Jurisprudentiedatabank
Leitsatz:
Um die tatsächliche Vermutung des Alleinverschuldens des Schiffsführers eines auf ein stilliegendes Schiff auffahrenden Schiffs zu erschüttern, bedürfen die für einen anderen untypischen Ursachenzusammenhang sprechenden Umstände des vollen Beweises. Es reicht nicht aus, gegen den für das Alleinverschulden sprechenden Anscheinsbeweis lediglich Umstände darzutun, aus denen sich die ernsthafte Möglichkeit eines anderen untypischen Verlaufs ableiten läßt.
Urteil des Oberlandesgerichts (Rheinschiffahrtsobergerichts) Köln
vom 12.2.1993
3 U 218/92
(Schiffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort)
Zum Tatbestand:
Die Klägerin ist Eignerin des MS M, das während des Stilliegens von dem Schiff des Beklagten zu 1, geführt von dem Beklagten zu 2, angefahren worden ist.
Das Schiffahrtsgericht hat der Schadensersatzklage stattgegeben. Die Berufung hatte keinen Erfolg.
Aus den Entscheidungsgründen:
„....Die Angriffe der Berufung gegen die Beweiswürdigung des Schiffahrtsgerichts sind nicht geeignet, das Unfallgeschehen in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht anders zu bewerten.
Die Beklagten haben zwar gegen den für das Alleinverschulden des Beklagten zu 2 als Schiffsführer des auffahrenden Schiffes sprechenden Anscheinsbeweis die Möglichkeit eines anderen untypischen Ursachenzusammenhangs aufgezeigt, indem sie vorgetragen haben, die Hecklichter des unter der Brücke leigenden MS M seien wegen des auf der achtemen Wohnung liegenden Nachens verdeckt und damit für den nachfolgenden Schiffsverkehr nicht sichtbar gewesen. Um die tatsächliche Vermutung für das Alleinverschulden des Schiffsführers des auffahrenden Schiffes zu erschüttern, reicht es aber nicht, lediglich Umstände darzutun, aus denen sich die ernsthafte Möglichkeit eines anderen untypischen Verlaufs ableiten läßt. Vielmehr bedürfen diese Umstände ihrerseits des vollen Beweises (vgl. BGHZ 8, 239, 240). Der Senat folgt der Bewertung des Schiffahrtsgerichts, daß die diesbezüglichen Behauptungen der Beklagten sich mehr im spekulativen Bereich befinden und durch die Beweisaufnahme keine hinreichend konkrete Bestätigung gefunden haben.
Unter den gegebenen Umständen kommt es nicht entscheidend darauf an, in welchem Umfang für den Beklagten zu 2 die Voraussicht des vorgespannten Leichtern eingeschränkt und die Steuerung durch die bei Aussicht aus dem Dach des Steuerhauses nur mit einer Lenkhilfe mögliche Bedienung des Steuerrads erschwert gewesen sein mögen. Die insofern getroffenen Feststellungen des Schiffahrtsgerichts, anderen Richtigkeit zu zweifeln der Senat keine Veranlassung sieht, bekräftigen jedoch die Wahrscheinlichkeit, daß das Übersehen des klägerischen Schiffes durch den Beklagten zu 2 durch die eingeschränkte Sichtmöglichkeit begünstigt worden ist. Letztlich kann dies jedoch dahinstehen, daß dem Beklagten zu 2 - worauf auch das Schifffahrtsgericht bereits hingewiesen hat - in jedem Fall ein Außerachtlassen der verkehrserforderlichen Sorgfalt angelastet werden muß mit der Folge, daß die Beklagten gemäß §§ 3, 4, 114 BSchG i.V.m § 823 Abs. 1 BGB für den Unfallschaden des Klägers haften...."
Ebenfalls abrufbar unter ZfB 1993 - Nr.20 (Sammlung Seite 1446 f.); ZfB 1993, 1446 f.