufer befindlichen Poller gelegt. Zusätzlich hatte der Beklagte von der vorderen Pollerbank ein Tau zu der in Schiffsmitte stehenden Mauer geführt und dort mit einem hinter einer Maueröffnung querliegenden Treibholz befestigt. Diese Mauer wurde in den folgenden Tagen vom steigenden Hochwasser überflutet. Nachdem das Hochwasser zurückgegangen war, war die Mauer gebrochen. Die Klägerin macht den ihr dadurch entstandenen Schaden geltend.
Der Beklagte ist der Meinung, für den Schaden nicht verantwortlich zu sein. Er habe im Oberwasser der Schleuse Wintrich an den Dalben festzumachen beabsichtigt. Dies sei ihm aus Gründen, die tatsächlich nicht gegeben gewesen seien, verweigert worden. Die Mauer habe er nur deshalb in Anspruch genommen, weil zwei der am Ufer ursprünglich angebrachten Poller nicht brauchbar gewesen seien. Ansonsten hätte er dort festgemacht.
Das Moselschiffahrtsgericht hat die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Die Berufung hatte keinen Erfolg.
Aus den Entscheidungsgründen:
...Entgegen der Auffassung des Beklagten ist der kausale Zusammenhang zwischen der Mauerbeschädigung und der Befestigung des Taus sehr wohl erwiesen. Die unstreitigen Sachverhaltsmerkmale lassen keinen anderen Schluß zu, was der Beklagte in seiner Aussage vor der Wasserschutzpolizei letztlich auch eingeräumt hat...
Was das Verschulden des Beklagten angeht, so wußte er natürlich, daß er nicht an der Mauer festmachen durfte, ist dies doch ausdrücklich nach § 7.04 Nr. 3 MoSchPoV verboten. Hinzu kommt, daß er von dem Bürgermeister der Klägerin ausdrücklich auf die unzureichende Baufestigkeit der Mauer hingewiesen worden war. Zu diesem Zeitpunkt hätte das Tau von der Mauer vermutlich auch noch gelöst werden können, da diese erst zur Hälfte unter Wasser stand. Davon abgesehen hätte das Tau aber auch vom Schiff aus gelöst werden können.
Dem Beklagten ist zuzugestehen, daß er wegen des Fehlens des an dieser Stelle erforderlichen Pollers keine andere Möglichkeit zur Anbringung einer Spring vorfand. Hierauf kann er sich aber im Verhältnis zur Klägerin nicht berufen. Er hätte dann halt auf die Spring verzichten müssen, um die naheliegende Gefahr einer Mauerbeschädigung zu vermeiden.
War die Anbringung der Spring jedoch unerläßlich, wie der Beklagte meint, so ließe sich eine Notstandssituation annehmen mit der Folge, daß der Beklagte nach § 904 BGB, der auch im Rahmen der Haftung nach dem Binnenschiffahrtsgesetz anwendbar ist, verschuldensunabhängig haften würde.
Ob eine Notstandssituation aber in objektiver Hinsicht vorlag, kann dahinstehen, denn die anderenfalls in Betracht kommende Verkennung der Notstandssituation führt nicht zu einem anderen Ergebnis. Haftete der Schädiger nach § 904 BGB verschuldensunabhängig bereits bei einem in objektiver Hinsicht berechtigten Eingriff, muß das erst recht gelten bei einem von dem Schädiger irrig angenommenen Notstand, ganz abgesehen davon, daß der Irrtum ohnehin einen Schuldvorwurf rechtfertigen würde...."