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3 U 215/94 BSchRh - Oberlandesgericht (Rheinschiffahrtsobergericht)
Datum uitspraak: 19.09.1995
Kenmerk: 3 U 215/94 BSchRh
Beslissing: Urteil
Language: Duits
Rechtbank: Oberlandesgericht Köln
Afdeling: Rheinschiffahrtsobergericht

Leitsätze:

1) Die Anwendung des § 77 BinSchG ist auf Schäden von Reisenden beschränkt.

2) § 2 BinSchG betrifft nicht das Innenverhältnis zwischen Eigentümer und Ausrüster.

3) Auch wenn der Charterer die Fahrtroute bestimmt und Weisungen an den Schiffsführer erteilt, ist der Charterer nicht als Ausrüster anzusehen. Ob der Schiffsführer Angestellter des Charterers war, ist für die Auslegung des Begriffs des "Anvertrauens" ohne Belang.

Urteil des Oberlandesgerichts (Rheinschiffahrtsobergerichts) Köln

vom 19.09.1995

3 U 215/94 BSchRh

(Rheinschiffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort)

Zum Tatbestand:

Die Klägerin ist Versicherer des PMS P, sie macht Ansprüche aus übergegangenen und abgetretenen Forderungen geltend, die im Zusammenhang mit dem Untergang des PMS "P nach einer Kollision mit dem TMS D am 10. Juli 1992 stehen. Der Versicherungsnehmer der Klägerin hatte PMS P der Beklagten für eine Gästefahrt zur Verfügung gestellt.
Mit der Klage macht die Klägerin die ihr durch den Untergang von PMS P entstandenen Kosten und die Charter für das Schiff geltend. Sie behauptet, ihr Versicherungsnehmer habe P der Beklagten für die Gästefahrt mit Geschäftsfreunden ohne Besatzung überlassen; der Kapitän sei von der Beklagten gestellt worden.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie behauptet, PMS P wie auch häufiger in der Vergangenheit mit Besatzung gechartert zu haben. Schiffsführer M habe bei ihr für den Unglückstag Urlaub genommen. Seine Bereitschaft, die Reise durchzuführen, habe sie dem Versicherungsnehmer der Klägerin mitgeteilt, damit dieser die Einzelheiten des Einsatzes und der Bezahlung regeln könne.

Das Rheinschiffahrtsgericht hat die Beklagte unter Klageabweisung im übrigen zur Zahlung der Charter und 2/3 der Kosten des Verzehrs an Bord verurteilt. Die Berufung der Klägerin hatte keinen Erfolg.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Die Beklagte haftet dem Versicherungsnehmer der Klägerin nicht für den durch den Untergang von PMS P entstandenen Schaden und die im Zusammenhang mit der Bergung angefallenen Kosten. Über die bereits zuerkannten 900,- DM hinaus stehen dem Rechtsvorgänger der Klägerin keine weiteren Ansprüche aus der Rechnung vom 21. Juli 1992 gegen die Beklagte zu.

Das Begehren der Klägerin findet seinen rechtlichen Grund nicht in § 77 Binnenschiffahrtsgesetz i.V.m. § 664 HGB. Der sachliche Geltungsbereich dieser Bestimmungen ist auf Schäden von Reisenden beschränkt (Prüssmann/Rabe, Seehandelsrecht, 3. Aufl., vor § 664 HGB A 1 d), um die es in dem vorliegenden Verfahren nicht geht.

Anspruchsgrundlage ist nicht § 2 Binnenschiffahrtsgesetz. § 2 Binnenschifffahrtsgesetz betrifft die Haftung im Außenverhältnis zu Dritten, nicht hingegen das Innenverhältnis zwischen Eigentümer und Ausrüster. Die Beurteilung des Innenverhältnisses richtet sich nach den vertraglichen Absprachen; soweit solche nicht getroffen worden sind, ist auf die mietrechtlichen Vorschriften der §§ 535 ff. BGB zurückzugreifen (Vortisch-Bemm, Binnenschiffahrtsrecht, 4. Aufl., § 3 Rdz. 14).
Der Klägerin steht auch kein Anspruch aus § 280 i.V.m. § 556 BGB zu. Es kann dahinstehen, ob die Kollision auf einem alleinigen Verschulden von Schiffsführer M beruht. Ein solches Verschulden ist nicht der Beklagten zuzurechnen. Schiffsführer M war nicht Erfüllungsgehilfe der Beklagten, sondern des Versicherungsnehmers der Klägerin. Es kann dahinstehen, welche subjektiven Vorstellungen betreffend die Stellung der Besatzung der Geschäftsführer der Beklagten und der Rechtsvorgänger der Klägerin bei Abschluß des Vertrages hatten. Die Parteien behaupten nicht, daß diese Vorstellungen konkreter Bestandteil der Absprache waren. Somit sind die Erklärungen unter Berücksichtigung der sonstigen Umstände aus der Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers auszulegen. Danach schuldete der Versicherungsnehmer der Klägerin die Beförderung der Gäste und Mitarbeiter der Beklagten und nicht die bloße Überlassung des Schiffes. Die Beklagte hat PMS "Passat" im Jahre 1988 an den Rechtsvorgänger der Klägerin veräußert. Dieser, nicht hingegen die Beklagte, betreibt Personenschiffahrt. Der Beklagten war weder der genaue Zustand des Schiffes noch der aktuelle Inhalt des Schiffsattestes bekannt. Sie hat sich nicht um Versicherungsfragen gekümmert und ist von dem Versicherungsnehmer der Klägerin hierzu auch nicht aufgefordert worden. Der Rechtsvorgänger der Klägerin hat das Schiff vorgelegt und sodann Schiffsführer M anvertraut. Dem steht nicht entgegen, daß der Schiffsführer M Angestellter der Beklagten war. Für die Auslegung des Begriffes des "Anvertrauens" ist dies ohne Belang (BGHZ 25, 244, 249). Auch der Umstand, daß Fahrtziel und -route nicht mit dem Versicherungsnehmer der Klägerin abgesprochen war, rechtfertigt keine andere Betrachtung. Bei der Vercharterung von Schiffen für Rundreisen sind dem Reeder die Einzelheiten der Route nicht bekannt. Der Charterer bestimmt den Einsatz des Schiffes und erteilt Weisungen an den Kapitän. Gleichwohl ist der Charterer nicht als Ausrüster anzusehen (BGHZ 22, 197, 200 f.). Dem Versicherungsnehmer der Klägerin war vorliegend zudem der Fahrtbeginn bekannt. Anders ist es nicht zu erklären, daß er selber das Schiff Schiffsführer M übergeben hat. Mangels ausdrücklicher anderslautender Abrede muß man bei neutraler Betrachtung davon aus- gehen, daß der Vertrag gerade auch im Hin- blick auf die Versicherungsfrage wie bei den vorangegangenen Reisen, in denen das Schiff mit Besatzung gechartert war. abgewickelt werden sollte. Die Schiffsführung gehörte damit zu den Pflichten des Versicherungsnehmers der Klägerin und nicht zu denen der Beklagten...
Die Berufung der Klägerin ist unbegründet, soweit sie sich gegen die nur teilweise Zuerkennung der Charter- und Verzehr kosten wendet.

Die Klägerin hat nichts dafür vorgetragen und unter Beweis gestellt, daß die Getränke im Zeitpunkt der Kollision des Schiffes aufgebraucht waren Der Umstand, daß die Rückgabe der nicht verzehrten Getränke unmöglich ist, ist nicht von der Beklagten zu vertreten, weil ein etwaiges Verschulden von Schiffsführer M dem Versicherungsnehmer der Klägerin zuzurechnen ist..."

Ebenfalls abrufbar unter ZfB 1996 - Nr.7 (Sammlung Seite 1592 f.); ZfB 1996, 1592 f.