Jurisprudentiedatabank
Leitsatz:
Zu den Pflichten eines Kabellegers beim Verlegen von Kabelrohren im Rhein und der den Kabelleger passierenden Schiffahrt.
Urteil des Oberlandesgerichts - Rheinschiffahrtsobergerichts in Köln
vom 18. September 1981
3 U 200/80
(Rheinschiffahrtsgericht DuisburgRuhrort)
Zum Tatbestand:
Der der Klägerin gehörende Kabelleger F verlegte bei Rhein-km 651,5 Kabelrohre von links- nach rechtsrheinisch in die Stromsohle. Querab von der Backbordseite des zu Berg liegenden Kabellegers, auf dem Steuerbord-, Backbord- und Heckanker gesetzt waren, verlief ein 24 mm starker Hievdraht zum rechtsrheinischen Ufer, von dem er über eine dort befestigte Umlenkrolle zum Spülgerät des Kabellegers zurückführte. Bei sich nähernder Berg- oder Talfahrt mußte der Draht mit einer Winde herabgesenkt werden. Der Arbeitsbereich des Kabellegers war von dem übrigen Strombereich durch eine Strichlinie abgegrenzt, die von zwei Wahrschaupontons bei Rhein-km 650,7 und 651,8 gebildet wurde. Zu Berg kam ein der Beklagten gehörender, beladener Schubverband, bestehend aus dem MTS GK und dem Tankleichter G. Dem Schubverband folgten hintereinander die Motorschiffe M und R. Beim Passieren des Kabellegers verfing sich der Hievdraht im Steuerbordpropeller des schiebenden Fahrzeugs. Durch den Stillstand der Steuerbordmaschine geriet der Schubverband in Steuerbordschräglage, trieb achteraus, als auch die Backbordmaschine ausfiel, und geriet gegen einen Ankerdraht des Kabellegers, der nach Backbord herumgerissen wurde. Dabei entstanden erhebliche Schäden, die von der Klägerin mit insgesamt 546463,- DM angegeben werden und in erster Instanz in dieser Höhe als Schadensersatzanspruch geltend gemacht wurden, aber in zweiter Instanz auf etwa 148300,- DM gemindert worden sind.
Zur Begründung trägt die Klägerin u.a. vor, daß der Schubverband zu schnell gefahren und zu nahe an den Kabelleger herangekommen sei. Nach dem Ausfall der Steuerbordmaschine hätte sofort Anker gesetzt werden müssen. Der Ausfall der Backbordmaschine sei darauf zurückzuführen, daß das Brennstoffregulierungsgestänge heruntergefallen und deshalb die Brennstoffzufuhr unterbrochen worden sei.
Die Beklagte bestreitet jedes Verschulden ihrer Besatzung. Der Schubverband habe seine Geschwindigkeit von 4,5 km/h bei der Vorbeifahrt am Kabelleger noch gedrosselt, zu dem der Abstand 30 bis 40 m betragen habe. Der Hievdraht sei nicht genügend gefiert gewesen und nicht nur in den Steuerbord-, sondern auch in den Backbordpropeller geraten, was beide Maschinen zum Stillstand gebracht habe. Nach dem Stillstand sei sofort Anker gesetzt worden, ohne daß das Abtreiben des Verbandes habe verhindert werden können.
Das Rheinschiffahrtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin wurde vom Rheinschiffahrtsobergericht zurückgewiesen.
Aus den Entscheidungsgründen:
„...
Sie Klägerin ist für ein unfallursächliches Fehlverhalten der Besatzung des Schubverbandes beweisfällig geblieben.
Sie hat insbesondere nicht beweisen können, daß der Schubverband zu schnell gefahren ist und den Kabelleger zu hart angehalten hat.
Mangels entgegenstehender Angaben der Besatzung des Kabellegers ist davon auszugehen, daß der Schubverband den Kabelleger mit einer Geschwindigkeit von 4,5 km/h passiert hat. Die entsprechenden Aussagen der beiden Schubbootkapitäne L. und S. sind glaubhaft. Für ihre Richtigkeit spricht, daß der Schubverband mit 2300 t bzw. 1800 t Heizöl beladen war und zu Berg fuhr. Ein derart schwerbeladener Schubverband kann nämlich in der Bergfahrt kaum eine wesentlich höhere Geschwindigkeit erzielen. Daß die Geschwindigkeit des Schubverbandes jedenfalls unter
9 km/h gelegen hat, ergibt sich auch aus der Aussage des Schiffsführers K. von MS R, das sich hinter MTS M befand und zusammen mit dem Schubverband und dem genannten Tanker in einer Reihe zu Berg fuhr. Denn nach den Bekundungen von Schiffsführer K. war die ursprüngliche Geschwindigkeit von MS R, die bei etwa 9 km/h gelegen hatte, gedrosselt worden, weil im Revier Überholverbot bestand. Unter diesen Umständen ist die Darstellung der Schubbootkapitäne L. und S. zur Geschwindigkeit des Schubverbandes zumindest nicht zu widerlegen. Insbesondere spricht auch die Aussage des Schiffsführers K. eher für als gegen die von ihnen angegebene Geschwindigkeit von 4,5 km/h. Daß diese keinesfalls übersetzt war, sondern nahezu die Mindestgeschwindigkeit darstellte, die der Schubverband zur Manövrierfähigkeit benötigte, bedarf keiner weiteren Erörterung.
Die Klägerin hat auch nicht beweisen können, daß der Schubverband den Kabellegerin einem zu geringen Abstand passiert hat und dabei mit seinem Achterschiff über die von den beiden Wahrschaupontons markierte Strichlinie geraten ist, die den Arbeitsbereich des Kabellegers von dem für die durchgehende Schiffahrt verbliebenen Strombereich abgrenzte.
...
Wenn aber aus den dargelegten Gründen nicht erwiesen ist, daß der Schubverband mit seinem Achterschiff die schon mehrfach erwähnte Strichlinie überfahren hat und deswegen mit seinen Schrauben in den Hievdraht des Kabellegers geraten ist, dann kommt als Unfallursache nur ein ungenügendes Fieren des Hievdrahtes in Betracht. Dem steht nicht entgegen, daß der Zeuge B. den Draht dreimal gefiert haben will, bevor sich der Kopf des Schubverbandes in Höhe des Kabellegers befand. Denn auch ein mehrmaliges Fieren des Drahtes besagt keineswegs, daß dieser tatsächlich tief genug abgesenkt worden war.
Soweit die Klägerin der Besatzung des Schubverbandes vorwirft, diese hätte in der Gefahrensituation die Maschinen nicht vollan drehen lassen dürfen, verkennt sie die Notwendigkeiten, die sich aus der damaligen Gefahrenlage ergaben.
Nach den insoweit nicht zu widerlegenden Angaben des Schubbootkapitäns L. hat der Schubverband erst wieder mit voller Kraft gedreht, als er sich mit seiner Mitte bereits unter der Bonner Südbrücke befand. Schon kurz danach ist aber die Steuerbordmaschine mit einem Schlag ausgefallen. Daß daraufhin die Schubverbandsführung den Verband mit Hilfe der Backbordmaschine zu halten versucht hat und diese deshalb auch voll eingesetzt hat, war situationsgerecht und nautisch richtig, um ein Verfallen des Verbandes zu verhindern. Damit mußte nämlich wegen der starken Gegenströmung und der verhältnismäßig geringen Eigengeschwindigkeit des Schubverbandes sofort gerechnet werden.
Es trifft auch nicht zu, daß die Anker des Schubverbandes nicht schnell genug gesetzt worden sind. Vielmehr haben die Schubbootkapitäne L. und S. ihre Leute gleich nach dem Ausfall der Steuerbordmaschine zum Ankersetzen nach vorne „gejagt". Ihre diesbezüglichen Angaben sind ebenfalls nicht zu widerlegen.
Daß die von der Schubverbandsführung eingeleiteten Maßnahmen letztlich keinen Erfolg hatten, vor allem die Anker nicht gegriffen haben, kann der Schubverbandsbesatzung nicht zum Vorwurf gemacht werden. Das gilt auch für den zusätzlichen Ausfall der Backbordmaschine. Dafür kommen allerdings zwei Ursachen in Betracht, für die aber die Schubverbandsbesatzung ebenfalls nicht verantwortlich ist.
Nach den Bekundungen des Tauchers Sch. spricht vieles dafür, daß auch die Backbordmaschine deswegen ausgefallen ist, weil sich der Hievdraht des Kabellegers nicht nur in den Propellern der Steuerbordmaschine, sondern auch in denen der Backbordmaschine verfangen hatte. Er konnte sich nämlich daran erinnern, daß beide Propeller mit ziemlich viel Draht umwickelt waren, wobei der Draht nicht nur um die Propellerflügel, sondern auch um die Naben, zwischen den Flügelenden und an den Düsen gesessen haben soll.
Möglicherweise ist die Backbordmaschine aber schon mangels Brennstoffzufuhr ausgefallen. Erwiesenermaßen war nämlich der obere Teil des Brennstoffregulierungsgestänges heruntergefallen, weil sich eine Schraube gelöst hatte, durch die das Reglergestänge festgehalten wurde.
Sollte dies tatsächlich die Ursache für den Ausfall der Backbordmaschine gewesen sein, dann könnte der Schubverbandsbesatzung auch deswegen kein Schuldvorwurf gemacht werden, weil es sich bei dem fraglichen Maschinenteil um ein wartungsfreies System handelt, wie der Schiffsinspektor T. glaubhaft bekundet hat. Dies hat schon das Rheinschiffahrtsgericht zutreffend festgestellt. Von Seiten der Klägerin sind dagegen bisher auch keine Einwendungen erhoben worden.
Da somit ein unfallursächliches Fehlverhalten der Besatzung des Schubverbandes nicht festgestellt werden kann, mußte es bei dem angefochtenen Urteil verbleiben.
...“