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Leitsatz:
Ein Schleppboot, das einen ungeeigneten Ankerplatz für den Schleppzug aussucht, trägt die Verantwortung für die an den Anhängen entstandenen Schäden, insbesondere auch für solche Schäden, die infolge Festfahrens der Anhänge entstehen. Ein Schleppboot, das daraufhin den geringfügig festgefahrenen Anhangkahn loszieht, kann keinen Turnlohn beanspruchen.
Urteil des Oberlandesgerichts
Rheinschiffahrtsobergericht
vom 1. Februar 1962
(Rheinschiffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort)
3 U 191/61
Zum Tatbestand:
Der aus dem der Klägerin gehörenden Boot A" und den Anhängen B" - 1. Länge - und C" - 2. Länge - bestehende Schleppzug war bei Rhein-km 619 vor Anker gegangen. Dabei war der den Beklagten gehörende Kahn B" auf einer Untiefe festgekommen und sodann unter Beteiligung des Bootes A" Iosgeturnt worden. Die Klägerin erhebt Anspruch auf Turnlohn, den das Rheinschiffahrtsgericht dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt hat. Auf die Berufung der Beklagten ist die Klägerin mit der Klage abgewiesen worden.
Aus den Entscheidungsgründen:
Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist es Sache des Kapitäns des Schleppbootes, den Liegeplatz des Schleppzuges auszuwählen. Er trägt dafür die alleinige Verantwortung (Urteile vom 24. 4. 1952 = 3 U 176/51; 28. B. 1952 = 3 U 107/52; 13. 11. 1958 = 3 U 97/58). An diesem Grundsatz ist festzuhalten.
Im vorliegenden Falle ist bewiesen, daß der Schiffsführer von A" einen ungeeigneten Liegeplatz ausgewählt hat (wird ausgeführt).
Die Havarie wäre mit Sicherheit vermieden worden, wenn der Schleppzug an geeigneter Stelle vor Anker gegangen wäre und wenn der Schiffsführer von A"
auch im übrigen seiner nautischen Sorgfaltspflicht genügt und seine Pflichten aus dem Schleppvertrage erfüllt hätte. Es war auch voraussehbar, daß auf einem ungeeigneten Ankerplatz, wo mit großer Vorsicht navigiert werden mußte, schon durch geringe nautische Fehler der Kähne Unfälle entstehen konnten. Insbesondere war die Gefahr des Festfahrens durch unrichtiges Navigieren voraussehbar. Schließlich ist es dem Reeder und dem Kapitän des Schleppbootes A" auch zumutbar, für die Folgen solcher Fehler der Kähne auf einem ungeeigneten Liegeplatz mit einzustehen. Das gilt besonders, wenn, wie im vorliegenden Falle, hinzukommt, daß sich der Kapitän des Bootes um seine Anhänge überhaupt nicht kümmerte und deshalb auf einen von ihm erkannten nautischen Fehler der ersten Länge nicht reagierte.
Der Klägerin kann ein Anspruch auf Turnlohn nicht zuerkannt werden. Der Bundesgerichtshof hat im Urteil vom 27. 10. 1960 festgestellt, daß Beistandsleistung einschließlich des entsprechenden Risikos während der Schleppfahrt regelmäßig durch den Schlepplohn abgegolten sei. Eine andere Beurteilung sei nur bei außergewöhnlichen Maßnahmen am Platze. Hiervon könne aber dann keine Rede sein, wenn es sich nur um ein einfaches Abziehen vom Grund, selbst wenn der Kahn geringfügig festgefahren sei, handele. Durch diese Entscheidung wurden Ausführungen bestätigt, die der erkennende Senat im Urteil vom 13. 11. 1958 des Rechtsstreits 3 U 97/58 vorgenommen hatte. Dort hatte sich ein Kahn eines Schleppzuges auf ungeeignetem Ankerplatz festgefahren und mußte vom Boot abgezogen werden. Die Verpflichtung des Bootes zu dieser Maßnahme hatte der Senat aus dem Schleppvertrage abgeleitet und deshalb dem Boote einen Turnlohn versagt. Dieser Fall ist mit dem vorliegenden durchaus vergleichbar, wenn er auch nicht in allen Punkten mit ihm übereinstimmt. Die dort aufgestellten Grundsätze gelten deshalb auch hier. Eine andere Beurteilung ist insbesondere nicht deshalb angebracht, weil im vorliegenden Falle der Kahn die Notlage, in die er geraten war, zu einem geringen Teil mitverschuldet hatte. Hierdurch können die Pflichten des Bootes aus dem Schleppvertrage zumindest dann nicht beeinflußt werden, wenn dessen Schuld, wie hier, erheblich überwiegt.